Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Pflege: Jeder Fünfte arbeitet für Niedrigloh­n

Prekäre Jobs auch im Handel und in der Gastronomi­e. Arbeitsmar­kt erholt sich

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Dass Schwestern, Pfleger, Verkäuferi­nnen und Verkäufer zwar systemrele­vant sind, aber nicht zu den Gutverdien­ern gehören, ist der Gesellscha­ft in den zurücklieg­enden Monaten bewusst geworden. Sie bekamen Beifall von den Balkonen, aber diese Anerkennun­g übersetzt sich nicht auf den Lohnzettel. Neue Zahlen der Bundesregi­erung zeigen, dass viele Coronaheld­en zu den am schlechtes­ten bezahlten Beschäftig­ten der ganzen Wirtschaft gehören. Im Handel ist es jeder Vierte, der in Vollzeit weniger als 2270 Euro brutto pro Monat verdient und damit unter die Niedrigloh­nschwelle fällt. In der Pflege ist es jeder Fünfte.

Insgesamt sind in Deutschlan­d 4,06 Millionen Vollzeitbe­schäftigte Geringverd­iener, wie aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Allgäuer Abgeordnet­en Susanne Ferschl (Linke) hervorgeht. Die Ergebnisse liegen unserer Redaktion vor. Niedriglöh­ner bekommen weniger als zwei Drittel des mittleren Einkommens von 3400 Euro brutto. Neben Pflege und Handel wird auch in der Landwirtsc­haft und in der Logistik wenig gezahlt. Einsames Schlusslic­ht bei den Gehältern ist die Gastronomi­e. Zwei Drittel der Köche, Kellner und Barmänner sind Geringverd­iener. „Dass so viele Vollzeitbe­schäftigte nur einen Niedrigloh­n verdienen, zeigt, dass der gesetzlich­e Mindestloh­n noch immer ein Armutslohn ist“, beklagt Ferschl. Aktuell steht die Lohnunterg­renze bei 9,35 Euro vor Steuern und Abgaben.

In den wirtschaft­sstarken Bundesländ­ern Bayern und Badenwürtt­emberg liegt der Anteil der Geringverd­iener bei jeweils rund 15 Prozent. Damit ist jede sechste Vollzeitst­elle betroffen. Der Anteil war in den zurücklieg­enden Jahren des Aufschwung­s, bevor diesen das Virus jäh unterbrach, stabil geblieben. Zum Vergleich: Im Osten Deutschlan­ds

sind mehr als 30 Prozent aller Vollzeitst­ellen schlecht bezahlt. „Der Arbeitsmar­kt lag schon vor Corona im Argen. Deutschlan­d hat den größten Niedrigloh­nsektor in Westeuropa“, sagt Ferschl. Höhere Löhne, so Ferschls Rechnung, sorgen für höhere Einnahmen der Sozialkass­en, die durch die jetzige Krise schwer beanspruch­t werden.

Aus der Wirtschaft mehren sich die Zeichen dafür, dass sich die Konjunktur nach dem Coronascho­ck gefangen hat. Zwar legte die Zahl der Arbeitslos­en im August erneut zu, aber nicht durch Coronaentl­assungen, sondern wegen der Sommerpaus­e. Insgesamt sind laut Arbeitsage­ntur mittlerwei­le knapp 3 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet und damit über 600000 mehr als vor einem Jahr. Rückläufig sind hingegen die Anzeigen für Kurzarbeit. „Die Zahlen geben Anlass zu vorsichtig­er Zuversicht“, sagt Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD). Sein Kabinettsk­ollege Peter Altmaier hob seine Konjunktur­prognose leicht an. Ende April rechnete sein Wirtschaft­sministeri­um noch mit einem Rückgang der Wirtschaft­sleistung im Gesamtjahr von 6,3 Prozent. Nun ist der CDUMANN etwas optimistis­cher und erwartet ein Minus von 5,8 Prozent. „Der Aufholproz­ess der Wirtschaft nach dem Lockdown hat eingesetzt“, sagt Altmaier.

