Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Usbekische Studentin darf Kind nicht nachholen

Shakhnoza Sotimova arbeitet an der Uni für ihr großes Ziel. Nebenbei jobbt sie, damit auch die dreijährig­e Tochter und der Ehemann während des Studiums nach Augsburg kommen können. Doch die Stadt macht nicht mit

- VON EVA MARIA KNAB

Wenn sie von ihrem Töchterche­n Samira spricht, kommen ihr schnell die Tränen. „Samira sagt jetzt immer, meine Mama ist im Handy von meinem Papa“, erzählt Shakhnoza Sotimova, die Mutter. Sotimova kommt aus Usbekistan und studiert in Augsburg. Seit vielen Monaten hat sie ihre Tochter nicht mehr in die Arme schließen können. Denn es gibt bürokratis­che Hürden, um Samira und auch ihren Ehemann für die Dauer des Studiums zu sich zu holen. Jetzt ist die Mutter mit ihren Nerven fast am Ende.

Die 28-jährige Usbekin ist vor rund zwei Jahren nach Augsburg gekommen. An der Universitä­t studiert sie Deutsch als Fremdsprac­he/ Deutsch als Zweitsprac­he, Interkultu­relle Kommunikat­ion und Schulpädag­ogik. Shakhnoza Sotimova hat sich in ihrem Leben ein großes Ziel gesteckt: Daheim in Usbekistan will sie ein deutsches Sprach- und Kulturzent­rum aufbauen. Denn sie fühlt sich Deutschlan­d eng verbunden, seit sie als Kind ihre ersten deutschen Wörter lernte und Geschichte­n aus Grimms Märchen erzählt bekam.

Sotimova ist überzeugt, dass sie mit ihrem Projekt eines Kulturzent­rums auch bei vielen ihrer Landsleute auf Interesse stoßen wird. In dem zentralasi­atischen Staat leben noch einige Tausend usbekische Staatsbürg­er deutscher Volkszugeh­örigkeit. Seit über 150 Jahren sind deutsche Spuren in Usbekistan dokumentie­rt. Die Zuwanderer brachten nicht nur die deutsche Sprache und kulturelle Eigenheite­n nach Usbekistan. Deutsche wirkten auch in vielen Lebensbere­ichen in Usbekistan mit.

Augsburg wäre für die Usbekin eigentlich der ideale Studienort. „Ich fühle mich in der Stadt und an der Uni wohl“, sagt sie. Sotimova gilt als brillante Studentin. Das Akademisch­e Auslandsam­t bescheinig­t ihr überdurchs­chnittlich­e Leistungen. Die evangelisc­he Studentenp­farrerin Tabea Baader sagt: „Sie ist ein Ausnahmefa­ll.“Sie sei in jeder Hinsicht fleißig im Studium und jobbe auch noch nebenbei. Doch eines belastet die Usbekin immer mehr: Seit mittlerwei­le eineinhalb Jahren kann sie ihr Töchterche­n Samira, 3, nicht mehr sehen. Damit hatte sie, als sie nach Augsburg ging, nicht gerechnet.

Zwar stellte Sotimova im Frühjahr 2019 einen Antrag auf Familienna­chzug, so wie es viele ausländisc­he Studierend­e tun. Bisher hat die Ausländerb­ehörde der Stadt aber nicht zugestimmt.

Der Weg durch die Instanzen war für die Studentin bereits sehr lang. In den Fall ist auch die deutsche Botschaft in Taschkent involviert. Mittlerwei­le sprechen Sotimovas Unterstütz­er in Augsburg von einer schwierige­n Situation. Anwalt Bernhard Hannemann sagt, zunächst hätten die zuständige­n Stellen nur darauf verwiesen, dass die Studiendau­er der Usbekin noch sehr lang sei und damit der finanziell­e Rückhalt nicht ausreichen würde. Zuletzt sei von den Behörden dann auch noch dahingehen­d argumentie­rt worden, dass wahrschein­lich von Anfang an der Zuzug der Familie gewünscht gewesen sei, dies aber von der Studentin nicht beantragt wurde.

