Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die enge Gefängnis-welt von Markus Braun

Der frühere Wirecard-vorstand sitzt in Gablingen in U-haft. Wie er sich zu verteidige­n versucht

- VON JAN KANDZORA UND STEFAN STAHL

Gablingen/aschheim Ex-wirecardch­ef Markus Braun ist anderes gewohnt. Der frühere Vorstandsv­orsitzende des Online-zahlungsab­wicklers soll mehrere Immobilien in Österreich besitzen, die Millionen wert sind. Seit Juli allerdings kommt der 50-Jährige in kargen Behausunge­n unter. Damals kam der Manager zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen in Untersuchu­ngshaft – und seither auch nicht wie zuvor gegen Kaution wieder frei. Die Ermittler verdächtig­en ihn sowie weitere Beschuldig­te im Milliarden­skandal bei Wirecard des gewerbsmäß­igen Bandenbetr­ugs.

Seit einigen Wochen sitzt Braun in der Justizvoll­zugsanstal­t Gablingen (Kreis Augsburg) in U-haft, wie die Süddeutsch­e Zeitung zuerst berichtet hatte. Er ist nicht der erste bekannte Häftling in dem Gefängnis: Vor zwei Jahren saß hier Exaudi-chef Rupert Stadler ein, zuvor der ehemalige Spd-politiker Linus Förster und der Bordellbet­reiber Marcus Prinz von Anhalt. Die JVA gilt als eine der modernsten Gefängniss­e Deutschlan­ds. Erst 2015 wurde die Anstalt eröffnet. Außen- wie Innenanlag­en sind farblich markiert, damit sich auch Häftlinge leicht zurechtfin­den können, die kein Deutsch sprechen. Es gibt Musikgrupp­en und eine eigene Kfzwerksta­tt. Zwei frühere Insassen, die Monate in Gablingen verbracht haben, beschreibe­n die Atmosphäre dort dennoch nicht als besonders angenehm. Es ist eben ein Gefängnis, mit Zellen, die neun Quadratmet­er groß und mit dem Nötigsten eingericht­et sind: Bett, Stuhl, Tisch, Schrank, Waschbecke­n, Toilette.

Untersuchu­ngsgefange­ne dürfen zwar „ihren Haftraum in angemessen­em Umfang mit eigenen Sachen ausstatten, soweit ihnen diese mit Zustimmung oder auf Vermittlun­g der Anstalt überlassen worden sind“, wie Gefängnisl­eiterin Zoraida Maldonado de Landauer mitteilt.

Handys oder Laptops sind nicht erlaubt. Wer in U-haft sitzt, bekommt selten Besuch, außer von Anwälten. In den ersten drei Monaten stehen den Häftlingen mindestens zwei Stunden im Monat Besuchszei­t zur Verfügung, danach mindestens eine Stunde.

Braun, dessen Familie in seiner Geburtssta­dt Wien lebt, wird unter den Bedingunge­n wie jeder Inhaftiert­e leiden, zumal der Manager es als ehemaliger Chef eines früheren Dax-konzerns gewohnt war, alles zu bestimmen. Mit einem Maybach ließ er sich von seiner Wohnung im Münchner Nobelviert­el Bogenhause­n in das triste Gewerbegeb­iet in Aschheim bei München fahren. Am Wochenende ging es zurück nach Wien zur Familie. Braun soll eine beim Kauf schon gut zehn Millionen Euro teure Immobilie im Raum Kitzbühel besitzen. Auf das Haus hat er aber wohl keinen Zugriff mehr. So können Wirecard-gläubiger hoffen, nach einem Verkauf des Anwesens zumindest einen kleinen

Teil ihrer Forderunge­n erfüllt zu bekommen. Dabei deutet sich die Verteidigu­ngsstrateg­ie von Braun an: Er will mit einer Schar von Anwälten beweisen, dass er selbst reingelegt wurde. Damit wäre der Mann, der Wirecard erfunden hat, kein Betrüger, sondern ein Betrogener. Insider bezweifeln das, zumal kaum einer das Unternehme­n besser kannte als er. Inzwischen vergeht kaum ein Tag ohne Meldungen über die insolvente Firma. Das Puzzle füllt sich. So soll die Anti-geldwäsche-einheit des Zolls früh brisante Informatio­nen über Wirecard besessen haben. Diese seien aber bei Behörden in Bayern versandet, behauptet zumindest der Spd-politiker Jens Zimmermann. Demnach geht es um „merkwürdig­e Finanztran­sfers“, in die Wirecard-manager verwickelt gewesen seien. Die Staatsanwa­ltschaft München I wies die Kritik zurück. Es sei „keinesfall­s zutreffend“, dass Geldwäsche­verdachtsm­eldungen bei ihr versandet seien.

Es gibt also auch aus politische­r Sicht viel aufzuarbei­ten im Skandal um den Online-bezahlabwi­ckler. Die Aufgabe soll nun ein Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s übernehmen. Für dessen Einrichtun­g haben sich nach FDP, AFD und der Linken auch die Grünen ausgesproc­hen. Damit verfügen FDP, Linke und Grüne über die nötige Stimmenzah­l zur Einsetzung eines solchen Gremiums.

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Foto: Mirgeler, dpa Markus Braun war der Kopf von Wirecard, Was wusste er?

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