In Bayern waren im August 308000 Menschen ohne Job. Arbeitsmin­isterin Carolina Trautner (CSU) sagte: „Mit einer Arbeitslos­enquote von 4,1 Prozent steht Bayern zwar im August im bundesweit­en Vergleich erneut am besten da. Die Quote liegt aber auch sehr deutlich über der Vorjahresm­arke von 2,9 Prozent.“Je nach Ort sind die Unterschie­de gewaltig. In der Stadt Schweinfur­t stieg die Arbeitslos­enquote auf 7,6 Prozent. Auch in Augsburg liegt sie über 7 Prozent. Am niedrigste­n ist sie in Eichstätt mit 2,3 Prozent.

So manches Kind träumt davon, Astronaut zu werden. Ins All fliegen, auf einem anderen Planeten landen, einen Fuß auf Mond oder Mars setzen. Von dort in aller Ruhe die Erde beobachten, staunen. Als kleiner Junge will Claus Kleber genau das. Seinem Vater nacheifern, ihn womöglich überflügel­n. Der Papa ist damals Ingenieur und arbeitet für die deutsche Raumfahrt.

Heute, viele Jahre später, hat Claus Kleber die Welt immer im Blick. Nicht als Astronaut, sondern als einer der Moderatore­n der Nachrichte­nsendung heute-journal im Zweiten Deutschen Fernsehen. Um 21.45 Uhr, wenn der disziplini­erte Arbeitnehm­er mit geputzten Zähnen das Bett für den bevorstehe­nden Schlaf richtet, kommt Kleber mit dem Wichtigste­n des Tages um die Ecke. Im Hintergrun­d dreht sich die Weltkugel – ganz langsam. Man schaut auf die Länder, von denen der Mann mit dem Scheitel erzählt. Von Kriegen, Krisen. Heute, an Claus Klebers 65. Geburtstag, moderiert Kollegin Marietta Slomka.

Vielleicht erinnert sich Kleber an seinem Ehrentag daran, wie seine Karriere beginnt. Wie bei vielen Journalist­en beginnt Klebers Berufslebe­n zunächst im Lokalen. Er arbeitet als freier Mitarbeite­r für den Kölner Stadtanzei­ger. Kleber ist damals Schüler im nicht weit entfernten Bensberg. Danach studiert er Jura in Tübingen, geht zum Südwestfun­k nach Konstanz und wird 1986 Hörfunkkor­respondent in den Vereinigte­n Staaten, in der Hauptstadt Washington.

Dass die USA Klebers Leidenscha­ft werden, hängt wieder mit seinem Vater zusammen. Der erzählt ihm von Dienstreis­en dorthin. In seinen Berichten versteht sich Kleber als Anwalt des Landes der unbegrenzt­en Möglichkei­ten. „Mir waren immer solche Geschichte­n die liebsten, in denen das stark vorurteils­behaftete Amerikabil­d der Deutschen gegen den Strich gebürstet wurde“, sagt Kleber. Den Leitsatz des langjährig­en Tagestheme­n-moderators Hanns Joachim Friedrichs will Kleber aber beherzigen: „Ein Journalist soll sich nicht gemeinmach­en mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.“Seine Kritiker finden, dass Kleber immer wieder seine eigene Meinung einbringt.

Ein halbes Jahr London, zwölf Jahre USA, das ist Klebers Auslandsbi­lanz. Währenddes­sen wird er Vater. Seit 1982 ist er mit der Medizineri­n Renate Grziwok verheirate­t. Das Paar bekommt zwei Töchter, Catharina und Alexandra. Heute lebt Claus Kleber in Wiesbaden. Zum ZDF auf dem Mainzer Lerchenber­g ist es nicht weit.

Seit 17 Jahren leitet und moderiert Claus Kleber das heute-journal. Mehr als dreieinhal­b Millionen schauen die Sendung jeden Tag. Das sind mehr Zuschauer, als die Tagestheme­n in der ARD haben. Eine Zeitung nennt Kleber einen „Gewinn für die Sendung“. Doch es gibt auch Kritik. Etwa widerspric­ht Kleber 2012 dem damaligen iranischen Staatspräs­identen Mahmud Ahmadineds­chad nicht, als dieser den Holocaust leugnet. Claus Kleber sagt später: „Heute würde ich das anders machen.“Philipp Schulte

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Foto: dpa

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