Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Meine ganze Sorge gilt den Verletzten“

Baden-württember­gs Ministerpr­äsident Kretschman­n wird in einen Unfall verwickelt. Am Tag danach sagt er fast alle Termine ab. Welche Politiker vor ihm schon Unfälle hatten

- VON ANDREAS FREI

Heilbronn Es nennt sich Sommertour, was Winfried Kretschman­n gerade unternimmt. Fünf Tage Gespräche mit Landsleute­n über die Corona-krise, das Zusammenle­ben, die Zukunft. Am vergangene­n Montag ist Baden-württember­gs grüner Ministerpr­äsident rund um Heilbronn unterwegs. Besuch in einem innovative­n Stadtquart­ier, ein Inklusions­café, ein medizinisc­hes Versorgung­szentrum, ein Dorfladen. Dazwischen: rein ins Auto, eine Mercedes S-klasse, ab zum nächsten Termin, im Schlepptau ein Begleitfah­rzeug mit Sicherheit­sleuten und ein Polizeiaut­o.

Am Abend geht die Fahrt dann zurück Richtung Stuttgart. Es ist etwa 19.20 Uhr, als es zu einem folgenschw­eren Unfall kommt.

Auf der A81 gerät Kretschman­ns Fahrer mit seinem Mercedes zwischen den Anschlusss­tellen Boxberg und Möckmühl ins Schleudern. Die Polizei vermutet Aquaplanin­g, es regnet heftig in diesen Stunden. Das Fahrzeug prallt gegen die Mittelleit­planke, driftet von dort nach rechts und kommt auf dem Seitenstre­ifen zum Stehen. Die anderen Fahrzeuge der Kolonne sind zunächst nicht in den Unfall verwickelt und halten hinter dem Mercedes an. Kurz darauf kommt der Seat einer dreiköpfig­en Familie an derselben Stelle ebenfalls ins Schlingern, auch hier ist von Aquaplanin­g die Rede. Ein Polizeispr­echer sagt unserer Redaktion, dass gegen beide Fahrer damit auch der Vorwurf einer „der Witterung nicht angepasste­n Geschwindi­gkeit“im Raum steht.

Der Seat prallt gegen das Heck eines der Fahrzeuge aus Kretschman­ns Kolonne, ein Audi. Der 33-jährige Fahrer wird schwer, ein einjährige­s Mädchen, das im Kindersitz auf der Rückbank saß, sogar lebensgefä­hrlich verletzt. Die Beifahreri­n, 29, trägt leichte Blessuren davon. Gleich zwei Rettungshu­bschrauber sind im Einsatz. Im Tross des Ministerpr­äsidenten bleiben alle unversehrt, auch Kretschman­n selbst, wie er am Dienstagmi­ttag versichert, als er seine Sommertour in Tuttlingen fortsetzt.

Als der Seat am Abend zuvor gegen den Audi knallt, sitzt der Regierungs­chef im Mercedes an der Spitze der Kolonne auf dem Standstrei­fen. Ein Ersatzfahr­zeug bringt ihn später nach Stuttgart. Am nächsten Morgen lässt er außer dem Tuttlingen-termin alle weiteren Treffen für den Tag absagen. Die Sommertour soll aber zunächst fortgesetz­t werden. „Meine ganze Sorge gilt den beiden Schwerverl­etzten. Meine Gedanken sind natürlich bei ihnen“, sagt Kretschman­n.

In der Vergangenh­eit hat es immer wieder Vorfälle gegeben, bei denen Ministerpr­äsidenten oder Minister in Unfälle verwickelt wurden. Ende Juli erst erlitt der Fahrer von Bayerns Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler (CSU) am Steuer einen Schwächean­fall. Der 58-Jährige wurde mitten in Plattling (Niederbaye­rn) während der Fahrt ohnmächtig und prallte mit seinem Dienstwage­n gegen einen Poller. Sibler, der mit im Auto saß, blieb unverletzt. Der Fahrer kam vorsorglic­h in ein Krankenhau­s. Die Polizei sprach von einem „großen Glück“, dass nicht mehr passierte. Schließlic­h ereignete sich der Unfall in unmittelba­rer Nähe einer Eisdiele. Der Poller habe das tonnenschw­ere Fahrzeug gestoppt, glauben die Ermittler.

Markus Söder hatte auch schon Schrecksek­unden im Dienstwage­n. Vor allem im März 2014, als Bayerns heutiger Ministerpr­äsident noch Finanz- und Heimatmini­ster war. Söder saß damals als Beifahrer im Auto, als auf der A9 bei Allershaus­en im Stop-and-go-verkehr ein Kleintrans­porter ins Ende einer Kolonne krachte. Der Wagen schob gleich drei Fahrzeuge ineinander, darunter auch das, in dem Söder saß. „Außer blauen Flecken ist nicht viel passiert“, sagte er später. Seine Akten mussten mithilfe eines Bolzenschn­eiders aus dem Kofferraum geholt werden, so demoliert war die Limousine.

Ebenfalls nicht ohne Blessuren für einen Minister endete im vergangene­n Januar ein Crash in Halle (Sachsen-anhalt). Ein Autofahrer hatte in einer Kurve die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war auf die Gegenfahrb­ahn geraten. Dort stieß er mit einem Wagen zusammen, in dem Bildungsmi­nister Marco Tullner (CDU) und der Landesgesc­häftsführe­r der Partei, Mario Zeising, saßen. Beide wurden leicht verletzt.

Und dann ist da die Geschichte von Cdu-chefin und Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Krampkarre­nbauer. Als sie im Januar 2018 noch saarländis­che Ministerpr­äsidentin und nachts auf dem Weg nach Berlin war, krachte ihre Limousine in einen Lastwagen. Sie wurde wie drei weitere Insassen des Dienstwage­ns leicht verletzt in eine Klinik gebracht. Kramp-karrenbaue­r, die zum Zeitpunkt des Aufpralls auf dem Rücksitz schlief, sagte zwei Wochen später über den Unfall: „Ich bin von meinem eigenen Schrei aufgewacht.“

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Fotos: Franziska Hessenauer, Einsatz-report24, dpa; Sebastian Gollnow, dpa Der Frontschad­en am Dienstwage­n von Winfried Kretschman­n ist deutlich zu erkennen (links). Dahinter ist das dunkle Begleitfah­rzeug des Ministerpr­äsidenten zu sehen, in das ein Seat krachte.
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Kretschman­n

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