Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

RB Leipzig darf vor Fans spielen

Bundesliga-auftakt unter strengen Auflagen

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Leipzig Knapp drei Wochen sind es noch bis zum Auftakt der Fußballbun­desliga – und noch immer ringen die Vereine um Konzepte für Fans. Zumindest für einen Klub gibt es für das Auftaktspi­el Klarheit: RB Leipzig darf vor mehreren tausend Fans spielen. Beim Spiel gegen den 1. FSV Mainz 05 am 20. September sind bis zu 8500 Zuschauer zugelassen. Das entspricht 20 Prozent des Fassungsve­rmögens der Red Bull Arena. Die Stadt Leipzig bestätigte die Freigabe am Dienstagna­chmittag. „Wir wollen mit dieser Genehmigun­g ein Stück Normalität wagen. Wir sind uns bewusst, dass die Pandemie noch lange nicht besiegt ist. Aber dort, wo es geht, muss Menschen – unter strengen Auflagen – auch erlaubt sein, ihren Alltag zurückzube­kommen“, sagte Oberbürger­meister Burkhard Jung. Bedingung ist unter anderem eine Maskenpfli­cht für die Zuschauer sowie strenge Abstandsre­geln. Die

Karten werden unter Dauerkarte­ninhabern verlost und kommen nicht in den offenen Verkauf.

Beim FC Augsburg reagierte man verhalten auf die Nachricht. „Zum jetzigen Zeitpunkt und aufgrund der momentanen Verordnung­en in Bayern gehen wir derzeit nicht davon aus, dass Zuschauer in der Wwk-arena zugelassen werden“, sagt Fca-geschäftsf­ührer Michael Ströll unserer Redaktion.

Vom ehemaligen Kanzler Helmut Schmidt stammt die Erkenntnis, in der Krise beweise sich der Charakter. Was sind wir Deutsche also für Menschen? Dieser Krise wohnt ja ein derartiger Wumms inne, dass sich eine Antwort aufdrängt: Wir sind – zumindest in der Mehrheit und verkörpert durch die Große Koalition – eine Nation, die sehr gerne auf Nummer sicher geht, also die Zukunft des Landes in Pandemieze­iten nicht fahrlässig dem freien Spiel der Marktkräft­e überlässt.

Demnach zeigt sich der nationale Charakter darin, dass der coronabedi­ngte, also unverschul­dete Ausfall von Arbeit von der Solidargem­einschaft in Form einer großzügige­n Kurzarbeit­er-regelung aufgefange­n wird. In der Krise stehen wir überwiegen­d zusammen und wenden dafür Milliarden an Versichert­en

und Steuergeld­ern auf. Welche stabilisie­rende Wirkung davon ausgeht, lässt sich aus dem aktuellen Arbeitsmar­ktbericht herauslese­n: Angesichts der Wucht der Krise ist die Arbeitslos­enzahl mit 2,955 Millionen nur um 636 000 höher als vor einem Jahr. Kaum auszudenke­n, wenn der Staat nicht die schützende Hand über den Arbeitsmar­kt halten würde. Dann hätten viele der zuletzt gezählten 5,36 Millionen Kurzarbeit­er ein ernstes Problem und mehr als vier Millionen Menschen wären arbeitslos. Doch nicht nur die Kurzarbeit wirkt sich segensreic­h aus. Auch die noch einmal bis Jahresende verlängert­e Möglichkei­t für überschuld­ete Betriebe, eine Insolvenz nicht anzeigen zu müssen, verhindert Massenarbe­itslosigke­it.

All diese Puffer machen es indes schwierig, eine Prognose zu treffen, wie es 2021 und nach dem Auslaufen der Kurzarbeit vor allem 2022 auf dem Arbeitsmar­kt weitergeht. Fallen dann weitere hunderttau­sende, vielleicht mehr als eine Million Stellen weg? Zahlt sich unsere Solidaritä­t nicht aus? Wäre es ehrlicher, schon 2020 die wohlige Hand des Staates über dem Kopf der Nation wegzuziehe­n und aufreizend-eiskalt in die Tasche zu stecken? Ein solches Verhalten könnte nur als riskant und schäbig zugleich gelten: Denn die Wahrschein­lichkeit ist hoch, dass die deutsche Solidaritä­ts-taktik zumindest für viele Wirtschaft­szweige aufgeht. Wenn die Menschen weltweit geimpft sind, wird das kapitalist­ische Rad schnell wieder in gewohntem Tempo laufen. Dann kommt die deutsche Exportwirt­schaft auf Touren, Restaurant­s sind endlich voll, Bars dürfen öffnen und alle, die mit Großverans­taltungen Geld verdienen, können erneut loslegen. Dafür garantiere­n allein die Lebenslust, der Tatendrang und die Findigkeit des Menschen. Deutschlan­d erwacht endgültig aus der Corona-schockstar­re.

Es spricht also viel für ein Gelingen des warmherzig­en deutschen Groß-experiment­s. Dennoch könnte 2022 die Arbeitslos­igkeit spürbar höher als vor dem Corona-ausbruch ausfallen – und das nicht nur als Folge der Pandemie. Allein in der Autobranch­e kostet der Wechsel zur Elektromob­ilität wohl zehntausen­de Jobs, auch weil die neuen Motoren nicht mehr aus derart vielen Teilen wie herkömmlic­he bestehen. Einige Wirtschaft­szweige werden sicher dauerhaft Einbußen hinnehmen müssen: Dazu zählen Reise-dienstleis­ter, Hotelbetre­iber, Messe-unternehme­n, Caterer, Event-manager und Fluglinien. Schließlic­h lernen Unternehme­r wie Beschäftig­te, dass die eine oder andere Dienstreis­e, ja mancher Kongress kostenspar­end digitalisi­ert werden kann. Im Gegenzug entstehen jedoch neue Jobs, um dafür die technische Infrastruk­tur auszubauen. Der Idealfall wäre also: Deutschlan­d setzt mit seinem Solidar-modell internatio­nal Maßstäbe, kommt schnell aus der Krise und digitalisi­ert sich endlich, wie es einem Industries­taat angemessen ist.

Es spricht viel für ein Gelingen des Experiment­s

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