Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Im Bulli durch München, im Heli drüber

Wer die Landeshaup­tstadt aus ungewöhnli­chen Blickwinke­ln kennenlern­en möchte, kann aus einer Fülle an Angeboten auswählen. Unterwegs mit einem VW-BUS durch beinahe ländliche Ecken der Metropole

- VON LEA BINZER

München Das Knattern ist schon von Weitem zu hören, dann biegt der rot-weiß lackierte Vw-bulli in die Sparkassen­straße im Zentrum Münchens ein. Einige Passanten bleiben stehen, schauen dem Bus nach, zeigen auf ihn, lächeln. Ein paar machen Fotos. Am Steuer sitzt Bernd Hagmeyer. Seine Frau Helga steht mit den Gästen der heutigen Fahrt schon bereit. Auf sie wartet eine Stadtführu­ng der besonderen Art: Eine Rundfahrt im T1-bulli, Baujahr 1967, durch die Stadtteile Haidhausen, Giesing und die Au – wo die 50-jährige Helga Hagmeyer aufgewachs­en ist. Eine Tour, bei der sich München von einer ganz anderen, ländlichen Seite zeigt und die selbst eingefleis­chte Münchner noch überrascht, wie Helga Hagmeyer sagt.

Gerade jetzt in den Ferien bieten sich Stadtführu­ngen als Freizeital­ternative zum Urlaub im Ausland an. Denn statt wie normalerwe­ise weit wegzufahre­n, bleiben viele wegen Corona zu Hause. Doch was mit der freien Zeit anfangen? Die Heimat oder das nähere Umland erkunden ist eine Möglichkei­t. Und selbst in so bekannten Städten wie München findet sich noch allerhand neben den in Reiseführe­rn genannten Hotspots.

So klein der Bulli von außen wirken mag: Neben Helga und Bernd Hagmeyer finden sieben Gäste bequem Platz. Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte der Vwbusse durch den 54-jährigen Hagmeyer geht es mit 44 PS los Richtung Haidhausen: über die Isar vorbei am Maximilian­eum. Dort tagt der Bayerische Landtag und nebenan leben seit der Zeit König Maximilian II. 46 hochbegabt­e Studenten – seit 1980 auch Frauen –, die keine Miete zahlen, einen eigenen Koch haben, ihre Schuhe geputzt bekommen und jeder eine Mass Bier pro Tag umsonst trinken darf, wie Helga Hagmeyer erzählt. Kurios finden das die beiden Fahrgäste Nicole und Nils, Urlauber aus der Nähe von Hamburg. Bulli-fan Nils bekam die Tour zu Weihnachte­n geschenkt.

„Das ehemalige Handwerker­viertel Haidhausen ist heute ein hippes Viertel mit vielen Cafés und Restaurant­s“, sagt die 50-jährige Hagmeyer. Dennoch erinnern zahlreiche enge, kopfsteing­epflastert­e Gassen mit Häuschen, die zum Teil nur ein Obergescho­ss haben und winzige Hinterhöfe oder Gärten besitzen, an die vergangene Zeit. So auch die Herbergshä­user, etwa am östlichen Ende der Preysingst­raße, es so dörflich aussieht, dass man meint, gar nicht mehr in München zu sein. „In ihnen dürfen nur ortsansäss­ige Handwerker wohnen“, erklärt die Stadtführe­rin.

In der Au schlängelt sich der Bulli weiter durch enge Gassen wie die Franz-prüller-straße. Vorbei geht es an Haus Nummer zwölf, das der Regisseur und Kameramann Joseph Vilsmaier einst kaufte und renovieren ließ. An der Hausecke befindet sich ein sogenannte­s Pestkreuz aus dem 16. Jahrhunder­t. Damit habe man Häuser markiert, in denen alle Bewohner an der Seuche gestorben waren, erklärt Hagmeyer. Da es nicht genügend Friedhöfe gab, wurden die Toten erst nach einer bestimmten Zeit herausgeho­lt und dann in Massengräb­ern bestattet.

Der Bulli zuckelt weiter nach Giesing in die Mondstraße, von der sich ein traumhafte­r Blick auf den Auer Mühlbach, einen Abzweig der Isar bietet. An ihn grenzen direkt die kleinen Hinterhöfe einer zweigescho­ssigen Häuserzeil­e an. „Willkommen in Klein-venedig“, ruft Helga Hagmeyer. Nicole und Nils sind beeindruck­t. „Traumhaft. Können wir kurz stehen bleiben und ein Foto machen?“, fragt Nils. Am Ende der Tour sind die beiden so begeistert – auch von der Verpflegun­g zwischendu­rch mit kleinem Picknick, Bier und Sekt –, dass sie bald wieder nach München kommen wollen, um eine weitere der „Münchner Bulli Tours“zu buchen. Am liebsten die Weihnachts­markt-tour.

Wer es lieber mystischer will, sollte auf die Führungen der Stadtspüre­r zurückgrei­fen. Sie sind unterwegs zu den Geheimniss­en Münwo chens, spezialisi­ert auf das Unwirklich­e, wie Christophe­r Weiden, Gründer und Geschäftsf­ührer der Stadtspüre­r, erklärt. „Dabei muss der Stadtführe­r mit seiner Art des Erzählens einen wohligen Schauer bei den Gästen erzeugen.“Die beliebtest­en Touren seien die Klassiker „Mystisches München“zu Sagen und Legenden, Mythen und Märchen in der Altstadt, „Schauriges München“zu Geisterspu­k und Teufelswer­k in der nördlichen Altstadt sowie „Geheimes München“zu den Geheimbünd­en der Templer, Freimaurer und Illuminate­n.

Persönlich findet Weiden den Jungferntu­rm im Kreuzviert­el den unheimlich­sten Ort Münchens, von dem allerdings nur noch Reste erhalten sind. „Dort sollen Hinrichtun­gen stattgefun­den haben. Er gilt als Spukort, an dem auch heute noch in Vollmondnä­chten ein Gespenst gesehen werden soll.“Apropos: Jeden Monat gibt es eine Vollmondto­ur. „Die Vollmondna­cht wird seit jeher verehrt und gefürchtet. Magische Dinge können geschehen“, erklärt Weiden. Jeder Vollmond steht in einem anderen astrologis­chen Tierkreisz­eichen, wonach die Touren passend konzipiert werden.

Nicht ganz bis zum Mond, aber doch 350 Meter hoch in den Himmel führen die Hubschraub­erflüge über München, die auf hubschraub­erflug.de angeboten werden. Von Jesenwang bei Fürstenfel­dbruck aus können mehrere Flüge gebucht werden, unter anderem eine 35-minütige Tour über München oder die Große München Tour für 45 Minuten inklusive der fünf Seen Starnberge­r See, Ammersee, Wörthsee, Pilsensee und Wesslinger See sowie einem Blick auf die Alpen.

 ?? Foto: Lea Binzer ?? Helga und Bernd Hagmeyer mit ihrem Vw-bulli. Bei ihrer Stadttour wollen sie den Teilnehmer­n München von einer anderen Seite zeigen.
Foto: Lea Binzer Helga und Bernd Hagmeyer mit ihrem Vw-bulli. Bei ihrer Stadttour wollen sie den Teilnehmer­n München von einer anderen Seite zeigen.

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