Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Rafik Schami: Die geheime Mission des Kardinals (41)
In die italienische Botschaft in Damaskus wird ein toter Kardinal eingeliefert. Was hatte der Mann aus Rom in Syrien zu schaffen? Kommissar Barudi wird mit dem Fall betraut, der ihn zu religiösen Fanatikern und einem muslimischen Wunderheiler führt.
Natürlich ist das nicht rational, aber Gewissensbisse haben noch nie die Vernunft um Erlaubnis gebeten.“
Mancini hielt inne, als wäre ihm gerade noch etwas eingefallen. Die Denkpause kam Barudi sehr lang vor, aber er ließ dem Kollegen Zeit. „Ich habe“, fuhr Mancini schließlich fort, „den Eindruck, der Kardinal ist nicht nur wegen einer Kirche oder eines Heiligen in den Norden des Landes gefahren, sondern auch, um die Machenschaften des einflussreichen Kardinals Buri zu durchleuchten. Die Familie Buri sei mächtig in Derkas, wo der Bergheilige residiert, hat der Botschafter so nebenbei bemerkt. Ich hakte nach, aber er konnte darüber nicht viel mehr sagen. Er wisse nichts Näheres über die Familie Buri. Ein italienischer Journalist hatte angeblich über die Beziehung der italienischen Mafia mit syrischen Drogenbaronen aus der Familie des Kardinals Buri berichten wollen, aber er wurde entlassen und beging wenig später
Selbstmord. Saleri meinte, die zehn Tage, die der Kardinal in der Botschaft verbracht hat, gehörten für ihn zu den schönsten seines Lebens. Er ließ seinen Freund wie einen Prinzen verwöhnen. Kardinal Cornaro war von dem pompösen Empfang durch die Botschaft zwar nicht begeistert, aber er war viel zu höflich, die Bemühungen seines Gastgebers infrage zu stellen. In seiner Begrüßungsrede erläuterte Saleri vor den Anwesenden die angeblichen Pläne des Kardinals, um die Arbeit des Vatikans effektiver zu machen. Natürlich wolle er sich auch ein Bild der Lage der Christen in dieser unruhigen Zeit machen.“
„Stopp“, rief Barudi dazwischen. „Das geht mir zu schnell. Warum wollte der Vatikan denn die eigentliche Mission des Kardinals unbedingt geheim halten?“
„Soweit ich verstanden habe, gab es zwei Gründe: Einmal, weil der Vatikan keine schlafende Hunde wecken wollte, stell dir vor, was passiert, wenn bekannt wird, dass der Vatikan einen hohen Vertreter schickt, um solche - sagen wir - unnatürlichen Erscheinungen zu überprüfen. Da kannst du sicher sein, dass Olivenöl, Wein und Blut nur so aus den Poren von Tausenden spritzen, damit sie einmal in den Genuss kommen, vom Vatikan überprüft zu werden. Der zweite Grund war die Sicherheit des Kardinals, die unter allen Umständen gewahrt bleiben sollte. Der Bergheilige ist ein Muslim, der Jesus verehrt … Wie würden die Muslime das auffassen? Stellt es nicht eine Einmischung des Vatikans dar, ausgerechnet einen Mann aufzuwerten, der Jesus verehrt und den Propheten Muhammad mit keinem Wort erwähnt? Deshalb wird der Besuch bei einem abtrünnigen Heiler oder Heiligen geheim gehalten. Deshalb auch war der Kardinal beim Verlassen der Botschaft verkleidet und gab sich als Philosoph und reicher, gläubiger Tourist aus.“
„Wie? Reiste er nicht als Kardinal von Damaskus?“
Saleri meinte, die zehn Tage, die der Kardinal in der Botschaft verbracht hat, gehörten für ihn zu den schönsten seines Lebens. Er ließ seinen Freund wie einen Prinzen verwöhnen. Kardinal Cornaro war von dem pompösen Empfang durch die Botschaft zwar nicht begeistert, aber er war viel zu höflich, die Bemühungen
