Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein Leben als Witwe, dreifache Mutter und Wirtin
Milena Milosevic verlor im vergangenen Herbst plötzlich ihren Mann Mirko, einen bekannten Augsburger Gastronomen. Und dann kam auch noch Corona. Wie es der 39-Jährigen heute geht
Der Biergarten des Gasthofs zum Bärenkeller ist an schönen Sommerabenden ein Anziehungspunkt nicht nur für hungrige und durstige Gäste aus der Umgebung. Milena Milosevic legt in diesen Stunden etliche Kilometer in dem weitläufigen und dadurch coronagerechten Areal zurück, nimmt Bestellungen auf, serviert Bier und Wein und prall gefüllte Teller mit Spezialitäten aus der Balkanküche – immer mit einem „Bitteschön“und einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
Auch wenn sie es sich nicht anmerken lässt, ist der 39-Jährigen nicht immer nach Lachen zumute. Im vergangenen Oktober verlor Milena Milosevic ihren Mann Mirko. Ein Herzinfarkt riss den seit vielen Jahren in Augsburg beliebten Wirt mitten aus dem Leben. Für seine 30 Jahre jüngere Frau war das ein riesiger Schock, denn nicht nur sie verlor ihren geliebten Partner, sondern auch die drei Kinder mit sechs und elf Jahren ihren Vater. Im Gasthof zum Bärenkeller, den Mirko Milosevic nach Stationen in Oberhausen und Göggingen seit 2014 betrieb, fehlte von einem Tag auf den anderen die Seele, der Mittelpunkt. Der jungen Witwe kommen heute noch die Tränen, wenn sie an die schwere Zeit, die Trauerfeier in der serbisch-orthodoxen Kirche in Augsburg und die Bestattung in ihrer Heimatstadt Belgrad denkt. Sie betrachtet ihren Unterarm, den fünf kleine Schwalben zieren. Jeder Vogel steht für eines der Kinder, für sie und für ihren Mann. „Ich habe mir das Tattoo erst wenige Tage vor Mirkos Tod stechen lassen“, sagt sie. Zu einem Zeitpunkt, als niemand ahnen konnte, dass die fünfte Schwalbe bald ins Jenseits fliegt.
Milena Milosevic gibt zu, dass sie im Herbst daran dachte, das Lokal zuzusperren. Doch dann machte sie nach ein paar Wochen Pause weiter – mit Unterstützung ihrer Angehörigen. „Familie ist Familie“, sagt die 39-Jährige und blickt dankbar zu ihrem Schwager Zoran, der ihr bei vielen organisatorischen Dingen zur Seite steht, und ihren Bruder, der kellnert.
Dass sie selbst im Gasthaus die Fäden zusammenhalten kann, verdankt sie ihrer Mutter. Sie zog ebenfalls nach Augsburg, um ihrer Tochter bei der Betreuung der sechsjähZwillinge und der elfjährigen Tochter zur Seite zu stehen. Zur Familie zählt auch noch das quirlige Malteserhündchen Kiki, das die Wirtin ihren Kindern nach dem Tod des Vaters schenkte – und das längst ihr Herz erobert hat.
Gerade als sich das neue Leben der serbisch-deutschen Familie einzuspielen schien, kam der nächste Schlag: die Corona-pandemie mit dem wochenlangen Verbot, Gäste im Lokal zu bewirten. Die Versuche, mit Abhol- und Lieferservice die Einnahmeausfälle auszugleichen, waren nicht sehr erfolgreich. „Die Leute wollen zu uns kommen und hier sitzen“, sagt Milena Milosevic. Und wieder stand sie vor der Frage, ob es sich weiterzumachen lohnt.
Heute ist die Wirtin froh, sich dafür entschieden zu haben. Die Gäste kamen wieder im Mai und halten dem Gasthof weiterhin die Treue. „Dafür möchte ich ihnen von Herzen danken.“Sorgen macht sich die Familie allerdings, wenn die Biergartensaison endet und die Coronaabstandsregeln weiterhin gelten sollten – seither haben innen nur noch 50 statt 70 Gäste Platz. Milena Milosevic ist schon heute bange, insbesondere an den stark frequentierten Wochenenden Menschen nach Hause schicken zu müssen. Wirtschaftlich betreiben lasse sich das Lokal mit so wenigen Plätzen ohnehin nicht. „Im Eisernen Kreuz in Göggingen hatten wir doppelt so viele Plätze, auch das Nebenzimmer für Gesellschaften fehlt uns hier leider “, ergänzt Schwager Zoran Milosevic.
Vor dem Herbst steht erst mal eine kleine Pause zum Ausspannen an. Ab dem 17. August macht der Gasthof zum Bärenkeller elf Tage Betriebsurlaub. Die Familie fährt nach Belgrad, auch um das Grab von Mirko Milosevic zu besuchen. Anschließend geht es noch ans Meer – den Kindern zuliebe. „Sie sollen auch ein bisschen Freude nach dierigen ser schweren Zeit haben“, sagt Milena Milosevic. Wieder zu Hause in Augsburg muss die 39-Jährige nicht nur ihr Lokal wieder zum Laufen bringen, sondern auch allerlei Vorbereitungen für den Schulbeginn treffen: Ihre Tochter kommt in die fünfte, ihre Zwillinge in die erste Klasse. Die Witwe weiß, dass die Einschulung für ihren Mann Mirko ein bedeutender Tag gewesen wäre. „Er war so ein guter Vater.“