Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Sex-täter belästigt Frauen
Im Juli schon berichtete die Polizei über einen Mann, der im Siebentischwald Frauen begrapscht und beleidigt. Inzwischen ist die Zahl der Opfer gestiegen. Wie sich ein solcher Einzelfall auf das allgemeine Sicherheitsgefühl auswirkt
Ein unbekannter Mann hat im Siebentischwald mehrfach Frauen begrapscht – meist vom Fahrrad aus. 14 Opfer haben sich bislang bei der Polizei gemeldet.
Als der Mann auf dem Mountainbike sie im Vorbeifahren anstarrte, dachte sich Ines K. (Name geändert) noch nichts. Die 45-Jährige joggte, wie so oft, morgens durch den Siebentischwald. Plötzlich wendete der Mann und fuhr frontal auf sie zu.
Ein Unbekannter hat in den vergangenen Wochen immer wieder Frauen im Siebentischwald und Umgebung belästigt. Die Polizei sucht mit Hochdruck nach ihm. Die Ermittler wissen: Solch ein Einzeltäter kann das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung stark beeinträchtigen.
14 Frauen haben sich bislang bei der Polizei gemeldet, weil sie in der Nähe des Stempflesees oder im Bereich der ausgeschilderten Laufstrecken durch den Stadtwald Opfer des Unbekannten wurden. Der erste Vorfall passierte Mitte Juli, der letzte wurde am 19. August registriert. Die Polizei ist seitdem verstärkt vor Ort unterwegs. Trotz umfangreicher Ermittlungen konnte der Mann bislang nicht gestellt werden. Er wird auf 25 bis 35 Jahre alt geschätzt und mit lichten, dunklen Haaren und südländisch-dunkler Haut beschrieben. Er soll um die 1,70 Meter groß sein und gebrochen Deutsch sprechen. Die sexuellen Übergriffe passierten meist morgens zwischen 7 und 9 Uhr, manchmal trat er auch am Nachmittag oder spätabends auf.
Der Täter ging meist nach einem Schema vor. Von hinten näherte er sich auf einem Fahrrad den Joggerinen, Radfahrerinnen oder Fußgängerinnen. Im Vorbeifahren fasste oder schlug er auf ihr Gesäß. Manche Frauen beleidigte er zusätzlich. „Bisher ist aber kein Fall bekannt, in welchem er anhielt oder weiter auf Frauen einwirkte“, betont Polizeisprecherin Maria Enslin. Die Polizei hatte die Öffentlichkeit bereits im Juli informiert. Man weiß um die Brisanz solcher Vorfälle.
„Auch wenn so beharrlich auftretende Täter wie hier die absolute Ausnahme sind, kann sich solch eine Tat deutlich auf das Sicherheitsgefühl auswirken“, sagt die Polizeioberkommissarin. Von einem fatalen Ereignis spricht die Augsburger Anwältin Isabel Kratzer-ceylan, die zum Thema sexuelle Gewalt promoviert hat. „Wir Frauen wachsen mit dieser Urangst auf, plötzlich von dem vielzitierten Mann aus dem Geüberfallen zu werden.“Frauen würden zu dieser Urangst auch erzogen. Man kenne schließlich die Warnungen davor, alleine zu joggen oder in den Wald zu gehen. „Das Fatale ist, dass durch diesen Täter nun genau diese Klischees bedient werden“, bedauert die 45-jährige Rechtsanwältin. Denn eigentlich passierten die meisten sexuellen Übergriffe im Umfeld der Opfer. Kriminalstatistiken belegten dies empirisch immer wieder.
Joggerin Ines K. ist an dem Morgen nichts passiert. Vielleicht auch, weil sie auf ihr Bauchgefühl hörte. Zwar wusste die Augsburgerin zu dem Zeitpunkt noch nichts von dem Täter im Siebentischwald. Aber als er begann, sie auf dem Fahrrad einzukreisen, reagierte sie schnell. „Aus dem Augenwinkel sah ich am Parkhäusl einen Getränkelieferanten. Ich habe den Mann auf dem
Rad ignoriert und bin sofort zur Waldgaststätte.“Im Nachhinein stellte sie fest: Das Aussehen des Unbekannten passte genau auf die polizeiliche Beschreibung des Täters. Ines K. kauft sich daraufhin ein Pfefferspray und joggt nun meist gemeinsam mit der Nachbarin. Zumindest zu Letzterem rät Polizeioberkommissarin Maria Enslin.
Falls möglich, sollten sich Frauen in Grüppchen zusammentun, so die Polizeisprecherin. Pfefferspray mache hingegen wenig Sinn. Meist werde es für die Anwenderin selbst gefährlich. Weiter rät Enslin, keine Musik zu hören. „Die Umwelt wird nicht wahrgenommen, wenn Ohr– stöpsel mit Musikbeschallung getrabüsch gen werden.“Frauen sollten ein Handy mit einem vollen Akku dabei haben. „Die Notrufnummer 110 sollte eingespeichert sein. Bei einem Vorfall nicht erst den Freund oder die Mama anrufen.“
Falls eine Frau von dem Mann bedrängt werde, solle sie sich Verbündete suchen und diese gezielt ansprechen. Etwa: „Sie mit dem Dackel, helfen Sie mir.“Auch lautes Schreien „Lassen Sie mich in Ruhe“könne wirken.
Zwar ist im Fall des Siebentischwald-grapschers bislang nichts Schlimmeres passiert. Aber das muss es auch nicht, um als Betroffene seelische Beeinträchtigungen davonzutragen. Diese Erfahrung musste die 20-jährige Elli D. machen. Die Schülerin fuhr an einem Nachmittag Mitte Juli in der Straßenbahn zum Königsplatz, als ein Senior, der gegenüber saß, ihr sein
Die Polizei rät: Besser in Grüppchen joggen
Glied zeigte. Sie habe immer gedacht, sie würde auf so etwas cool reagieren, sagt Elli D. Mitnichten. „Ich war die nächsten Tage sehr aufgewühlt. Ich fühlte mich so erniedrigt.“Noch Wochen danach sei sie in Straßenbahnen verunsichert gewesen. „Es ist diese Verunsicherung, die Tätern wie dem Siebentischwald-grapscher ein Machtgefühl verleihen“, meint Anwältin Isabel Kratzer-ceylan. Sie persönlich würde derzeit aufs alleinige Joggen im Siebentischwald verzichten. „Aber das muss jede für sich entscheiden. Nur sollte man sich mit der Entscheidung wohlfühlen.“
ⓘ Info Die Polizei bittet Zeugen oder Geschädigte, sich unter 0821/323-2710 zu melden. Zudem steht die Opferschutzbeauftragte für Fragen zur Selbstbehauptung und -verteidigung für Frauen unter 0821/323-1311 zur Verfügung.