Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Romantik auf der Orgel
Tyron Kretzschmar in der Ulrichsbasilika
„Lieder ohne Worte“betitelte Tyron Kretzschmar sein Konzert in der Ulrichsbasilika. Das zarte Motto war an Mendelssohn angelehnt, den der junge Organist im Programm hatte. Doch das Melos wurde in den anderen Werken auch von heftigen Wogen getragen, zumal es sich um französische Meister handelte. Mendelssohns Sonate op. 65 verbindet den romantisch gesanglichen Ton mit Grundprinzipien Bach’scher Kunst, einschließlich einer Fuge im Finale – von Kretzschmar in weichen Formen ausgebreitet. Dem ist in seiner behutsam kleinteiligen Form der Verset-choral von Theodore Dubois (1837–1924) nahe, ein in licht-keuschem Kolorit erklingendes Gebilde, das sich anschloss.
Doch eingerahmt wurden die beiden Werke von den wuchtigen Kompositionen der in den Beginn des 20. Jahrhunderts reichenden französischen romantischen Orgeltradition. In Eugène Gigouts „Grand Choeur Dialogué“wird ein massiges Fanfaren-thema seinem Pianoecho gegenübergestellt. Die Teile nähern sich mit einströmendem Figuren-werk an, weiten sich zur Gesamtmelodie aus.
Am Ende hatte Großmeister Charles Widor mit seinem Kultstück das Sagen, der Toccata seiner 5. Symphonie. Die repetierenden aufund absteigenden schnellen Läufe in der rechten, die markanten Akzente der linken Hand und die mit Masse brachial einflutende Melodie des Pedals garantieren in ihrer genialen Einfachheit immer Effekt. Tyron Kretzschmar nahm die Tempi eher vorsichtig, der Organist setzte die Schluss-klimax gut getimt.