Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Radeln, nicht streiten
Im Allgäu und im benachbarten Tirol werden über 120 Routen einheitlich ausgeschildert – speziell für Einsteiger und Familien. Das soll künftig Konflikte vermeiden
Kempten Immer mehr Mountainbiker sind im Allgäu unterwegs: Mittlerweile fährt etwa die Hälfte von ihnen mit Strom, also mit einem E-mountainbike. Und mit der seit Jahren zunehmenden Zahl von Zweiradfahrern auf Berg- und Wanderwegen wächst das Konfliktpotenzial. Für den Deutschen Alpenverein (DAV) war der derzeitige Andrang in den Bergen in Coronazeiten am Dienstag wieder einmal Anlass, an die Mountainbiker und Wanderer zu appellieren: „Nehmt Rücksicht auf die, die zu Fuß unterwegs sind, und fahrt nicht querfeldein“, sagte Dav-präsident Josef Klenner.
Die Allgäu Gmbh hatte zusammen mit dem Tannheimer Tal (Tirol) bereits vor vier Jahren ein Mountainbike-projekt gestartet mit dem Ziel, die Zweiradfahrer auf bestimmten Routen zu kanalisieren. Die Kosten des Projekts, das aus einem europäischen Fördertopf bezuschusst wird, belaufen sich auf etwa 840000 Euro. In insgesamt 64 Gemeinden im gesamten Allgäu und im Bezirk Reutte/tirol werden in diesen Tagen je zwei Mountainbikerouten ausgeschildert. Insgesamt haben die Tourenvorschläge eine Gesamtlänge von über 700 Kilometern Strecke. Zumeist führen die empfohlenen Routen über Forstund Alpwege. Alles andere als leicht sei in manchen Fällen die Abstimmung mit Grundbesitzern gewesen, sagt Bernhard Joachim, Geschäftsführer der Allgäu Gmbh. Geklärt werden mussten unter anderem Rechts- und Haftungsfragen.
Die Allgäu Gmbh will mit dem neuen Angebot „Naturbiken“vor allem Mountainbike-einsteiger, Genießer und Familien ansprechen. Deshalb sind die ausgewiesenen Routen auch nicht anspruchsvoll und hochalpin. Gefragt sind nicht die schmalen Trails, sondern Genusstouren, heißt es. Es gehe nicht um gefahrene Höhenmeter und Schwierigkeiten der Trails, sondern der neue Begriff „Naturbiken“steht laut Konzept für „einen achtsamen Umgang mit unserer Allgäuer und Tiroler Naturlandschaft“.
Eine andere Zielgruppe, nämlich in erster Linie sportlichere Mountainbiker, wollen bayerisches Umweltministerium und Alpenverein ansprechen. Vor zwei Jahren wurde in den Kreisen Bad Tölz-wolfratshausen und Oberallgäu ein Modellprojekt aus der Taufe gehoben, in dem es um freiwillige Lenkungsmaßnahmen geht. Mountainbiker sollen beispielsweise für die Anliegen von Alp- und Landwirtschaft sensibilisiert werden. Hintergrund: Viele Grundbesitzer befürchten, dass sie bei Unfällen mit Mountainbikern haftbar gemacht werden könnten. 250000 Euro zahlt das bayerische Umweltministerium für das Mountainbike-projekt, 108000 Euro der DAV. Dabei wird in Alpenvereinskreisen immer noch diskutiert, wie man zur immer größer werdenden Schar der strombetriebenen Mountainbiker stehen soll. Eigentlich steht der Verein für eine möglichst naturnahe Fortbewegung in den Bergen. Andererseits hat er den einzelnen Sektionen aber freigestellt, ob sie beispielsweise auf ihren Hütten E-bike-akkus aufladen. Unbestritten ist: Je mehr Menschen mit E-bikes in den Bergen unterwegs sind, desto mehr gelangen in bisher wenig besuchte Regionen.
Mit seinem Mountainbike-projekt leiste der DAV „wichtige Vorarbeit“, sagte kürzlich Christian Zwanziger, der tourismuspolitische Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag. Für eine effektive Besucherlenkung seien „Kooperation statt Kirchturmdenken“gefragt. „Nur mit gemeinsamen Ansätzen über Gemeindegrenzen hinweg und auf allen politischen Ebenen schaffen wir die nötige Akzeptanz.“