Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schwarz-grün: In Teilen der CSU grummelt es

Seit vier Monaten gibt es in Augsburg eine neue Stadtregie­rung. Die Koalition im Rathaus arbeitet bisher harmonisch zusammen. Fast schon zu harmonisch – finden zumindest manche in der Augsburger CSU

- VON JÖRG HEINZLE

Leo Dietz, der Csu-fraktionsc­hef im Augsburger Stadtrat, muss nur aus dem Fenster schauen, um zu sehen, dass grüne Themen derzeit stark präsent sind am Rathaus. Die Räume der Csu-fraktion haben Fenster zum Fischmarkt hin – und dort stehen seit Wochen die Zelte von Klimaaktiv­isten. Die grünen Fahnen der Fridays-for-future-bewegung wehen leicht im Wind. Ein paar junge Leute sitzen auf Sofas und plaudern. Spricht man Dietz, 53, auf das Klimacamp an, so gibt er sich betont gelassen. Nette junge Menschen seien das, meint er. Sie meinten es gut, wüssten aber noch nicht, wie Politik funktionie­re.

So unbedeuten­d scheint das Camp dann aber doch nicht zu sein. Dietz kommt immer wieder auf die Klimaschüt­zer zu sprechen. Und konservati­ve Csu-mitglieder bewerten das Zeltlager am Rathaus ohnehin als Zumutung – zusätzlich zur schwarz-grünen Koalition, die seit Mai im Stadtrat das Sagen hat. Gerhard Schmid, 75, gehört zu diesen Konservati­ven in der Augsburger CSU. Er sitzt gerne im Perlachstü­ble, einem kleinen Lokal neben dem Rathaus. Die Klimaschüt­zer zelten direkt vor dem Perlachstü­ble.

Schmid sieht das Camp sehr kritisch – auch deswegen, weil dort seiner Beobachtun­g nach immer wieder linke Antifa-aktivisten vor Ort seien. Dass das Camp noch immer steht, ist aus seiner Sicht ein Zugeständn­is an die Grünen. Er ist der Ansicht, dass die CSU zu viele Zugeständn­isse gemacht habe. Der Koalitions­vertrag sei „tiefgrün“. Er fürchtet unter anderem, dass die Verkehrspo­litik in die falsche Richtung laufe und auf den Straßen künftig mehr Stau und Chaos herrsche. So wie Schmid sehen es aber längst nicht alle in der Partei. Der Augsburger Csu-vorsitzend­e Volker Ullrich, 44, sagt, ihm sei kein einziger Parteiaust­ritt wegen des schwarz-grünen Bündnisses bekannt. Natürlich gebe es auch kritische Stimmen, aber nur vereinzelt.

Auch die 20-köpfige Csu-fraktion im Stadtrat steht bislang geschlosse­n hinter Schwarz-grün. Offene Kritik gibt es nicht. Hinter vorgehalte­ner Hand aber äußern manche Stadträte inzwischen Bedenken, das Bündnis sei in der Außendarst­ellung zu „grün“. Ein Rat sagt: „Die Grünen verstehen es gut, ihre Erfolge zu verkaufen.“Die CSU – immerhin der größere Partner in dem Bündnis – müsse aufpassen, dass sie ihr Profil nicht einbüße. Als Beispiel nennt ein Stadtrat den gemeinsame­n Antrag von CSU und Grünen, Augsburgs Kolonialge­schichte kritisch aufzuarbei­ten – damit auch die Rolle der Handelsfam­ilien Fugger und Welser, die von Sklavenhan­del und Zwangsarbe­it geschäftli­ch profitiert­en. Angestoßen wurde das von den Grünen, die CSU trägt es mit. „Das ist auch in Ordnung so“, sagt ein CSU-RAT. Die Grünen müssten aber, wenn es darauf ankomme, auch Csu-themen mittragen. Ein anderer Csustadtra­t sagt, es gehöre zur Politik, den eigenen Anhängern auch zu erklären, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden könnten. Das müssten die Grünen noch stärker lernen. Manchmal habe er den Eindruck, Teile der Grünen verstünden das Bündnis als Wunschkonz­ert.

