Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Rücktritt „schweren Herzens“
Viktoria Rebensburg gibt überraschend ihr Karriereende bekannt und verpasst dem Verband einen Dämpfer
Kreuth Auf dem Hang, wo im Alter von drei Jahren alles begann, schließt sich für Viktoria Rebensburg mit ihrem völlig überraschenden Rücktritt der Kreis. Über die sozialen Medien erklärte Deutschlands Ausnahme-skirennfahrerin Viktoria Rebensburg am Dienstag ihr sofortiges Karriereende. Ein kurzer Text, versehen mit einer kurzen Videobotschaft. Aufgenommen am heimischen Hirschberg, nicht länger als 80 Sekunden. Doch sie genügten, um die deutsche Skiszene und ihre Fans aus allen Wolken zu reißen.
Sie habe ihren Entschluss „schweren Herzens und nach reichlicher Überlegung in den letzten Wochen gefasst“, sagte die Olympiasiegerin von 2010 und zweimalige Vizeweltmeisterin. „Nach meiner Verletzung im Frühjahr und den zurückliegenden zwei Monaten im Schneetraining habe ich gemerkt, dass es mir nicht mehr gelingt, mein absolutes Topniveau zu erreichen“, erläuterte Rebensburg. Es sei immer ihr Ansporn gewesen, um Siege mitzufahren und die Menschen zu begeistern. „Da ich nun aber das Gefühl habe, dem nicht mehr gerecht zu werden, ist dies zwar eine sehr schwere aber für mich unausweichliche Entscheidung.“
Ihre langjährigen Weggefährten Felix Neureuther und Maria Höflriesch wurden überrumpelt. „Das ist ein Riesen-einschnitt für den deutschen Skirennsport. Ich muss sagen, ich war schon geschockt, als ich von ihrem Rücktritt gehört habe“, sagte Neureuther der Deutschen Presse-agentur am Dienstag. Auch Höfl-riesch zeigte sich überrascht, äußerte aber auch Verständnis für Rebensburgs Entscheidung und gratulierte der 30-Jährigen – genau wie Neureuther – zu einer großartigen Karriere.
Für den Deutschen Skiverband (DSV) ist der Rücktritt seiner mit Abstand erfolgreichsten Athletin ein herber Dämpfer vor der in gut anderthalb Monaten beginnenden Weltmeisterschaftssaison. „Vicky Rebensburg kannst du nicht ersetzen. Sie war in den vergangenen Jahren unsere klare Nummer-einsathletin. Jetzt müssen wir erst mal kleine Brötchen backen. Aber es kann die jungen Fahrerinnen auch beflügeln“, sagte Frauen-bundestrainer Jürgen Graller. In einem Gespräch am vergangenen Dienstag im Trainingslager in Zermatt habe sich ihr Rückzug angedeutet, obwohl sie gut trainiert habe. „Aber es ist ihr Anspruch, in den drei Disziplinen Abfahrt, Super-g und Riesenslalom um Siege mitzufahren. Ich kann ihre Entscheidung absolut verstehen. Denn da kannst du keinerlei Kompromisse machen.“
Rebensburg war neben Thomas Dreßen die größte Hoffnung im Kader für den neuen Winter, der wegen der Corona-folgen noch voller Ungewissheit steckt. Vor ihr hatten schon Veronique Hronek, Christina Ackermann, Dominik Stehle und Fritz Dopfer die Karriere nach der abgebrochenen Vorsaison beendet.
Seit ihrem Gold-triumph bei den Winterspielen von Vancouver 2010 war Rebensburg eine der besten Skirennfahrerinnen der Welt und nach dem Karriereende von Höflriesch 2014 das alpine Aushängeschild in Deutschland. Sie gewann 19 Weltcups in Riesenslalom, Super-g und Abfahrt und steht in der ewigen deutschen Bestenliste auf Platz vier hinter Katja Seizinger (36), Höfl-riesch (27) und Hilde Gerg (20). Zudem holte sie in ihrer Paradedisziplin Riesenslalom zweimal Wm-silber (Vancouver 2015, Are 2019) und drei kleine Weltcupkristallkugeln als Disziplinbeste (2011, 2012, 2018).
Rebensburg hatte mehrfach gesagt, dass sie nur solange weitermache, wie sie gesund und unverletzt sei, Spaß am Rennsport habe und konkurrenzfähig sei. Zuletzt ging die bodenständige Athletin aus Kreuth am Tegernsee nicht davon aus, bei den Winterspielen 2022 in Peking noch anzutreten.