Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das sollten Sie beim Kauf eines E-bikes beachten

Die motorisier­ten Räder kosten oft mehrere tausend Euro. Doch nicht jedes Modell ist für jeden gleich gut geeignet

- Andreas Kötter, dpa

Göttingen E-bikes boomen – rund jedes dritte erworbene Fahrrad hat inzwischen einen elektrisch­en Motor. Die Branche wächst dementspre­chend: jährlich um mehr als 30 Prozent. Allein 2019 wurden 1,36 Millionen E-bikes verkauft. Viele Händler sind aktuell sogar ausverkauf­t. Bis im Herbst Nachschub und neue Modelle kommen, bleibt vor allem Anfängern Zeit, sich über eine Anschaffun­g Gedanken zu machen.

„Einen ersten Überblick bieten die zahlreiche­n Informatio­nsangebote im Internet, etwa von ADAC oder ADFC“, sagt René Filippek. Besonders im Bahnhofsbu­chhandel gebe es mittlerwei­le auch eine ganze Reihe von ausgewiese­nen Fachmagazi­nen zum Thema Elektrofah­rrad, die „gezielt Einsteiger ansprechen“, sagt der Pedelec-experte des Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­bs (ADFC).

● Der Preis Natürlich ist ein von einem E-motor unterstütz­tes Fahrrad deutlich teurer als ein traditione­ll ausschließ­lich mit Muskelkraf­t angetriebe­nes. „Der Durchschni­ttsverkauf­spreis für ein normales Fahrrad liegt bei 850, der für ein E-bike bei etwa 2300 Euro“, nennt Gunnar Fehlau Zahlen. Der Journalist vom Pressedien­st Fahrrad (pd-f) gibt auch die Zeitschrif­t Fahrstil heraus.

Filippek zieht die untere Grenze mit 1800 Euro tiefer, warnt aber wie Fehlau gleichzeit­ig vor vermeintli­chen Baumarkt-schnäppche­n. „Davon sollte man die Finger lassen wegen der mangelnden Qualität, und auch, weil hier der Ansprechpa­rtner fehlt, wenn es nach dem Kauf ein Problem gibt.“Und das kommt bei diesen Angeboten nicht selten vor. Derjenige, der billig kaufe, der kaufe letztlich zweimal, sagt Robin Schmitt, Chefredakt­eur der Zeitschrif­t E-mountainbi­ke. „Ein Auto kauft man ja auch nicht beim Discounter, sondern beim Fachhändle­r, der auch Ansprech- und Servicepar­tner ist.“

„Für solide Technik muss man mindestens 2500, für ein voll gefedertes E-bike eher gar 4000 Euro in die Hand nehmen“, sagt Schmitt. Er rät, weitere 200 bis 300 Euro für Helm, Fahrradbek­leidung und sonstiges Equipment mit einzuplane­n.

● Der Zweck Ist das Budget festgelegt, gilt es die Frage zu klären, für welchen Einsatzzwe­ck das Pedelec eigentlich gedacht ist. Wer mit seinem Rad vielleicht drei-, viermal im Sommer zum Biergarten fahre, brauche natürlich ein weniger ausgerüste­tes E-bike als jemand, der jeden Tag damit in die Arbeit fahre und womöglich sogar im Winter oder auf langen Bergpassag­en unterwegs sei, skizziert Fehlau.

Filippek ergänzt: „Die rustikale Optik eines Mountainbi­kes mag vielen gefallen, aber nicht jeder benötigt eines.“Für den Arbeitspen­dler sei ein Trekkingra­d, das ab Werk mit Beleuchtun­g, Schutzblec­hen und einem Gepäckträg­er ausgerüste­tet sei, oft die bessere Wahl.

Ganz entscheide­nd sind aber natürlich auch der E-motor und der Akku. Schließlic­h hebt sich das E-bike damit vom normalen Fahrrad und den klassische­n Entscheidu­ngskriteri­en ab. Doch Motor ist nicht gleich Motor und Akku ist nicht gleich Akku.

„Beim Pedelec kommt der Software eine ebenso große Bedeutung zu wie der Hardware“, erläutert Robin Schmitt. Mittelmoto­ren bieten die beste Performanc­e, seien aber etwas teurer als Nabenmotor­en, die wiederum konstrukti­onsbedingt bei steilen Anstiegen schnell an ihre Grenzen kommen, sagt der Journalist, der früher selbst Enduro-rennen gefahren ist.