seines Gastgebers infrage zu stellen. In seiner Begrüßungsrede erläuterte Saleri vor den Anwesenden die angeblichen Pläne des Kardinals, um die Arbeit des Vatikans effektiver zu machen. Natürlich wolle er sich auch ein Bild der Lage der Christen in dieser unruhigen Zeit machen.“
„Stopp“, rief Barudi dazwischen. „Das geht mir zu schnell. Warum wollte der Vatikan denn die eigentliche Mission des Kardinals unbedingt geheim halten?“
„Soweit ich verstanden habe, gab es zwei Gründe: Einmal, weil der Vatikan keine schlafende Hunde wecken wollte, stell dir vor, was passiert, wenn bekannt wird, dass der Vatikan einen hohen Vertreter schickt, um solche – sagen wir – unnatürlichen Erscheinungen zu überprüfen. Da kannst du sicher sein, dass Olivenöl, Wein und Blut nur so aus den Poren von Tausenden spritzen, damit sie einmal in den Genuss kommen, vom Vatikan überprüft zu werden. Der zweite Grund war die Sicherheit des Kardinals, die unter allen Umständen gewahrt bleiben sollte. Der Bergheilige ist ein Muslim, der Jesus verehrt… Wie würden die Muslime das auffassen? Stellt es nicht eine Einmischung des Vatikans dar, ausgerechnet einen Mann aufzuwerten, der Jesus verehrt und den Propheten Muhammad
mit keinem Wort erwähnt? Deshalb wird der Besuch bei einem abtrünnigen Heiler oder Heiligen geheim gehalten. Deshalb auch war der Kardinal beim Verlassen der Botschaft verkleidet und gab sich als Philosoph und reicher, gläubiger Tourist aus.“
„Wie? Reiste er nicht als Kardinal von Damaskus?“
„Nein, seine Soutane und sein Hut, der sogenannte Pileolus, liegen bis heute in der Botschaft. Ich bat den Botschafter, sie sicher aufzubewahren, falls wir sie irgendwann brauchen. Aber zurück zu deiner Frage. Die Geheimhaltung war eine Farce. Einer der vier Kardinäle, die diese Mission gemeinsam mit dem Papst beschlossen hatten, hat sie und Kardinal Cornaro verraten. Die katholische Kirche in Damaskus wusste Bescheid. Und das ist die Stelle, die ich noch einmal hören möchte. Soweit ich verstanden habe, wussten mindestens zwei Personen des katholischen Klerus in Damaskus von der Mission, noch bevor Kardinal Cornaro am fünfundzwanzigsten Oktober syrischen Boden betrat.“
Mit diesen Worten begann Mancini die Wiedergabe-funktion in seinem Handy zu suchen. Barudi nutzte die Gelegenheit, um zur Toilette zu gehen. Draußen auf dem Korridor war es inzwischen still.
Nur Nabil saß noch am Schreibtisch. Er hob den Blick. „Mach dir keine Sorgen, ich spiele nur“, sagte er rasch, weil Barudi ihn oft gemahnt hatte, nicht zu eifrig zu sein und dem „Überführungswahn“zu verfallen, einer Krankheit, die vor allem junge Kommissare heimsuchte. Barudi lachte.
Als er von der Toilette zurückkehrte, stand Mancini vor dem Fenster und machte gymnastische Übungen. „Ich habe mich nicht geirrt. Genau so hat es der Kardinal gesagt. Aber jetzt habe ich Hunger. Gibt es hier in der Nähe ein Lokal, in dem man Falafel, Tabbuleh und Hummus bekommt?“„Eines? Es sind deren hundert.“Draußen auf dem Korridor lud Barudi seinen Assistenten Nabil ein mitzukommen, dieser schnappte seine Jacke und lief hinter den beiden Männern her.
„Das Lokal wirkt ärmlich, und der Wirt sieht aus wie ein Pirat“, warnte Barudi seinen Gast, „aber seine Sachen schmecken am besten im ganzen Midan-viertel.“Der Wirt war ein Koloss, „zwei mal ein Meter mit Narbe“, wie sich die Kollegen ausdrückten. Eine grässliche Narbe begann in der Mitte seiner Stirn und reichte schrägt über das linke Auge und die Wange bis zum Ohrläppchen.