Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Attraktive­s Wohnen statt Kaserne und Fabriken

Wie das Dorf Pfersee zu einem bevorzugte­n Stadtteil Augsburgs geworden ist

- VON WILFRIED MATZKE

Pfersee ist seit dem Jahr 1911 ein Augsburger Stadtteil. Aus dem einstigen Bauerndorf wurde in den 1850er Jahren ein wichtiger Industries­tandort und in den 1930er Jahren eine große Garnison. Nur Baudenkmäl­er sind von diesen beiden Pferseer Epochen übrig geblieben. Römisch, österreich­isch, jüdisch Die Ursprünge von Pfersee reichen zwei Jahrtausen­de zurück. Die Römer hatten zum Schutz ihres Brückenkop­fes an der Wertach ein Kastell errichtet. Unweit entstand wohl bald eine zivile Ansiedlung. Der heutige Ortsname Pfersee könnte von dem keltischen Begriff „Perz“für Burg oder Pforte abgeleitet sein. Während des Mittelalte­rs war das Dorf im Besitz der Augsburger Bischöfe und verschiede­ner Augsburger Patrizierf­amilien. Aus dieser Zeit stammt das imposante Gebäude „Schlössle“. Zwischen den Jahren 1579 und 1805 gehörte Pfersee zur Markgrafsc­haft Burgau und damit zu Österreich. Die Habsburger Herrscher erlaubten, dass sich Juden niederließ­en, die aus Augsburg vertrieben wurden.

Standort der Textilindu­strie Pfersee war bis Mitte des 19. Jahrhunder­ts ein Bauerndorf. Mit der

Industrial­isierung entstanden vier Textilfabr­iken, nämlich die „Spinnerei und Weberei“sowie Bemberg, Raff und Dierig. Die Wasserkraf­t des Mühlbachs hatte diese Firmen angelockt. Auch bedeutend war die „Chemische Fabrik“, wo das Imprägnier­mittel „Imprägnol“erfunden wurde. Pfersee wuchs durch zugezogene Arbeiter von rund 900

Einwohnern im Jahr 1850 auf etwa 11 000 im Jahr 1910. Die Gemeinde schaffte es nicht mehr, ihre Infrastruk­tur anzupassen. So ließen sich 1911 die Pferseer gerne nach Augsburg eingemeind­en. Von den einst sieben Industrieb­etrieben ist heute nur noch die Firma Eberle übrig geblieben. Sie gilt als weltweit älteste Laubsägenf­abrik.

Große Kaserne der Us-armee

Die Wehrmacht errichtete ab 1934 auf den Äckern westlich von Pfersee drei Kasernen. Nach dem Zweiten Weltkrieg fasste die Us-armee den Komplex zur Sheridan-kaserne zusammen. Die zahlreiche­n Soldaten dieser größten Augsburger Militärein­richtung gehörten bald zum Stadtteilb­ild. Die Pferseer Epoche als Garnison endete 1998 mit dem endgültige­n Abzug der Amerikaner. Auf dem ehemaligen Kasernenge­lände entwickelt­e die Stadt das begehrte Wohn- und Gewerbegeb­iet Sheridan-park. Bereits in den 1980er Jahren war im Südwesten ein neues gehobenes Viertel entstanden. Dieses Wohngebiet Uhlandwies­en wurde vom Wertach-hochwasser an Pfingsten 1999 besonders hart getroffen.

Gepflegt, citynah, vital

In Pfersee leben derzeit rund 27 400 Einwohner. Der Stadtteil ist mit seinen 4,1 Quadratkil­ometern etwas größer als das ehemalige Gemeindege­biet von 3,5 Quadratkil­ometern. So gehört verwaltung­stechnisch nun auch das Rosenau- und Thelottvie­rtel östlich der Wertach zu Pfersee. Der Stadtteil liegt bei den statistisc­hen Merkmalen meist im städtische­n Durchschni­tt. Charakteri­stisch für Pfersee ist jedoch die überwiegen­de Wohnnutzun­g, vorwiegend in gepflegten Vierteln. Auch wegen der citynahen Lage und dem vitalen Gemeinwese­n zählt Pfersee zu den bevorzugte­n Augsburger Stadtteile­n. Baulich geprägt wird Pfersee seit 1910 durch Herz-jesu. Sie ist die größte Jugendstil­kirche Süddeutsch­lands.

Wilfried Matzke leitet das Geodatenam­t der Stadt Augsburg. Der Diplominge­nieur der Geodäsie beschäftig­t sich gerne mit der Entwicklun­g der Augsburger Stadtteile. Traditione­ll erstellt er zum Auftakt unserer jährlichen Sommerseri­e „Kultur vor Ort“ein „Geoprofil“des betreffend­en Stadtteils.

Im Lauf der Sommerseri­e ist das Feuilleton regional jeden Dienstag im August von 17 bis 19 Uhr an der Herzjesu-kirche in Pfersee zu finden – direkt auf dem Kirchplatz. Kommen Sie doch einfach vorbei und sprechen Sie dort mit uns.

 ?? Foto: Geodatenam­t ?? Der Stadtplana­usschnitt zeigt den Stadtteil Pfersee vor genau 100 Jahren. Die elektrisch­e Straßenbah­n fuhr bereits seit 1898 als Linie Nr. 1 nach Pfersee (siehe rote Linie). Die grauen Flächen dokumentie­ren die ehemaligen Fabriken. Aus dem Pfarrfried­hof wurde nach der Eingemeind­ung der Westfriedh­of.
Foto: Geodatenam­t Der Stadtplana­usschnitt zeigt den Stadtteil Pfersee vor genau 100 Jahren. Die elektrisch­e Straßenbah­n fuhr bereits seit 1898 als Linie Nr. 1 nach Pfersee (siehe rote Linie). Die grauen Flächen dokumentie­ren die ehemaligen Fabriken. Aus dem Pfarrfried­hof wurde nach der Eingemeind­ung der Westfriedh­of.

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