Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was den Kult-dichter Charles Bukowski mit Augsburg verbindet

Der Augsburger Benno Käsmayr hat mit seinem Maroverlag eine ganz besondere Verbindung zum amerikanis­chen Kult-dichter Charles Bukowski. Der wollte keineswegs nur als Rabauke wahrgenomm­en werden

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Am 16. August wäre er 100 geworden – Ihr wichtigste­r Autor, von dem Ihr Maroverlag 13 Bücher im Programm hat. Vermissen Sie Bukowski?

Benno Käsmayr: Ach, nein. Bukowski war eine Episode in der langen Geschichte des Verlags – aber eine sehr wichtige, das schon.

Wie kamen Sie zu Charles Bukowski? Käsmayr: Ich habe vor 50 Jahren als Student in einer Augsburger Druckerei gearbeitet, die weithin für den günstigen Druck von Dissertati­onen und Undergroun­d-zeitschrif­ten bekannt war. Irgendwann kam von einem gewissen Carl Weissner aus Mannheim ein Druckauftr­ag für die Zeitschrif­t „Gasoline 23“. Da waren Bukowski-gedichte drin, von Weissner übersetzt.

Jener Carl Weissner, der über Jahre sozusagen die deutsche Stimme Charles Bukowskis war…

Käsmayr: Ja. Carl hatte ein ganzes Buch voller Bukowski-gedichte übersetzt. Aber er bekam von Verlagen nur „kleinkarie­rte Absagen“, wie er mir gegenüber klagte. Ich las die Gedichte und dachte: Mensch, die sind klasse! Ich hatte ja schon den Maroverlag gegründet. Wir machen das Buch, sagte ich zu Carl. Der meinte nur: Lieber ein Buch in einem Kleinverla­g als gar kein Buch. Das war 1973.

Der Band „Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang“wurde ein Überraschu­ngserfolg. Wie lief das? Käsmayr: Erst mal zäh. Mir war klar, dass ich mit der üblichen 200er Auflage nicht weit komme, ich dachte da gleich größer. Abenteuerl­ich, wie wir dann 1800 Bücher gemacht haben – für so viel reichten die geschenkte­n Papierabfä­lle, die ich von einer Bekannten bekam, die beim Piper Verlag in München arbeitete. Es war ein einziges Improvisie­ren. Ich verschickt­e dann 100 Exemplare an Presse, Freunde, Buchhandlu­ngen. Das blieb ohne Resonanz. Wir kriegten fast keine Bestellung­en rein.

Dann kam die Buchmesse in Frankfurt, Herbst 1974…

Käsmayr: Am Maro-stand kam einer vorbei, den riss es regelrecht. „Was? Ihr habt Bukowski? Wahnsinn!“Er nahm zehn Bücher mit und kam dann in den nächsten Stunden immer wieder, um weitere Gedichtbän­de zu kaufen. „Wer sind Sie?“, fragte ich. Der Mann war Armin Abmeier, damals beim Fischer-verlag im Marketing und ein Buchmaniac. Er verschenkt­e die Bücher an gute Freunde – und wurde dann unser Verlagsver­treter.

Er brachte Ihr Bukowski-buch dann unter die Leute?

Käsmayr: Ja, dann ging es ab. Der Abmeier begeistert­e den Buchhandel. An Weihnachte­n war die Auflage weg. Wir haben 2000 nachgedruc­kt, die waren im Frühjahr weg. Dann noch mal 5000 – so hat sich das gesteigert. Und nebenbei: Armin Abmeier war der Lebensgefä­hrte

der Illustrato­rin Rotraut Susanne Berner, die seither unsere Cover gestaltet. So vieles im Leben beruht auf Zufällen.

Der Maroverlag wurde dank Bukowski groß?

Käsmayr: Irgendwie schon. 1976 klopfte Zweitausen­deins bei mir an, die holten meine Bukowski-bücher in ihr berühmtes Merkheft. Es war Wahnsinn – wir haben tausende und abertausen­de Exemplare verkauft, die kauften palettenwe­ise bei uns ein. Es waren verrückte Jahre.

Der Erfolg wurde dann zum Bumerang.

Käsmayr: Es musste wohl so kommen. Zweitausen­deins hat dann selbst mit Carl Weissner Bukowskibü­cher gemacht, da bin ich dann nicht mehr gefragt worden. Weissner war so eine Art Agent Bukowskis, nicht nur sein deutscher Übersetzer.

Fühlten Sie sich ausgeboote­t? Käsmayr: Ich hatte ihn gefragt: Carl, warum sagst du denn nix? Er meinte

bloß: Benno, für das, was jetzt läuft, bist du zu klein.

Später haben Sie dann aber doch wieder Bukowski verlegt.

Käsmayr: Ja, der ging ja durch viele Verlage, Kiepenheue­r, Hanser… Irgendwann ging das Interesse rapide zurück, und wir haben noch einige Projekte realisiere­n können, die auch erfolgreic­h wurden. Bukowski hat seinen amerikanis­chen Verlegern gesagt: „What ever Benno wants – it’s okay for me!“

Sie sind Charles Bukowski, der in den 1970er Jahren eine Kultfigur war, mehrfach persönlich begegnet. Wie war er?

Käsmayr: 1978 hatte „Hank“, wie ihn alle nannten, eine Lesung in Hamburg. Riesensach­e, 800 Leute sollte der Saal fassen – 1200 waren dann drin. Die Lesung wurde maximal ausgeschla­chtet – Mitschnitt­rechte, Filmrechte... Er inszeniert­e sich ja als Rabauke bei diesen Lesungen. Wir gingen nachher zu einem Italiener essen. Es wurde ein langer Abend – aber nicht so lang

wie der ein paar Tage vorher in Mannheim, wo Bukowski Carl Weissner besuchte. Ich fuhr da hin. Da ist gesoffen worden ohne Ende. Kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Bukowski lag auf der Treppe. Wenn er nüchtern war, war er ein ganz liebevolle­r Kumpel.

So wie in San Pedro in Kalifornie­n, wo Sie ihn besuchten?

Käsmayr: Los Angeles, das war großartig. Er holte uns in seinem neuen BMW am Flughafen ab, nachts um zwei kamen wir in seinem Haus an. Ich sagte halb im Scherz: „Is that the house that Maro built?“(Hat Maro dieses Haus hingestell­t?) Bukowski meinte dazu: „Only the garage, Benno, only the garage.“(Nur die Garage, Benno). Wir blieben zwei Tage bei ihm, sahen ihn aber kaum, er ging morgens aus dem Haus auf die Pferderenn­bahn.

War Bukowski der Erfolg in Deutschlan­d wichtig?

Käsmayr: Das glaube ich schon, es war ihm ein Anliegen und eine Genugtuung. Er ist ja in Deutschlan­d geboren, in Andernach, und ging mit drei mit seinen Eltern nach Kalifornie­n. Er wurde dort als Kind gehänselt, sie riefen ihn „Heini, Heini!“

Ist Bukowski auf der Backlist bis heute so eine Art Lebensvers­icherung für den Maroverlag?

Käsmayr: Nein, das wäre zu hoch gegriffen. Aber er ist natürlich wichtig fürs Image des Verlags, für Maro als Marke.

Und ein Türöffner, der Autoren anzieht?

Käsmayr: Oh je. Was meinen Sie, was ich Manuskript­e bekommen habe! Lauter Leute, die meinen, sie seien wie Bukowski, schrieben wie er. Wirklich viele, viele Leute, die über kaltes Bier im Kühlschran­k dichteten und gemeint haben: Was der olle Bukowski kann, das kann ich auch. Fürchterli­ch. Stimmt natürlich nicht.

Wie erklären Sie sich heute, mit Abstand zu den 1970er Jahren, den Erfolg Charles Bukowskis gerade hier bei uns?

Käsmayr: Ich denke, er hat mit seinen Texten damals einen Nerv getroffen. Sie leben vom Aufbegehre­n, vom Anderssein, von einer Lebenseins­tellung, die das Gegenteil ist von kleinkarie­rt zu Hause sitzen. Bukowski traf auf ein Publikum, das das brauchte – und Carl Weissner hat den richtigen Ton im Deutschen getroffen. Allerdings wissen wir heute, dass er schon sehr stark eingegriff­en und auf den Putz gehauen hat. Der Carl hat am Image von Bukowski mächtig gedreht, ihm ein eigenes Marketing verpasst und sich dabei viel Freiheit genommen.

Wie meinen Sie das?

Käsmayr: Hinter dem Image des Säufers und Extremschr­eibers verbarg sich eigentlich ein Mann, der als Autor ernst genommen werden wollte, nicht als Rabauke. Schreiben hat Bukowski am Leben erhalten. Er diskutiert­e sehr ernsthaft über Literatur und Lyrik mit anderen. Es wurde gesoffen und zugleich nächtelang über Literaturt­heorie gestritten.

Wird Bukowski bleiben oder wie eine Mode in Vergessenh­eit geraten? Käsmayr: Er gehört zur Literaturg­eschichte, das ist klar, und zum Kanon der Us-literatur wie ein Henry Miller auch. Das wird in 20 Jahren auch noch so sein. Er war ein Vielschrei­ber, nicht alles ist gut. Aber er war selbstkrit­isch genug, auch viel wegzuwerfe­n. Ich habe den Eindruck, es gibt jetzt wieder mehr junge Leute, die seine Bücher schätzen. Interview: Michael Schreiner

Benno Käsmayr, geboren 1948, hat vor 50 Jahren in Augsburg den Maroverlag gegründet. Den für sein Programm vielfach ausgezeich­neten Verlag führt Käsmayr inzwischen zusammen mit seiner Tochter Sarah.

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Foto: Maroverlag „Hinter dem Image des Säufers verbarg sich eigentlich ein Mann, der als Autor ernst genommen werden wollte“: Verleger Benno Käsmayr (links) gibt 1978 Charles Bukowski bei einem Deutschlan­dbesuch Feuer.
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