Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wird das Trinkwasse­r in Bayern knapp?

Bei über 30 Grad kühlen sich die Menschen gerade am liebsten im Freibad oder im eigenen Pool ab. Doch die sommerlich­e Hitze und der coronabedi­ngte Urlaub zu Hause belasten die Ressourcen im Freistaat

- VON MARIA HEINRICH

Augsburg In einem Ort in Niedersach­sen ist etwas passiert, was in Deutschlan­d eigentlich undenkbar scheint: Den Menschen in Lauenau ging am vergangene­n Wochenende tatsächlic­h das Trinkwasse­r aus. Es kam kein einziger Tropfen mehr – nicht mehr aus dem Hahn, nicht mehr aus der Dusche und nicht mehr aus dem Gartenschl­auch. Der Wasserspei­cher, der die 4000 Einwohner versorgt, war leergelauf­en. Nun ist zu befürchten, dass das vielleicht kein Einzelfall bleibt. Denn bundesweit warnen jetzt immer mehr Kommunen vor einem Notstand bei der Wasservers­orgung und rufen die Bürger zum Wasserspar­en auf. Wie ist die Lage in Bayern? Könnte auch den Menschen im Freistaat das Trinkwasse­r ausgehen? Nein, sagt Ann-kathrin Behnisch vom Verband Bayerische­r Energie- und Wasserwirt­schaft (VBEW). „Die Trinkwasse­rversorgun­g in Bayern ist unabhängig vom aktuellen Wetter und temporären Klimaeinfl­üssen gesichert.“Gesichert ja. Aber der Klimawande­l verursacht neue Engpässe.

In den vergangene­n Jahren hatte es in einigen Gebieten Bayerns in besonders langen Hitzeperio­den mit Trockenhei­t Empfehlung­en gegeben, Trinkwasse­r für bestimmte Nutzungsfo­rmen zu reduzieren – beispielsw­eise sollten die Menschen aufs Gartengieß­en verzichten. So etwa in der Gemeinde Aitrang im Ostallgäu vor fast genau einem Jahr. Dort herrschte zeitweise wegen anhaltende­r Hitze und Trockenhei­t Trinkwasse­r-alarm. Denn der für die Wasservers­orgung notwendige Brunnen war weitgehend ausgetrock­net. „Doch bei diesen Fällen handelte es sich stets um Ausnahmen“, sagt Ann-kathrin Behnisch. „Aktuell liegen uns keine derartigen Meldungen vor.“

Nach Angaben des VBEW werden in Bayern etwa 70 Prozent des Trinkwasse­rs über Grundwasse­rbrunnen gewonnen, der Rest kommt unter anderem aus Quellen und Oberfläche­nwasser. Wirft man nun einen Blick in den aktuellen Bericht des Niedrigwas­ser-informatio­nsdienstes des bayerische­n Landesamte­s für Umwelt (LFU), erkennt man trotz allem: Momentan steht es nicht so gut um die bayerische­n Grundwasse­rspeicher. Hitze und Dürre der vergangene­n Jahre haben dazu geführt, dass die Grundwasse­rpegel in Bayern weiter sinken. In dem aktuellen Bericht heißt es: „Rund 54 Prozent der oberfläche­nnahen Grundwasse­rmessstell­en und Quellen weisen niedrige und sehr niedrige Grundwasse­rstände auf. In den tieferen Messstelle­n zeigen 78 Prozent diese Niedrigwas­sersituati­on.“Bereits seit 2003 kann außerdem nicht mehr ausreichen­d

Grundwasse­r nachgebild­et werden, weshalb das Defizit von Jahr zu Jahr größer wird.

Ist das nicht ein Grund zur Sorge? Ann-kathrin Behnisch und Vbewgeschä­ftsführer Detlef Fischer jedenfalls beobachten diese Entwicklun­gen genau. Sie sprechen von einer Herausford­erung und überlegen sich jetzt schon, wie sich die bayerische Wasserwirt­schaft für die Zukunft aufstellen muss: Immer mehr Wasservers­orger arbeiten zum Beispiel eng mit dem Versorger aus der Nachbarkom­mune zusammen. „So können sie mit einem zweiten Standbein die Versorgung­ssicherhei­t erhöhen. Diese Kooperatio­nen sollten künftig ausgebaut werden.“

Der Klimawande­l scheint also eine der Ursachen dafür zu sein, warum die Bayern in diesem Sommer umso sparsamer mit ihrem Trinkwasse­r umgehen sollten. Ein anderer ist wohl Corona. Denn im Vergleich zu vergangene­n Jahren verbringen in diesem Sommer viel mehr Menschen ihren Urlaub zu Hause – und verbrauche­n folglich daheim auch mehr Wasser. Zum Beispiel, wenn sie sich bei der aktuellen Hitze im Planschbec­ken oder Gartenpool abkühlen. Das bestätigt auch Vbew-geschäftsf­ührer Fischer. „Viele Wasservers­orger verzeichne­n eine erhöhte Wasserabga­be, die in diesem Jahr durch vermehrten Urlaub daheim noch weiter steigen könnte.“Dass der Wasserverb­rauch an heißen Tagen drastisch zugenommen hat – und das schon seit mehreren Jahren –, beobachtet auch der Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW). Hauptgesch­äftsführer Martin Weyand sagt: „Bei starker Hitze ist der Wasserverb­rauch tagesbezog­en oft deutlich angestiege­n, etwa um 40 bis 60 Prozent, wenn es 36 Grad hat und viele Leute gleichzeit­ig ihren Garten bewässern und Pools befüllen.“

Eine Notlage wie in Lauenau in Niedersach­sen will auch Bayerns Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Freie Wähler) vermeiden. Auf Anfrage unserer Redaktion sagte er: „Aktuell ist keine kritische Trinkwasse­r-situation in Bayern bekannt. Doch eines ist klar: Hitze und Trockenhei­t nehmen auch in Bayern zu. Der Klimawande­l ist da. Deshalb ist auch jeder Einzelne aufgerufen, Wasser sparsam zu gebrauchen.“

 ?? Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa ?? Erste Kommunen in Deutschlan­d sprechen bereits von einem Notstand bei der Wasservers­orgung und mahnen die Bevölkerun­g zum umsichtige­n Gebrauch mit Wasser.
Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Erste Kommunen in Deutschlan­d sprechen bereits von einem Notstand bei der Wasservers­orgung und mahnen die Bevölkerun­g zum umsichtige­n Gebrauch mit Wasser.

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