Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Prozess: Verkäuferin bereut Diebstahl
Eine Frau nimmt aus dem Tresorraum ihrer Firma 22000 Euro mit – und bringt sie am nächsten Tag zur Polizei
Eine Verkäuferin stiehlt aus dem Tresorraum eines Kaufhauses über 22000 Euro und bringt sie am nächsten Tag zur Polizei. Nur um die Aufmerksamkeit der Firmenchefs auf eine unliebsame Vorgesetzte zu lenken, wie die Frau behauptete? Das Augsburger Amtsgericht glaubte der Frau ihr Motiv nicht und verurteilte sie jetzt zu einer Geldstrafe von 9000 Euro wegen Diebstahls. Vor Gericht gestand die Frau, das Geld genommen zu haben.
Es war im Mai, als nach dem größten Lockdown wegen der Corona-pandemie nach und nach wieder die Geschäfte öffnen durften. So auch das Kaufhaus, in dem die 23-jährige Angeklagte seit einem Jahr als Fachverkäuferin arbeitete. Als nach einigen Tagen die Sicherheitsfirma die Einnahmen des Geschäfts aus dem Tresorraum abholen wollte, der Schock für die 35-jährige Filialleiterin: Sie bekommt die Mitteilung, dass der entsprechende Beutel mit dem Geld, ein sogenannter Safebag, fehle. Über 22 000 Euro scheinen verschwunden zu sein. Nach einigem Überlegen, so die Filialleiterin jetzt als Zeugin vor Gericht, sei für sie klar gewesen: Für den Diebstahl kommen nur jene Mitarbeiter infrage, die außer ihr einen entsprechenden elektronischen Zugangsschlüssel für den Tresorraum haben. Freilich habe sie, so die Filialleiterin auf Nachfrage des Gerichts, ihre Mitarbeiter nach dem Diebstahl gefragt, immer wieder. Sowohl die Angeklagte als auch ein 27-jähriger Arbeitskollege hätten aber jeden Verdacht von sich gewiesen. Es zeigt sich, dass am Tattag offenbar mit dem Transponder des 27-jährigen Arbeitskollegen gearbeitet worden war. Offenbar hatte die Frau den Schlüssel für den Zeitraum des Diebstahls vertauscht, genau ließ sich das jedoch nicht mehr aufklären. Der 27-Jährige und die Angeklagte werden befragt und dann nach Hause geschickt.
Am nächsten Tag dann das Merkwürdige: Die 23-jährige Verkäuferin erscheint bei der Polizei und übergibt den Beamten exakt die aus dem Tresor fehlenden 22110 Euro. Per Whatsapp gesteht sie die Tat ihrem Bezirksleiter. Und sie berichtet den Ermittlern als Motiv für ihre Tat, dass sie auf den schlechten Umgang der Filialleiterin mit ihr, aber auch mit anderen Mitarbeitern habe hinweisen wollen. Nachdem man sie bei der Firmenleitung nicht habe anhören wollen, habe sie auf diese Weise nach Aufmerksamkeit gesucht. Dass sie sich so schnell an die Polizei gewandt habe, habe den Grund, dass sie nicht wolle, dass ihr unschuldiger Arbeitskollege ins Visier der Ermittler gerate.
Staatsanwältin Saskia Eberle glaubt der Angeklagten ihre Begründung für den Diebstahl nicht. Um Aufmerksamkeit bei der Firmenleitung für angebliche Probleme mit der Filialleiterin zu erreichen, hätte es andere Wege gegeben. Die Staatsanwältin hegt die Vermutung, die Angeklagte habe das Geld zunächst für sich selbst behalten wollen, möglicherweise in Verbindung mit ihrer bevorstehenden Hochzeit. Sie fordert eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten, zur Bewährung aussetzbar, und eine Geldbuße von 2500 Euro für die Angeklagte.
Deren Verteidiger, Marek Schauer, bestätigt zwar, dass das Geld entwendet worden sei. Durch die umgehende Rückgabe sei aber eine Zueignungsabsicht, wie sie ein Diebstahl voraussetze, nicht gegeben. Zudem habe die Frau Aufklärungshilfe zu der Tat geleistet. Schauer plädiert für seine Mandantin auf Freispruch.
Richter Dominik Wagner liegt mit seiner Bewertung näher bei der Staatsanwältin. Er verurteilt die Angeklagte nach Tagessätzen zu einer Geldstrafe in Höhe von 9000 Euro. Es sei offensichtlich geworden, dass die Frau das Geld habe wegnehmen wollen. Sie sei wohl angesichts des dicken Geldbeutels im Tresor „ins Grübeln gekommen“. Immerhin ehre es sie, dass sie mit der Geldrückgabe größeres Ungemach von ihrem Arbeitskollegen abgewendet habe. Ihr sei offensichtlich erst im Nachhinein richtig klar geworden, wie schnell sich aufgrund der elektronischen Schlüssel Zusammenhänge herstellen ließen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.