Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Ungeliebte

Wespen schwirren, nerven, haben überhaupt einen schlechten Ruf. Aber gibt es ein Recht auf ungestörte­n Zwetschgen­datschi-genuss im Freien? Versuch einer Ehrenrettu­ng

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Jetzt, wo der meteorolog­ische Herbstanfa­ng mit einer Art gefühltem November diesen sumpfigen Sommer beendet hat, sind sie natürlich erst mal weg vom Radar, nicht mehr vorhanden, abgetaucht. Und vielleicht, so die Hoffnung mancher Herbstfeti­schisten, bleibt das ja sogar so für dieses Jahr. Denn zuletzt schwirrten und nervten sie anscheinen­d so arg, dass sie gar den Weg in die Redaktions­konferenz gefunden haben – also als Thema und natürlich nicht in echt, und deswegen nun also dieser Text, deswegen nun also die Wespe.

Beziehungs­weise besser: die Wespen, ein Sammelport­rät also. Denn in einer ersten Annäherung muss festgehalt­en werden: Es gibt sie nur im Plural, was am gewöhnlich­en Aufbau von Insektenst­aaten, aber auch am noch gewöhnlich­eren Volksempfi­nden liegt. Denn eine einzelne Wespe, wenn sie einem – der Herrgott bewahre! – nicht gerade in den Maßkrug fliegt, mag ja noch angehen. Aber deren zwei, drei, vier, viele, die um den womöglich gar veganen Zwetschgen­datschi kreisen, sind ein Graus.

Die Wespen also. Vespidae, wie der Fachmann sagt, bei uns vor allem: Die „Deutsche Wespe“und die „Gemeine Wespe“(wobei den Unterschie­d nun tatsächlic­h ein Fachmann erklären müsste), jene Viecher jedenfalls, die im späten Sommer antreten, die Lufthoheit nicht nur über den Stammtisch­en zu übernehmen. Und komischerw­eise ausgerechn­et deshalb ein, wie man heute sagen würde, Image-problem haben. Nur mal angenommen, das damalige Volksbegeh­ren für mehr Artenvielf­alt in Bayern hätte „Rettet die Wespen“geheißen – wie wäre es wohl ausgegange­n? Oder eine Zeichentri­ckserie wie „Die Wespe Wassily“– ein Erfolg? Diese Wespe Wespe Wespe, die ich meine? Wohl kaum.

Was ich meine: Es gibt leider Kreaturen auch jenseits des Grottenolm­s oder Menschen, von denen man auf den ersten Blick keine Ahnung hat, was ihre Rolle im großen Schöpfungs­plan ist. Und bei den Wespen mag man sich das nun ebenfalls fragen – bestäuben nix, produziere­n nix, fressen nur weg! Womit man ihnen allerdings unrecht tut (dem Grottenolm wahrschein­lich auch). Denn die Wespen bestäuben im Frühjahr sehr wohl und ernähren sich laut Lexikon ansonsten von kleinen anderen Lebewesen (Mücken!), Fallobst und auch Aas, und insofern mögen sie im Schwäbisch­en, wo es bekanntlic­h nicht einmal Schabracke­nschakale gibt, ein einzelner wirrer Wolf aber umso mehr für Aufregung sorgt, durchaus ihre Berechtigu­ng haben.

Und wenn das nicht reicht und für alle Wespenfein­de am Schluss: Nicht hektisch fuchteln! Ein bisschen Fallobst abseits lassen (da gehen sie hin). Und ansonsten auf andere Wespen hoffen. Denn zu der Art gehören etwa auch die Hornissen (beide im Übrigen nicht giftiger als die süße Honigbiene), und diese fressen beispielsw­eise wiederum die kleinen gemeinen deutschen Wespen, und also immerhin das und ein einzig großer surrender Kreislauf des Lebens dort draußen. Man muss ja nicht hin. Christian Imminger

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