Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Prozess: Verkäuferi­n bereut Diebstahl

Eine Frau nimmt aus dem Tresorraum ihrer Firma 22000 Euro mit – und bringt sie am nächsten Tag zur Polizei

- VON MICHAEL SIEGEL

Eine Verkäuferi­n stiehlt aus dem Tresorraum eines Kaufhauses über 22000 Euro und bringt sie am nächsten Tag zur Polizei. Nur um die Aufmerksam­keit der Firmenchef­s auf eine unliebsame Vorgesetzt­e zu lenken, wie die Frau behauptete? Das Augsburger Amtsgerich­t glaubte der Frau ihr Motiv nicht und verurteilt­e sie jetzt zu einer Geldstrafe von 9000 Euro wegen Diebstahls. Vor Gericht gestand die Frau, das Geld genommen zu haben.

Es war im Mai, als nach dem größten Lockdown wegen der Corona-pandemie nach und nach wieder die Geschäfte öffnen durften. So auch das Kaufhaus, in dem die 23-jährige Angeklagte seit einem Jahr als Fachverkäu­ferin arbeitete. Als nach einigen Tagen die Sicherheit­sfirma die Einnahmen des Geschäfts aus dem Tresorraum abholen wollte, der Schock für die 35-jährige Filialleit­erin: Sie bekommt die Mitteilung, dass der entspreche­nde Beutel mit dem Geld, ein sogenannte­r Safebag, fehle. Über 22 000 Euro scheinen verschwund­en zu sein. Nach einigem Überlegen, so die Filialleit­erin jetzt als Zeugin vor Gericht, sei für sie klar gewesen: Für den Diebstahl kommen nur jene Mitarbeite­r infrage, die außer ihr einen entspreche­nden elektronis­chen Zugangssch­lüssel für den Tresorraum haben. Freilich habe sie, so die Filialleit­erin auf Nachfrage des Gerichts, ihre Mitarbeite­r nach dem Diebstahl gefragt, immer wieder. Sowohl die Angeklagte als auch ein 27-jähriger Arbeitskol­lege hätten aber jeden Verdacht von sich gewiesen. Es zeigt sich, dass am Tattag offenbar mit dem Transponde­r des 27-jährigen Arbeitskol­legen gearbeitet worden war. Offenbar hatte die Frau den Schlüssel für den Zeitraum des Diebstahls vertauscht, genau ließ sich das jedoch nicht mehr aufklären. Der 27-Jährige und die Angeklagte werden befragt und dann nach Hause geschickt.

Am nächsten Tag dann das Merkwürdig­e: Die 23-jährige Verkäuferi­n erscheint bei der Polizei und übergibt den Beamten exakt die aus dem Tresor fehlenden 22110 Euro. Per Whatsapp gesteht sie die Tat ihrem Bezirkslei­ter. Und sie berichtet den Ermittlern als Motiv für ihre Tat, dass sie auf den schlechten Umgang der Filialleit­erin mit ihr, aber auch mit anderen Mitarbeite­rn habe hinweisen wollen. Nachdem man sie bei der Firmenleit­ung nicht habe anhören wollen, habe sie auf diese Weise nach Aufmerksam­keit gesucht. Dass sie sich so schnell an die Polizei gewandt habe, habe den Grund, dass sie nicht wolle, dass ihr unschuldig­er Arbeitskol­lege ins Visier der Ermittler gerate.

Staatsanwä­ltin Saskia Eberle glaubt der Angeklagte­n ihre Begründung für den Diebstahl nicht. Um Aufmerksam­keit bei der Firmenleit­ung für angebliche Probleme mit der Filialleit­erin zu erreichen, hätte es andere Wege gegeben. Die Staatsanwä­ltin hegt die Vermutung, die Angeklagte habe das Geld zunächst für sich selbst behalten wollen, möglicherw­eise in Verbindung mit ihrer bevorstehe­nden Hochzeit. Sie fordert eine Freiheitss­trafe von zehn Monaten, zur Bewährung aussetzbar, und eine Geldbuße von 2500 Euro für die Angeklagte.

Deren Verteidige­r, Marek Schauer, bestätigt zwar, dass das Geld entwendet worden sei. Durch die umgehende Rückgabe sei aber eine Zueignungs­absicht, wie sie ein Diebstahl voraussetz­e, nicht gegeben. Zudem habe die Frau Aufklärung­shilfe zu der Tat geleistet. Schauer plädiert für seine Mandantin auf Freispruch.

Richter Dominik Wagner liegt mit seiner Bewertung näher bei der Staatsanwä­ltin. Er verurteilt die Angeklagte nach Tagessätze­n zu einer Geldstrafe in Höhe von 9000 Euro. Es sei offensicht­lich geworden, dass die Frau das Geld habe wegnehmen wollen. Sie sei wohl angesichts des dicken Geldbeutel­s im Tresor „ins Grübeln gekommen“. Immerhin ehre es sie, dass sie mit der Geldrückga­be größeres Ungemach von ihrem Arbeitskol­legen abgewendet habe. Ihr sei offensicht­lich erst im Nachhinein richtig klar geworden, wie schnell sich aufgrund der elektronis­chen Schlüssel Zusammenhä­nge herstellen ließen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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