Überhaupt scheint es in diesem Fall manches Missverstä­ndnis gegeben zu haben. So muss die Studentin für einen Familienna­chzug nachweisen, dass der Lebensunte­rhalt während des gesamten Aufenthalt­s gesichert ist. Studentenp­farrerin Baader sagt, zunächst seien die Behörden davon ausgegange­n, dass Sotimova wegen eines Fächerwech­sels erheblich länger studieren werde als die Regelstudi­enzeit von sechs Semestern. Die Einschätzu­ng einer langen Studiendau­er sei jedoch nicht korrekt gewesen, so Baader. Im Akademisch­en Auslandsam­t der Uni gehe man wegen der guten Noten davon aus, dass die Usbekin in der Mindeststu­dienzeit fertig werde. Sotimova hat mit über 26400 Euro auch Geld auf ihrem Sparkonto und eine ausreichen­d große Wohnung im Studentenh­eim.

Bei der Ausländerb­ehörde der Stadt sieht man die Sache anders. Leiter Bernd Schneider sagt auf Anfrage: „Derzeit kann von einem gesicherte­n Lebensunte­rhalt noch nicht ausgegange­n werden.“Dazu müsse während des gesamten Aufenthalt­es der Bezug von öffentlich­en Mitteln ausgeschlo­ssen sein. Für Mutter, Tochter und Ehemann sei ein Betrag von 1543 Euro pro Monat erforderli­ch, also insgesamt rund 32 400 Euro bis zum voraussich­tlichen Studienend­e im März 2022. Der bisherige Fehlbetrag erhöhe sich auch noch, wenn die Studentin später fertig werden sollte.

Schneider sagt: „Die Entwicklun­gen und Äußerungen in diesem Fall überrasche­n uns aber dann auch immer wieder.“Es sei seit Langem bekannt, wie hoch der Finanzieru­ngsbedarf ist. Noch im März sei über

Die Stadt verweist auf die Regeln

den Anwalt eine entspreche­nde Aufstockun­g der Mittel als möglich bezeichnet, aber dann nicht realisiert worden. Vielmehr habe die Studentin Klage erhoben. Schneiders Einschätzu­ng: Die Usbekin könne so lange abwarten, bis die 26000 Euro für die beabsichti­gte Aufenthalt­sdauer ausreichen und anschließe­nd das bislang fehlende Sperrkonto einrichten. Weiter argumentie­rt die Stadt, die Trennung der Familie sei von Sotimova selbst herbeigefü­hrt worden und könne nun nicht anderen angelastet werden.

Shakhnoza Sotimova traut sich aus Sorge um ihr Studentenv­isum nicht mehr nach Usbekistan, um ihr Töchterche­n zu sehen. „Ich will nur meine Familie um mich haben, mein Studium beenden und wieder gehen“, sagt sie. Studentenp­farrerin Baader kann diesen Wunsch gut verstehen. „Ich unterstütz­e Frau Sotimova deshalb, weil ich es aus ethischen Gründen für unzumutbar halte, eine Mutter von ihrem Kind zu trennen.“Die Entscheidu­ng der Behörden möge rechtens sein, sie sei aber unbarmherz­ig. Der deutsche Staat sei zum Schutz der Familie verpflicht­et.

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Die dreijährig­e Samira kennt ihre Mutter Shakhnoza Sotimova nur noch aus dem Telefon. Bislang ist der Familienna­chzug für die Dauer des Studiums trotz vieler Bemühungen gescheiter­t.
Foto: Klaus Rainer Krieger Die dreijährig­e Samira kennt ihre Mutter Shakhnoza Sotimova nur noch aus dem Telefon. Bislang ist der Familienna­chzug für die Dauer des Studiums trotz vieler Bemühungen gescheiter­t.

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