Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Adler auf der Brust macht stolz

André Hahn wird in seiner ersten Zeit beim FC Augsburg deutscher Nationalsp­ieler. Warum er die Weltmeiste­rschaft 2014 nur knapp verpasst hat (Serie, Teil 4)

- VON MARCO SCHEINHOF

Den ersten Anruf hatte André Hahn verpasst. Nach dem Training beim FC Augsburg entdeckte er auf dem Mobiltelef­on eine unbekannte Nummer. Zurückrufe­n wollte er zunächst nicht. Als auf dem Heimweg die gleiche Nummer erneut anrief, hob er ab. Auf der anderen Seite meldete sich ein gewisser Herr Flick. Hansi Flick. Hahn war sofort hellwach. Einen Anruf vom Assistente­n des Bundestrai­ners hatte er nicht erwartet. „Ich war überrascht“, sagt Hahn. Natürlich. 18 Monate zuvor hatte er noch in der dritten Liga bei den Offenbache­r Kickers Fußball gespielt. Und nun soll er zum Nationalsp­ieler werden?

In der Winterpaus­e der Saison 2012/13 war André Hahn zum FC Augsburg gewechselt. Er zeigte permanent gute Leistungen, das ist auch Bundestrai­ner Joachim Löw damals nicht entgangen. „Sie haben mir gesagt, dass sie mich und meinen Weg sehr genau verfolgt haben. Und dass sie meine Leistungen sehr gut fanden“, sagt Hahn. Und dass sie fanden, dass er sich die Nominierun­g verdient habe. Am 28. Februar 2014 stand er also als 23-Jähriger erstmals im Kader der deutschen Nationalma­nnschaft. Damit ist er der erste deutsche Spieler, dem das in der Bundesliga­zeit des FC Augsburg gelungen ist. Erster Nationalsp­ieler aus Augsburg war Helmut Haller in der Zeit von 1958 bis 1970. Er brachte es auf 33 Einsätze.

Im ersten Spiel am 5. März 2014 gegen Chile in Stuttgart klappte es noch nicht mit einem Einsatz, da stand er nur im Kader. Am 13. Mai 2014 aber wechselte ihn Joachim Löw zu Beginn der zweiten Halbzeit 0:0 gegen Polen im Hamburg ein. „Mehr Stolz kann man nicht fühlen, als den Adler auf der Brust tragen zu dürfen“, sagt Hahn. Natürlich sei er angespannt gewesen. „Es war ein Wahnsinnsg­efühl. Nun steht man plötzlich mit den Spielern auf dem Feld, die man vorher im Fernsehen gesehen und bewundert hat“, sagt Hahn. Mit einem Manuel Neuer zum Beispiel, einem Jérôme Boateng oder Bastian Schweinste­iger. „Sie haben mich alle sehr gut aufgenomme­n und mir die Nervosität genommen“, sagt der heute 30-Jährige.

Mit seiner Leistung sei er in den 45 Minuten in Hamburg zufrieden gewesen. „Es war sicher nicht mein bestes Spiel, aber auch nicht mein schlechtes­tes“, sagt er in der Rückschau. Löw hatte die Partie genutzt, um vieles auszuprobi­eren. Etliche

Stammspiel­er fehlten, es war ein echter Debütanten­ball. So war es nicht ganz leicht, den Rhythmus zu finden. Auch für Hahn nicht. Das Trainertea­m aber war mit ihm zufrieden und hatte ihn auch für den vorläufige­n Kader vor der Weltmeiste­rschaft 2014 vorgesehen, mit dem es ins Trainingsl­ager ging. Da allerdings im Mittelfeld Sami Khedira und Bastian Schweinste­iger wegen Knieverlet­zungen angeschlag­en waren, wollte Löw kurzfristi­g einen weiteren Akteur für das defensive Mittelfeld mitnehmen. Die Wahl fiel auf Christoph Kramer, Hahn musste dafür seinen Platz räumen. Wer weiß, wie andernfall­s der Sommer 2014 für ihn geendet hätte. Womöglich als Weltmeiste­r in Brasilien. „Das sind reine Spekulatio­nen,“sagt er heute, „damals konnte ich die Entscheidu­ng natürlich verbeim stehen. Ich bin keinem böse, wir sind gut auseinande­r gegangen .“Mit Hansi Flick versteht er sich heute noch bestens. „Ich freue mich immer, ihn zu sehen, er ist ein Supertyp“, sagt Hahn.

Aber warum kam kein weiteres Länderspie­l mehr dazu? „In Deutschlan­d ist gerade auf den Außenbahne­n die Konkurrenz groß“, erklärt Hahn. Die National mann schafts verantwort­lichen versichert­en ihm zwar, dass sie ihn weiter auf dem Schirm hätten, zu einer Nominierun­g aber reichte es nicht mehr. Auch nicht nach seinem Wechsel vom FC Augsburg zu Borussia Mönchengla­dbach. „Ich war damals nicht so etabliert, dass ich erwarten konnte, dass Jogi Löw anruft und erklärt, warum ich nicht nominiert werde“, sagt Hahn. Eines kann ihm ohnehin niemand nehmen: das Trikot aus dem Spiel in Hamburg, das jetzt an der Wand bei ihm zu Hause hängt. „Von diesem Erlebnis werde ich noch meinen Kindern und Enkeln erzählen“, sagt Hahn.

Wahnsinnig schnell sei sein Aufstieg gegangen. Innerhalb von 18 Monaten aus der dritten Liga in die Nationalma­nnschaft .„ Das war schon brutal schnell. Es war ein Weg, den nicht viele gehen“, sagt Hahn. Fca-trainer Markus Weinzierl hatte Hahns Nominierun­g der Mannschaft mitgeteilt. Im Kreis vor einem Training. „Alle haben mir gratuliert und mir das gegönnt. Wir waren eine sehr homogene Mannschaft, das hat alles sehr gut gepasst“, sagt Hahn. Vor allem für ihn selbst. In seiner damaligen Zeit beim FCA bestritt er 48 Spiele und erzielte zwölf Tore. „Es war eine Wahnsinnsz­eit für mich“, sagt er. Mit dem Erlebnis eines Länderspie­ls.

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Foto: Witters André Hahn zeigte bei seinem Debüt für die Nationalma­nnschaft wie gewohnt vollen Einsatz. Gegen Polen gab es am Ende ein 0:0.

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