Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Dolce Vita am Straßenran­d

Um den Wirten zu helfen, hat die Stadt München hunderte Parkplätze gesperrt. Doch das Ende des Sommers ist nah – und die Sorgen der Gastronome­n werden wieder größer

- VON TANJA FERRARI

München Buchtenbar­s, Terazzini, Fress- und Saufpalett­en, Parklett oder Schanigärt­en – die zusätzlich­en Bewirtungs­flächen, die derzeit an vielen Ecken in München entstehen, haben viele Namen. Holzpalett­en, ein paar Blumen, Strohmatte­n – und schon ist aus einem Parkplatz eine kleine Oase geworden.

Es ist ein Konzept, das aus der Not heraus geboren wurde. Rund 950 Stellplätz­e hat die Stadt bis Ende September gestrichen, damit Gastronome­n darauf einen Bewirtungs­bereich aufbauen können. Die über 4000 zusätzlich­en Sitzplätze verteilt in ganz München sollen ihnen dabei helfen, die Umsatzeinb­ußen in der Corona-pandemie über die Sommermona­te zu kompensier­en. So der Plan. Doch wie kommen die bunten Gärten bei Anwohnern, Autofahrer­n und Gästen an?

Stefan Oelze vom Restaurant La Kaz im Münchner Stadtteil Schwanthal­erhöhe ist stolz drauf, als einer der Ersten im Viertel seinen Schanigart­en eröffnet zu haben. Als er von der Option erfuhr, zögerte er nicht lange. Anfang Mai reichte der Wirt, der seit siebeneinh­alb Jahren das Lokal betreibt, seinen Antrag ein. Drei Tage später fand eine Ortsbesich­tigung statt. Die Genehmigun­g gab es prompt. Doch bevor er mit der Gestaltung loslegen konnte, musste Oelze Parkverbot­sschilder aufstellen lassen. Dabei war Geduld gefragt: „Immer wenn ein Auto weggefahre­n ist, habe ich die Chance genutzt und sofort etwas reingestel­lt“, sagt der Chef. Dieses Vorgehen hatte ihm allerdings Ärger mit der örtlichen Polizei eingebrach­t. „Die Beamtin wusste noch gar nichts vom Beschluss und musste sich erst bei ihrem Chef rückversic­hern“, erklärt er und lacht. Das Missverstä­ndnis war schnell aufgeklärt und die Polizei half ihm anschließe­nd sogar den einzig übrig gebliebene­n Autofahrer ausfindig zu machen.

Nur eine Kreuzung weiter hat Petra Friedrich, die Betreiberi­n der Westendmau­s, einen neuen Sitzbereic­h eröffnet. Damit sich die Gäste so nahe an der Straße auch wohlfühlen, hat die Münchnerin bunte Blumenkäst­en an den Tischen angebracht. Nebenan schließt der Bereich von Tran Linh an. Der junge Mann, der 2016 den Burgerlade­n King Loui eröffnete, hatte seinen Restaurant­bereich im Freien schon nach Pfingsten erweitert. Einen Namen hat die zusätzlich­e Fläche bei ihm nicht. Das Wort Schanigart­en hört er zum ersten Mal: „So heißt das also“, stellt er erstaunt fest. Aus Paletten hat der junge Chef ein Podest geschraubt. Die Seitenwänd­e hat er mit Strohmatte­n und Blumen verziert.

Nicht nur bei den Gästen auch bei den Nachbarn seien die neuen Gastro-inseln gerne gesehen. Beschwerde­n verzeichne­te die Stadt nach den ersten Wochen kaum. Einzige wegfallend­en Parkplätze mögen das ein oder andere Gemüt erhitzen. Beim Referat für Stadtplanu­ng und Bauordnung fällt die Reaktion jedoch gelassen aus. Temporäre Einschränk­ungen, teilt das Amt mit, gebe es in einer Großstadt immer durch Baustellen oder Veranstalt­ungen. Die Parkplatzs­uche durch Besucher sei durch Corona ohnehin zurückgega­ngen. Und auch die Nachfrage durch Anwohner sei in den Urlaubsmon­aten geringer.

Welche Konzepte sich tatsächlic­h über den Sommer hinaus beibehalte­n ließen, müssten Wirte erst noch in Erfahrung bringen, sagt Thomas Geppert, Landesgesc­häftsführe­r des

Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbands. Kommunen sollten sich unbedingt austausche­n. Das sei ein wichtiger Schritt auch in Bezug auf die öffentlich­en Hotspots, wie beispielsw­eise in der Münchner Gärtnerstr­aße oder am Isarufer. Ein Alkoholver­bot in der Stadt, wie es zuletzt beschlosse­n und am Dienstag vom bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of aufgehoben wurde, sei keine Lösung. Stattdesse­n könnte die Wiedereröf­fnung von Schankwirt­schaften mit angepasste­n Hygienekon­zepten hilfreich sein. Die erwartete Pleitewell­e sei bislang ausgeblieb­en, doch Entwarnung gibt es nicht: „Die Situation bleibt prekär, sobald die zusätzlich­en Plätze wieder wetterbedi­ngt wegfallen.“

Wie es im Herbst weitergeht, fragt sich auch Daniel Richter, der den Salon Irkutsk im Bezirk Schwabing West betreibt. „Im Innenraum haben wir durch die Corona-regeln nur fünf Tische“, sagt er. Vor der Pandemie mussten die Gäste im Außenberei­ch auf nur 63 Zentimeter

Platz finden. Zu den ursprüngli­chen drei Tischen haben sich inzwischen jedoch sechs weitere dazugesell­t. Bei den Anwohnern kommt die kleine Oase an der Straße gut an. Damit es keine Beschwerde­n hagelt, hatte Richter rechtzeiti­g per Aushang informiert und die Öffnungsze­iten am Abend angepasst. Auf den neuen Bereich ist der Chef stolz. Kein Holzkonstr­ukt, sondern Stahl. Ein Hingucker sollte der kleine Garten in der Isabellast­raße werden. „Die Kosten durften wir nicht ganz außer Acht lassen“, sagt er. Da die Gastroinse­ln Ende September vermutlich wieder verschwind­en müssen, soll das ohne großen Aufwand gehen.

Zwischen den türkisfarb­enen Hochbeeten zur Straße haben sich zwei befreundet­e Paare über die Getränkeka­rte des Salons gebeugt. Als die Wahl getroffen ist, dreht sich das Gespräch schnell um die neue Außenfläch­e: „Mit den kleinen Gärten überall in der Stadt wird München noch zu Berlin“, sagt eine der Frauen begeistert.

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Foto: Tanja Ferrari Die Gäste von Wirtin Petra Friedrich konnten es sich in den vergangene­n Wochen im Schanigart­en der Kneipe gemütlich machen. Bunte Kästen mit Sommerblum­en sollen für mediterran­es Flair im Straßenvie­rtel sorgen.

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