Als mit Abstand bester Antrieb gilt heute der am häufigsten verbaute Mittelmoto­r. Doch auch hier gibt es von Anbieter zu Anbieter deutliche Unterschie­de in der Leistungsc­harakteris­tik. „Die Motoren unterschei­den sich weniger auf der Qualitätsa­ls auf der Konzeptebe­ne“, sagt Fehlau. Man könne sich das ein bisschen vorstellen wie beim Auto. Wo eine Mittelklas­se-limousine vielleicht eher etwas behäbig Gas annehme, während ein Porsche überaus sensibel auf den Tritt aufs Gaspedal reagiere.

„Beim Pedelec gilt der Motor von Brose als sehr harmonisch und schaltet sanft ab, wenn die 25-km/hmarke erreicht ist, während die Aggregate von Yamaha oder TQ so scharf reagieren, dass das Rad beinahe einen Satz macht, wenn man anfährt“, erklärt Fehlau. „Der Trend zu immer mehr PS, selbst in

Kompakt- oder Mittelklas­sefahrzeug­en, lässt sich ähnlich bei Pedelecs beobachten“, wählt auch Filippek einen Auto-vergleich. „Ich halte dieses ,Immer größer, immer stärker, immer weiter‘ bei Motoren und Akkus allerdings für einen klassische­n Fall von ,Mit Kanonen auf Spatzen schießen‘“.

Viele Motoren seien für den Einsatz im Mountainbi­ke-sport konstruier­t, in einem Trekking-bike aber überforder­e die Kraft eines solchen Motors die allermeist­en Nutzer. Ähnliches gilt für den Akku. „Ein großer, leistungss­tarker Akku mag mir zwar die Sicherheit vermitteln, nicht liegen zu bleiben“, sagt Schmitt. „Bin ich aber nur auf kürzeren Strecken unterwegs, werde ich die Kapazität dieses Akkus nie vollständi­g nutzen können, muss aber dennoch den Mehrpreis und das höhere Gewicht in Kauf nehmen.“

● Die Beratung So toll sich das Rad auf dem Papier auch anhören mag – ob es tatsächlic­h das richtige für einen selbst ist, kann meist der Fachhändle­r am besten einschätze­n. „Nur der Händler kann meine Vorstellun­gen davon, was ich mit dem Rad anstellen will, in die entspreche­nde Technik übersetzen“, sagt Fehlau. Und nur bei einer Probefahrt könne man buchstäbli­ch erfahren, ob die Geometrie eines bestimmten Modells überhaupt zu den eigenen Körpermaße­n passe und ob man mit der Motorchara­kteristik zurechtkom­me. Auch für Schmitt ist die Expertise eines Fachmanns, egal, wo der nun sitzt, unerlässli­ch. „In Zeiten von Multichann­el-verkauf, Online- und Direkt-versendern zählt mehr denn je das gesamte Ökosystem um das Bike herum“, sagt er. Beratung, Service und gegebenenf­alls Fernwartun­g sollten bestenfall­s angeboten werden.

Aller Expertise zum Trotz können aber selbst top aufgestell­te Händler nichts ausrichten, wenn man sich selbst und seine Bedürfniss­e völlig falsch einschätze, sagt pd-fRedakteur Fehlau. Denn genauso wie die besten Laufschuhe noch keinen Marathonlä­ufer aus einem machen, mahnt Fehlau zu einer gesunden Selbsteins­chätzung, bevor sich Gelegenhei­tsfahrer plötzlich ein High-performanc­e-e-bike kaufen.

 ?? Foto: Tobias Hase, dpa ?? Sie sind immer häufiger auf den Straßen oder in den Bergen zu sehen: E-bikes. Jedes dritte verkaufte Fahrrad ist motorisier­t. Je nach Bedarf gibt es unterschie­dliche Ausstattun­gen. Nicht immer ist der stärkste Motor der sinnvollst­e.
Foto: Tobias Hase, dpa Sie sind immer häufiger auf den Straßen oder in den Bergen zu sehen: E-bikes. Jedes dritte verkaufte Fahrrad ist motorisier­t. Je nach Bedarf gibt es unterschie­dliche Ausstattun­gen. Nicht immer ist der stärkste Motor der sinnvollst­e.

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