Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Biden geht in die Offensive
Der Herausforderer macht den Präsidenten für die Krise des Landes verantwortlich. Trump verteidigt den Schützen von Kenosha
Washington/pittsburgh Der Wahlkampf in den USA geht in die entscheidende Phase. Herausforderer Joe Biden legt dabei seine Zurückhaltung ab: Der Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei warf Trump in einer knapp halbstündigen Ansprache in der Industriestadt Pittsburgh Unfähigkeit und Scheitern vor – in der Coronakrise wie in der Reaktion auf die anhaltenden gewaltsamen Proteste in amerikanischen Städten. „Dieser Präsident kann die Gewalt nicht beenden“, sagte Biden in einem Saal der Carnegie Mellon Universität vor Kameras, aber ohne Publikum. Jetzt setze er auf „Law and Order“, auf Recht und Ordnung, und betreibe eine Politik der Angst: „Je mehr Chaos und Gewalt, desto besser ist es für Trumps Wiederwahl.“
Der derart attackierte reagierte auf seine Weise. Biden werde von dunklen Mächten kontrolliert, sagte der Amtsinhaber dem Sender Fox. In dem Gespräch brachte Trump verschwörerische Verbindungen ins Spiel. Biden und die Protestbewegung würden von Menschen manipuliert, die im Verborgenen agierten. Auf die Frage, wen er damit meine, antwortete er: „Leute, von denen man noch nie gehört hat. Leute in einer dunklen Schattenwelt.“Das Geld für die Proteste kommt nach Trumps Darstellung
„von einigen sehr dummen reichen Leuten“. Diese hätten vergangene Woche auch eine Demonstration vor dem Weißen Haus zum Ende des Republikaner-parteitags finanziert. Ein Teilnehmer seiner Partei habe ihm erzählt, dass in dem Flugzeug, in dem er angereist sei, zahlreiche Schlägertypen in dunklen Uniformen nach Washington unterwegs gewesen seien. Von wem diese Angaben stammten, sagte Trump nicht. Sein Fazit: „Er ist ein schwacher Mensch, er war sein ganzes Leben lang schwach (...). Er sollte nicht für das Amt des Präsidenten kandidieren.“
Noch mehr Aufsehen als dieses vernichtende Urteil des Präsidenten über seinen Kontrahenten erregten die warmen Worte, die Trump für den mutmaßlichen Todesschützen von Kenosha fand. Trump suggerierte, dass der junge Mann, der am Rande von Antirassismus-protesten in der Stadt zwei Menschen erschossen haben soll, aus Notwehr gehandelt haben könnte. Die Demonstranten hätten ihn „sehr gewalttätig“angegriffen und er „wäre wohl getötet worden“, sagte Trump am Montagabend im Weißen Haus. Bislang gibt es allerdings kein offizielles Untersuchungsergebnis, das Trumps Sicht belegt.
In der Stadt war es zu Unruhen gekommen, nachdem ein Polizist am 23. August dem Afroamerikaner Jacob Blake, 29, siebenmal in den Rücken geschossen hatte. Neben friedlichen Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt löste der Vorfall insbesondere nachts Unruhen aus. Gouverneur Tony Evers entsandte daraufhin die Nationalgarde in die Stadt.
Ungeachtet aller Warnungen vor einem erneuten Aufflackern der Unruhen besuchte Trump am Dienstag Kenosha. Die vergangenen Ausschreitungen bezeichnete er dort als „anti-amerikanische Krawalle“und „inländischen Terrorismus“.