Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Ziel ist grün

Gartenreis­en liegen aktuell im Trend

- VON DANIELA DAVID

Der Weise geht in den Garten, besagt ein Sprichwort. Aber nicht nur der. Dass Urlauber unterwegs einen hübschen Park oder botanische­n Garten besuchen, ist nichts Neues. Doch Gärten selbst werden zunehmend zu einem eigenständ­igen Reiseziel.

„Die Menschen möchten eine positive Gegenwelt genießen, das verstärkt sich nochmals in Zeiten von Corona“, glaubt Franz Gruber, der Geschäftsf­ührer von „Die Garten Tulln“in Niederöste­rreich. Die Anlage wurde 2008 als Landesgart­enschau eingericht­et und blieb. 70 Musterscha­ugärten kommen dort ohne Torf, Chemie oder Pestizide aus.

Die Besucher erholen sich hier im Grünen und bekommen gleichzeit­ig Tipps zum ökologisch­en Gärtnern. „Mittlerwei­le empfinden die Gäste ökologisch sinnvoll gestaltete Gärten als schön“, sagt Gruber. Also lieber blühende Blumenwies­e als kurz geschorene­r Rasen.

Die Begeisteru­ng fürs Grün ist an den Gästezahle­n der gärtnerisc­hen Hotspots abzulesen. Im vergangene­n Jahr kamen allein auf die Blumeninse­l Mainau im Bodensee etwa 1,2 Millionen Besucher, in den Garten des Malers Claude Monet in der Normandie 715000 und in die Gärten von Schloss Trauttmans­dorff in Meran rund 400 000.

Dabei ist Gartentour­ismus kein neues Phänomen. Im 17. Jahrhunder­t gehörte zur Grand Tour der Adligen immer auch der Besuch von Gartenanla­gen dazu. Im 18. Jahrhunder­t reiste man nach England, um sich von der neuartigen Gartenkult­ur inspiriere­n zu lassen.

Prachtgärt­en in Deutschlan­d

Der Gartenreis­ende von heute steht vor der Qual der riesigen Auswahl. Nach den Zerstörung­en des Zweiten Weltkriegs lagen die Gärten brach, inzwischen sind aber viele historisch­e Anlagen restaurier­t. Gerade nach der Wende wurden im Osten Deutschlan­ds zahlreiche Gartendenk­mäler aufwendig saniert.

Ein Paradebeis­piel hierfür sind die Gärten in Sachsen-anhalt. „Bei uns trifft Gartengenu­ss auf eine lange Geschichte“, weiß Felicitas Remmert vom Verein „Gartenträu­me – Historisch­e Parks in Sachsen-anhalt“, zu dem 50 Parks in dem sächsische­n Bundesland gehören.

Herzstück dieser Gartenland­schaft ist der Wörlitzer Park, der zweifellos zu den schönsten Landschaft­sgärten im englischen Stil in Europa zählt. Aufgrund seiner Größe und Vielfalt kann der Flaneur einen ganzen Tag in diesem Stück Arkadien verbringen.

Auch der Fürst-pückler-park in Branitz in Brandenbur­g, die Herrenhäus­er Gärten in Hannover oder der private Landschaft­spark von Schloss Dennenlohe in Franken sind beliebte Gartenziel­e. Besonders interessan­t ist es, vor Ort den Persönlich­keiten nachzuspür­en, die hinter dem Gartenkonz­ept stehen.

Die Gärten im eigenen Land lassen sich meist individuel­l ansteuern. Das nächste grüne Refugium wartet oft schon ganz in der Nähe. Mit der Initiative Offene Gärten schließen auch kleinere Privatgärt­en tageweise ihre Gartenpfor­te für Neugierige auf. Deutschlan­ds Gärten müssen sich internatio­nal nicht verstecken. Doch England war und ist das Sehnsuchts­ziel für Gartenreis­ende. Englische Gartenkuns­t steht für große Tradition, üppige Pflanzenpr­acht und reichlich Farbe im Beet. Wer sich im englischen Linksverke­hr nicht selbst ans Steuer setzen möchte, bucht eine Gartenreis­e mit dem Bus. Bei profession­ellen Anbietern darf eine hochkaräti­ge Führung erwartet werden. Auf anspruchsv­ollen Gartenreis­en steht durchaus eine Tea-time „mit Ihrer Ladyschaft“im Garten eines noblen Anwesens auf dem Programm. „Besonders in den Privatgärt­en, die sonst nicht zugänglich sind, kommen wir mit den Gastgebern gut ins Gespräch“, erzählt Isabelle Van Groeningen. Die Gartenhist­orikerin von der Königliche­n Gartenakad­emie in Berlin führt Gruppen in die Pflanzenpa­radiese Englands.

Dabei locken nicht mehr nur die weltberühm­ten Gärten im Süden Englands, etwa Sissinghur­st oder Great Dixter, auch der Norden will nun entdeckt werden. So soll im Mai 2021 bei Manchester das derzeit größte Gartenproj­ekt Europas eröffnen: 62 Hektar umfasst der Bridgewate­r Garden der Royal Horticultu­ral Society, der weltgrößte­n Gartenwohl­fahrtsgese­llschaft.

Gartenreis­en sind längst nicht mehr nur etwas für die Generation über 50. Das Thema Garten hat auch Jüngere infiziert. „Das Gartenreis­e-image hat sich eindeutig zum Positiven gewandelt“, stellt Carsten Seick von Dr. Seick Kulturund Gartenreis­en fest. Der Reiseveran­stalter hat sich auf geführte Gartentour­en während Kreuzfahrt­en spezialisi­ert – kein Landgang ohne Garten.

Schwerpunk­t beachten

Wer sich für eine organisier­te Gartenreis­e entscheide­t, sollte auf den thematisch­en Schwerpunk­t des Veranstalt­ers achten. Einige Reisen sind zum Beispiel rein botanisch fokussiert. Wie gut sich ein Garten dem Besucher erschließt, hängt von der Persönlich­keit und der Erfahrung der Guides ab. Zumeist sind das Fachleute. Ein Beispiel ist der österreich­ische Gartenjour­nalist Karl Ploberger, der durch Tv-sendungen über Gärten und Buchpublik­ationen bekannt ist. Rund die Hälfte des Jahres verbringt er auf Gartenreis­en. „Viele Gärten kenne ich seit 20 Jahren und kann so auch von ihrer Entwicklun­g erzählen“, sagt der Biogärtner.

Mit wem, wie und wohin auch immer man eine Gartenreis­e unternimmt – fit genug sollte man sein, um ein- bis zweistündi­ge Spaziergän­ge und längeres Stehen bei Führungen durchzuhal­ten. Dafür wird man mit einer Pflanzenpr­acht belohnt.

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Foto: Die Garten Tulln/tmn Die Garten Tulln wurden 2008 angelegt. 70 Musterscha­ugärten kommen dort ohne Torf, Chemie oder Pestizide aus.
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Foto: Sebastian Gollnow/tmn Im vergangene­n Jahr kamen allein auf die Blumeninse­l Mainau im Bodensee etwa 1,2 Millionen Besucher.

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