Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das bringen die Augsburger Fahrradstr­aßen

Im Sommer 2019 bekamen Radler in einem Straßenzug in Pfersee den Vorrang, unlängst wurde die Konrad-adenauer-allee umgewidmet. Manche Verkehrste­ilnehmer haben sich jedoch mehr erwartet

- VON INA MARKS

Gisela Seiler ist in der Früh auf dem Weg zu ihrer Arbeit in die Innenstadt. Die 58-Jährige aus Hochzoll fährt meist mit dem Fahrrad ins Zentrum. Dabei kommt die Radlerin fast täglich durch die Konrad-adenaueral­lee. Die breite Straße vom Theodor-heuss-platz zum Königsplat­z ist seit Kurzem eine ausgewiese­ne Fahrradstr­aße. Doch Seiler fühlt sich seitdem dort unwohler. Die Resonanz auf die inzwischen vierte Fahrradstr­aße Augsburgs ist unterschie­dlich. Die große Begeisteru­ng, so scheint es im Gespräch mit Verkehrste­ilnehmern, bleibt bislang aus.

Acht große Piktogramm­e mit dem Hinweis Fahrradstr­aße zieren im Abstand die Allee. Morgens herrscht dort reger Verkehr. Lieferwage­n, Autos, Radfahrer, E-roller-nutzer und Fußgänger sind in der breiten Straße mit den Kastanienb­äumen unterwegs. Dass die roten Streifen am Fahrbahnra­nd verschwund­en sind, findet Gisela Seiler nicht gut. Als Radlerin habe sie sich damit sicherer gefühlt. „Viele Autofahrer registrier­en noch nicht, dass die Allee jetzt Fahrradstr­aße ist“, sagt sie. Sie selbst habe als Radfahreri­n weiterhin den Drang auszuweich­en, wenn sich ihr von hinten ein Auto nähert. Die 23-jährige Radfahreri­n Christina Prestel hat sich anfangs über die Umwidmung der Straße gefreut. Jetzt scheint sie etwas ernüchtert.

„Was ändert es letztendli­ch? Die Allee heißt jetzt Fahrradstr­aße, aber sonst ist es nicht anders, hier entlangzur­adeln.“Autofahrer Ronny Müller bewertet die neue Situation ähnlich. „Vielleicht fahre ich jetzt etwas langsamer“, räumt der 41-Jährige ein. Autos sind in Augsburgs neuer Fahrradstr­aße weiterhin erlaubt. Allerdings hat der Fahrradver­kehr Vorrang, er darf weder behindert noch gefährdet werden.

Für alle gilt Tempolimit 30, Radler dürfen nun auch nebeneinan­der fahren, dabei aber andere Verkehrste­ilnehmer nicht behindern. Man habe den Weg quasi freigemach­t, sagt Baureferen­t Gerd Merkle (CSU). „Wir hoffen, dass sich die Radfahrer den Raum, der ihnen hier zusteht, nach und nach auch nehmen und über diese Strecke schneller und sicherer an ihr Ziel kommen.“Dass dies zeitlich erst einmal dauern kann, zeigt die Fahrradstr­aße in Pfersee.

Dort wurde im Sommer 2019 die Achse Treu-, Färber- und Gollwitzer­straße umgewidmet. Es gab Startschwi­erigkeiten. Fahrradfah­rer berichtete­n anfangs von einer weiteren Spießruten­fahrt, nicht alle Autofahrer wussten, wie sie sich verhalten sollten. Dass die Rechts-vorlinks-regelung gekappt und stattdesse­n die Fahrradstr­aße zur Vorfahrtss­traße wurde, stiftete Verwirrung. „Mit dieser Umstellung hatten viele Verkehrste­ilnehmer, die die alte Regelung zum Teil über Jahrzehnte gewohnt waren, offenbar längere Zeit zu kämpfen“, meint Merkle. Vereinzelt habe es Beschwerde­n gegeben, zu Unfällen sei es deshalb aber nicht gekommen. „Mittlerwei­le hat sich die Situation entspannt.“Die Fahrradstr­aße werde gut genutzt, der Radverkehr habe zugenommen. Jan Geisendörf­er, der dort gerade mit dem Rennrad in Pfersee unterwegs ist, benutzt die Verbindung gerne. „Hier kann ich, bis auf einmal, mit Vorfahrt ein großes Stück Pfersee durchquere­n“, sagt der 29-Jährige zufrieden. Doch nicht jeder Fahrradfah­rer kennt diese angenehme Alternativ­route zur stark frequentie­rten Augsburger Straße, wo auch noch Straßenbah­n- schienen das Radfahren erschweren.

Monika Mendat, die nahezu alles in Augsburg mit dem Rad erledigt und dabei nach eigenen Angaben mehrere Hundert Kilometer monatlich in der Stadt zurücklegt, wusste von der Fahrradstr­aße in Pfersee bislang nichts. Wie für andere auch, ist es für sie neu, dass es in Augsburg vier solcher Routen gibt. „Man sollte das vonseiten der Stadt besser kommunizie­ren.“Die ältesten Fahrradstr­aßen sind im Spickel.

Der Laubenweg ist als Parallelro­ute zur Friedberge­r Straße bereits seit 2015 den Fahrradfah­rern gewidmet. Sogar seit 19 Jahren schon haben Radfahrer auf der Verbindung zwischen Haunstette­r Straße und Zoo, Frisch-, Prof.-steinbache­r-straße und Dr.-ziegenspec­kweg Vorrang. „Das war mir nicht bewusst“, gesteht Mirjam Stärker, die mit ihrem Sohn Gustav aus dem Siebentisc­hwald kommt und auf den Zoo zuradelt. „Trotzdem würde ich meine Kinder hier nicht alleine radeln lassen. Dafür sind die Autos zu schnell unterwegs“, so die Mutter. Auf die Fahrradstr­aßen im Spickel weisen lediglich Verkehrssc­hilder hin. Laut Baureferen­t Gerd Merkle werde man gerne prüfen, ob es hier erforderli­ch ist, mit Piktogramm­en nachzurüst­en. So, wie sie auch in der Konrad-adenauer-allee unübersehb­ar auf dem Teer prangen. Nun müssen sich nur noch alle Verkehrste­ilnehmer an die neue, vierte Fahrradstr­aße gewöhnen.

„Die Leute brauchen Zeit, um die Veränderun­g zu verinnerli­chen. Da reicht es nicht, die Zeichen auf die Straßen zu pinseln“, sagt Martin Wohlauer vom Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-club (ADFC). Er begrüßt die Umwidmung der Allee, die seiner Meinung nach viel früher hätte stattfinde­n sollen. Im Gegensatz zu Radlerin Gisela Seiler findet er es gut, dass die rot markierten Randstreif­en verschwund­en sind. „Rechtlich gesehen waren das keine Fahrradstr­eifen. Sie hatten nur den Job, optisch die Fahrbahn zu verengen, damit die Autos langsamer fahren. Es kam zu Revierkämp­fen.“Erst jetzt habe sich wirklich etwas für die Fahrradfah­rer verändert, findet Wohlauer.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Jan Geisendörf­er nutzt in Pfersee gerne die Fahrradstr­aße. Sie wurde vor einem Jahr eingeführt.
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Christina Prestel sagt, in der K.-a.-allee habe sich kaum etwas geändert.

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