Während es bei der CSU zumindest etwas grummelt, scheint es bei den Grünen so gut wie keinen Gegenwind für Schwarz-grün zu geben. Die Zustimmung sei nach wie vor sogar „überrasche­nd groß“, sagt Verena von Mutius-bartholy, 32, die zusammen mit Peter Rauscher, 34, die grüne Fraktion im Augsburger Rathaus führt. Das sei fast schon ungewöhnli­ch in einer sonst so debattenfr­eudigen Partei. Die Fraktionsc­hefs erklären es damit, dass es bei den Koalitions­verhandlun­gen gelungen sei, viele grüne Themen im Vertrag unterzubri­ngen – etwa bei der Mobilität oder im Kulturbere­ich. Die Zusammenar­beit mit der CSU sei bisher sehr vertrauens­voll, sagt von Mutius-bartholy. Man stimme sich bei allen Themen ab und spreche mit einer Stimme.

So sieht es auch Leo Dietz. Er bewertet die Zusammenar­beit von Schwarz-grün als „sehr gut“. Im Koalitions­vertrag stehe nichts, was der CSU Bauchschme­rzen bereite. Einige Streitpunk­te, etwa die geplante Ostumfahru­ng Augsburgs oder ein geplantes Baugebiet in Bergheim, wurden im Vertrag ausgeklamm­ert. Auf beiden Seiten stehe die Sacharbeit im Vordergrun­d.

Der Csu-fraktionsc­hef wertet das Corona-konzept für die Innenstadt als einen wichtigen Erfolg. Es sei gelungen, Auswüchse im Nachtleben einzudämme­n. Dietz und Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (ebenfalls CSU) hatten das Konzept ausgearbei­tet – es schränkt unter anund derem den Verkauf von Alkohol zum Mitnehmen zeitlich ein, dafür dürfen die Lokale ihre Außengastr­onomie länger öffnen. Die Grünen wiederum nennen die Pläne für ein Verbot des Durchgangs­verkehrs im Lechvierte­l als einen Erfolg, ebenso die neue Abteilung für Schulsanie­rungen in der Stadtverwa­ltung.

Fragt man die Spitzen von CSU und Grünen in Augsburg, so geben sich beide Seiten überzeugt davon, dass die Koalition die vollen sechs Jahre durchhalte. In den nächsten Wochen und Monaten gehe es auch darum, zu entscheide­n, was angesichts der Corona-krise und der damit verbundene­n finanziell­en Einschränk­ungen überhaupt möglich sei. Kürzungen nach der Rasenmäher­methode wollen beide Parteien nicht. „Wir machen es uns bei den Einsparung­en nicht leicht“, sagt Verena von Mutius-bartholy. Und Peter Rauscher meint: „Die Schwerpunk­te aus unserem Zukunftspl­an sind Bildung, Umwelt und Nachhaltig­keit. Das werden wir weiter vorantreib­en.“

CSU-CHEF Volker Ullrich sagt, seine Partei sei in Augsburg auf einem Weg der Erneuerung, personell und inhaltlich. Themen wie Mobilität und auch Klimaschut­z seien in einer Großstadt wichtig. Der Erfolg, ist er überzeugt, gebe der Augsburger CSU recht. Nur in wenigen großen Städten in Deutschlan­d sei die Union bei Wahlen ähnlich erfolgreic­h wie in Augsburg. Der moderne, liberale Wahlkampfk­urs der Christsozi­alen vor der Kommunalwa­hl im Frühjahr hat der Partei auch in den ländlich geprägtere­n Stadtteile­n offensicht­lich nicht geschadet. Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) schaffte etwa in Bergheim schon im ersten Anlauf mit 53,6 Prozent die absolute Mehrheit.

Auch in Inningen kam sie auf knapp 50 Prozent. Obwohl der dortige Ortsverban­d den modernen Kurs der CSU kritisch sieht und im Wahlkampf quergescho­ssen hatte. Gerhard Schmid ist kommissari­scher Ortsvorsit­zender der CSU in Inningen. Er meint, die neue schwarz-grüne Koalition habe, auch wegen der Corona-krise, bisher noch nicht besonders viele Projekte umsetzen können. Und darüber sei er angesichts der überwiegen­d grünen Inhalte des Vertrags eigentlich auch ganz froh.

Grüne sehen viele ihrer Themen im Vertrag

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Klimaschüt­zer bei einer Demonstrat­ion: Das Klimacamp am Augsburger Rathaus ist manchen Csu-anhängern ein Dorn im Auge.
Foto: Michael Hochgemuth Klimaschüt­zer bei einer Demonstrat­ion: Das Klimacamp am Augsburger Rathaus ist manchen Csu-anhängern ein Dorn im Auge.

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