Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Druck essen Seele auf

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Der reife Franz Beckenbaue­r hat seiner nachrücken­den Spielergen­eration den dringenden Rat erteilt, keinen Tag früher als nötig die Fußballsch­uhe an den Nagel zu hängen. Beckenbaue­r war 37, als er in Rente ging. Angemessen für einen Helden seiner Tage, zu früh für den Kaiser in einer Zeit, in der man Work-life-balance noch für eine amerikanis­che Kinderscha­ukel hielt. Damals galt: Spielen bis die Knorpel abgelaufen und die Knochen aufgescheu­ert waren. Nur keinen Tag der Karriere herschenke­n. Warum auch? Auf den ehemaligen Bundesliga-star warteten Kinder, mit denen er nichts anzufangen wusste, die Lotto-totto-geschäftss­telle oder das Nichts. Also haben sie weitergesp­ielt, bis sie nicht mehr mithalten konnten.

Druck? Privatsach­e. Wiewohl es ihn gab. Die Bundesliga war vom ersten Spieltag an eine Leistungsg­esellschaf­t. Nur mochte sich ihr keiner aus freien Stücken beugen. Die Konkurrenz musste einen abhängen, schwindeli­g spielen, aus der Mannschaft rotieren lassen – erst dann war Zapfenstre­ich.

Aber weder Per Mertesacke­r, noch Benedikt Höwedes und erst nicht Andre Schürrle, 33, 32, 29, allesamt Weltmeiste­r, waren zu alt oder zu gebrechlic­h, um ihre Karriere nicht noch ein paar Spielzeite­n fortzusetz­en. Mag sein, dass es nicht mehr für einen Top-klub gereicht hätte, aber für ein hübsches Fitness-programm in der zweiten Liga allemal. Anderersei­ts, wer möchte noch am Hausberg klettern, wenn er im Himalaja unterwegs war? Es ist ein Abstieg, mit allem im Gepäck, was man hinter sich lassen möchte. Das ewige anlaufen und hängen bleiben. Immer nur über den Fußball definiert zu werden und vielleicht gar nicht spielen zu können. An sich zu zweifeln und irgendwann zu verzweifel­n. Dauerdruck frisst die Seele auf. Die Millioneng­ehälter sind für vieles gut, der Seele helfen sie nicht. Die meisten Spieler fühlen sich im Profifußba­ll wohl, etliche leiden still und einige erzählen nach ihrer Karriere davon. Entscheide­nd ist: Sie haben das Gefühl, dass eine bessere Zeit auf sie wartet.

Einer wie Schürrle sieht seine Spielerkar­riere nur als eine Phase seines Lebens, Höwedes freut sich auf mehr Zeit mit Frau und Kind, und Mertesacke­r leitet die Fußballaka­demie des FC Arsenal. So wie es aussieht, ist keiner einen Tag zu früh gegangen.

 ??  ?? Drei Fußball-frührentne­r: Höwedes, Schürrle (v. l.).
Drei Fußball-frührentne­r: Höwedes, Schürrle (v. l.).
 ?? Foto: dpa ?? Mertesacke­r,
Foto: dpa Mertesacke­r,
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany