Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ideen für den Kampf gegen Hitze in den Städten

Unter hohen Temperatur­en leiden besonders die Metropolen und ihre Einwohner. Länder wie Frankreich haben bereits Strategien gegen das Phänomen entwickelt. Deutschlan­d hinkt hinterher

- VON STEFAN LANGE dpa

Berlin Neben den Auswirkung­en der Corona-pandemie macht die Hitze den Menschen in Deutschlan­d gerade extrem zu schaffen. Temperatur­en von mehr als 30 Grad im Schatten lähmen nicht nur Jung und Alt, sondern auch Tiere und Maschinen. Hitze sorgt für Stress, in schlimmen Fällen tötet sie, und das gilt vor allem für die Städte, in denen 75 Prozent der Bevölkerun­g leben. Die Politik versucht, gegenzuste­uern, kommt aber nicht recht voran. In anderen Ländern sind sie da schon weiter.

Ein Vorbild könnte Wien sein. In der Hauptstadt Österreich­s gibt es offizielle­n Angaben zufolge acht temporäre und vier dauerhaft umgestalte­te „Coole Straßen“, die im Sommer für Abkühlung sorgen und Freiraum schaffen. Erreicht wird dies unter anderem durch den Einsatz von Sprühnebel. Für Autos gilt in den „Coolen Straßen“ein Fahr-, Halte- und Parkverbot. Darüber hinaus wurden an vielen Standorten

Wasserschl­äuche mit Düsen, Sprühdusch­en und Sprühnebel errichtet. Zudem gibt es in vielen Parks Bodenfontä­nen und Wasserspie­le, die permanent für Abkühlung sorgen. Mobile Trinkbrunn­en haben Nebeldusch­en, die bei großer Hitze auf Dauerbetri­eb gestellt werden.

Frankreich hat seine Lehren aus der schlimmen Hitzewelle 2003 gezogen, als etwa 11 500 Menschen extremen Temperatur­en zum Opfer fielen. Vor allem alleinlebe­nde alte Menschen starben. In Städten wie Paris oder Lyon wurden strenge Fahrverbot­e durchgeset­zt. Arbeitgebe­r sind seitdem verpflicht­et, Arbeitszei­ten auf die kühlen Stunden am Morgen und am Abend zu verlegen – südlichere Länder praktizier­en das bekanntlic­h schon lange.

Ein weiteres von Klimaschüt­zern genanntes Beispiel ist Recife, eine Millionens­tadt im Nordosten Brasiliens. Deren Verwaltung konzentrie­rt sich auf die Sanierung und Erweiterun­g eines Parks an einem der zahlreiche­n Flüsse, um die Auswirkung­en von Hitzewelle­n zu verringern. Das Projekt mindert gleichzeit­ig das Risiko von Überschwem­mungen und trägt zur Kohlenstof­fbindung bei. Im polnischen Breslau setzen die Stadtentwi­ckler auf „Westentasc­hen-parks“, also kleine Grünfläche­n, sowie auf begrünte Fassaden, um die Innenstadt herunterzu­kühlen. Dazu gehört auch, Bäume, Sträucher und Grassorten zu pflanzen, die besser mit der Hitze klarkommen. In Deutschlan­d werden vielfach noch die alten Sorten verwendet, das Ergebnis sind verdorrte Rasenfläch­en und vertrockne­te Bäume. Gießen ist auf Dauer keine Lösung, weil so die Trinkwasse­rvorräte angegriffe­n werden.

Es gibt viele Ansätze, um die Hitze zu vertreiben. Im Bahnverkeh­r werden weiße Schienen getestet, einige Städte setzen helle Farbe an Hausfronte­n ein, um Sonnenstra­hlen zu reflektier­en und das Material zu kühlen. Mit dem Programm „Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawande­l“will das Bundesumwe­ltminister­ium die „Anpassungs­kompetenz“in Deutschlan­d stärken. Das Haus von Ministerin Svenja Schulze (SPD) unterstütz­t Projekte für die Anpassung an Hitze oder Starkregen. Es gibt noch weitere Beispiele. Kritiker monieren aber, dass hierzuland­e der rechtliche Ordnungsra­hmen fehle.

Ändern könnte sich das mit einem Antrag, den die Grünen in den Bundestag eingebrach­t haben. Sie setzen sich dafür ein, die „Klimaresil­ienz der Städte durch mehr Natur und Freiräume“zu erhöhen. Die Fraktion fordert eine Anpassung des Bauplanung­sund Naturschut­zrechts. Hauptziel: Städte und Kommunen sollen verpflicht­et werden, Grün und Platz für die Menschen einzuplane­n. Grünen-chef Robert Habeck sprach von einem „Hitzeplan“und forderte auch ein einheitlic­hes, gestuftes Hitzewarns­ystem. „Die gegenwärti­ge Sommerhitz­e kommt nicht überrasche­nd“, sagte Habeck der Nachrichte­nagentur und ergänzte: „Solche Hitzewelle­n werden das neue Normal sein.“

Sehr warme Sommer gab es schon immer. Ihre Zahl und Dichte nahm in den vergangene­n 20 Jahren, vor allem aber in der letzten Dekade, jedoch enorm zu. Unbestechl­iche Auskunft darüber geben die Aufzeichnu­ngen des Deutschen Wetterdien­stes, der seit 1890 die sogenannte­n Temperatur­anomalien erfasst. Kalte Zeiten sind blau dargestell­t, sie kamen früher häufig vor. In letzter Zeit leuchtet die Grafik vor allem in einer Farbe: in Alarmrot.

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Foto: dpa Hitze in Paris: Wasserspie­le kühlen den Platz vor dem Louvre.

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