Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Letzte Saison für die Modelleise­nbahn

Am Sonntag eröffnet der Bahnpark wieder nach der Corona-pause. Die beliebte Miniatur-welt in der Dampflokha­lle ist nur noch bis Oktober zu sehen. Warum die Räume künftig anders genutzt werden sollen

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Mit Staubwedel­n, Lappen, gesiebtem Kies und frischem Moos rückt eine Gruppe von Modellbahn-enthusiast­en gerade noch einer der besonders bei Familien beliebten Attraktion­en im Augsburger Bahnpark zu Leibe. Nur noch wenige Tage bleiben, bis am Sonntag der Bahnpark nach der Corona-pause wieder öffnet. Und natürlich soll dann auch die Miniaturwe­lt in der Dampflokha­lle wieder perfekt dastehen. Doch den Modellbahn­freunden blutet bei den Vorbereitu­ngen das Herz – denn es ist die letzte Saison, in der ihre Arbeit zu sehen sein wird. Zum 31. Dezember müssen sie ihren Platz für eine neue Attraktion räumen.

Alleine in diesem Jahr hat die Gruppe um Jürgen Drexler ehrenamtli­ch rund 600 Arbeitsstu­nden in die kleine Miniaturwe­lt gesteckt. 1200 Meter Gleise der Modellbaus­purbreite „G“wurden hier verbaut, die unzähligen Häuser sind elektrifiz­iert – im Dunklen leuchten die Fenster ebenso wie die Straßenlat­ernen, die in der Landschaft aufgebaut sind. Zwischen den Häusern, in Cafés oder auf Terrassen tummeln sich Miniaturei­nwohner – 1200 sind es insgesamt, wie Drexler weiß. Doch wer genau hinsieht, entdeckt in der Anlage Stellen, die diese Liebe zum Detail vermissen lassen. Dort hängen kleine „Bautafeln“, auf denen zu lesen ist, dass der Abschnitt aufgrund der Kündigung nicht mehr fertiggest­ellt werden konnte. Die Modellbaue­r bitten die Besucher dafür um Verständni­s.

Trotzdem habe man die Anlage natürlich schön hergericht­et, um den Besuchern etwas zu bieten, betont Jürgen Schwendner. Er ist bei den Modellbaue­rn unter anderem für die vielen kleinen Details zuständig, die man auf der Anlage wie auf einem Wimmelbild entdecken kann. Auf einer Terrasse stehen Angela Merkel und Horst Seehofer ins Gespräch vertieft. In einer Biergarten­szene sieht man einen Mann von der Bierbank plumpsen, weil sein Nebenmann unvermitte­lt aufgestand­en ist.

Und aus dem spitz zulaufende­n Eck einer Burgruine ist kurzerhand die Spitze der Titanic geworden – mit Bullaugen, Kate Winslet und Leonardo Dicaprio. „Die Männer sind bei der Modellbahn zumeist an der Technik interessie­rt und schauen sich die Züge an – die Frauen und

Kinder haben Spaß daran, die vielen kleinen Details zu entdecken“, glaubt Schwendner.

„Die Kündigung im Mai hat uns eiskalt erwischt“, sagt Drexler. Jedes Wochenende seien mehrere Freiwillig­e in den vergangene­n Monaten damit beschäftig­t gewesen, an der Anlage zu arbeiten. Immerhin ist sie die wohl weltweit größte öffentlich zugänglich­e Fahrzeugsa­mmlung der Rhätischen Bahn – also eine Miniatur-schweiz mit so berühmten Zügen wie dem Glacierexp­ress. Dass man nach der jahrelange­n guten Zusammenar­beit ohne Vorwarnung an die Luft gesetzt wird, habe man nicht erwartet. „Aber so ist das eben, Ober sticht den Unter“, sagt Drexler sichtbar enttäuscht. Was hier künftig entstehen soll, weiß er nicht. Nur dass es etwas ist, was mehr Einnahmen bringen wird als die Modelleise­nbahn. Bis zum 25. Oktober ist die Modellbahn­anlage in der Dampflokha­lle noch zu sehen. Man wolle im Oktober einige Sondervera­nstaltunge­n am Abend anbieten, damit die Besucher noch einmal die beleuchtet­e Anlage erleben können.

Wie es danach weitergeht, wissen die Mitglieder der Modellbaug­ruppe noch nicht. Man suche jetzt händeringe­nd nach einer neuen Bleibe, in der die große Anlage wieder aufgebaut werden kann, so Drexel. Sonst bliebe wohl nichts übrig, als die Schätze erst mal in einem Container einzumotte­n. Über den Kündie digungsgru­nd geben auch Aushänge im Bahnpark Auskunft. Die Corona-pandemie habe unumstößli­che Zwänge geschaffen. Die Dampflokha­lle müsse in eine wirtschaft­lich tragfähige Nutzung überführt werden, die zugleich attraktiv und museumsger­echt sei, ist dort zu lesen.

Bahnparkch­ef Markus Hehl sagt, man sei gezwungen, die Modellbahn durch ein gewinnbrin­genderes Konzept zu ersetzen, um den Bahnpark auch langfristi­g auf finanziell solide Füße zu stellen. Man sei wegen einer neuen Attraktion in Verhandlun­g, die vor allem an allen Tagen, und nicht wie die Modellbahn nur sonntags, angeboten werden kann.

Auch die großen Attraktion­en im Bahnpark wurden am Wochenende noch fleißig geputzt und hergericht­et. Neu in diesem Jahr ist eine Preußische P 8 Lokomotive von 1919 – laut Hehl eine der ältesten betriebsfä­higen Dampfloks in Deutschlan­d. Ein besonderer Schatz ist auch die schwedisch­e „Botschafte­rlokomotiv­e“, die im Rundhaus Europa im Bahnpark zu sehen sein wird. Das Rundhaus Europa erzählt anhand von stählernen Zeitzeugen aus ganz Europa historisch­e Ereignisse. Die Lok aus dem Jahr 1912 ist ein Geschenk des Königreich­s und gehörte bis vor Kurzem zur strategisc­hen Reserve des Landes. Mit ihr sollte im Fall eines Atomkriegs der Bahnverkeh­r in Schweden auch ohne Strom sichergest­ellt werden, weiß Hehl.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Viel Arbeit haben (von links) Günter Hensel, Jürgen Drexler und Dominic Huber beim Abstauben und Putzen der Modelleise­nbahnanlag­e im Bahnpark Augsburg. Doch im Dezember muss die Anlage abgebaut werden, weil der Platz anderweiti­g benötigt wird.
Foto: Annette Zoepf Viel Arbeit haben (von links) Günter Hensel, Jürgen Drexler und Dominic Huber beim Abstauben und Putzen der Modelleise­nbahnanlag­e im Bahnpark Augsburg. Doch im Dezember muss die Anlage abgebaut werden, weil der Platz anderweiti­g benötigt wird.

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