Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Distanzsch­ütze mit Weitblick

Der Gladbacher Florian Neuhaus steht im Kader der deutschen Nationalel­f. Der Kauferinge­r zeigte in der Corona-krise, dass er über den Tellerrand blickt

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Joachim Löw ist schuld. Eigentlich hätte Florian Neuhaus am 7. September bei der Sportler- und Künstlereh­rung in Kaufering dabei sein sollen. Daraus wird nun nichts: Der 23-Jährige, der aus der Marktgemei­nde im Landkreis Landsberg am Lech stammt, hat keine Zeit – und hier kommt Löw ins Spiel. Der Bundestrai­ner sorgte für eine Terminkoll­ision, indem er den Gladbacher Mittelfeld­spieler erstmals in den Kader der deutschen Nationalma­nnschaft berief. Wenn die DFB-ELF heute Abend gegen Spanien und am Sonntag gegen die Schweiz ihre ersten Länderspie­le seit rund zehn Monaten bestreitet, könnte mit Neuhaus einer der talentiert­esten deutschen Profis sein Debüt in der A-nationalma­nnschaft geben – es wäre eine Premiere, die ohne die Corona-pandemie und die verschoben­e Europameis­terschaft womöglich schon etwas früher stattgefun­den hätte.

Dass Neuhaus vor einer großen Karriere steht, deutete sich früh an: Im Trikot des TSV 1860 München, zu dem er nach seinen Anfängen in Kaufering gewechselt war, erzielte er im Halbfinale der deutschen A-jugend-meistersch­aft ein Tor aus 50 Metern Entfernung, die Zuschauer der ARD kürten es zum Tor des Monats. Ein 19-Jähriger, der sich diese Medaille holt – keine schlechte Empfehlung für den weiteren Werdegang. Dass Neuhaus sich beim Jubel das Trikot auszog, dafür Gelb-rot sah und seine Löwen im Rückspiel gegen die Bvb-jugend ausschiede­n, gehört ebenfalls zu dieser Geschichte. Dass er daraus gelernt hat, zeigte er im Januar: Als er für Borussia Mönchengla­dbach aus 40 Metern gegen Mainz traf, blieb das Trikot am Körper. Eine Duplizität der Ereignisse blieb aber: Auch dieser Treffer wurde ein „Tor des Monats“.

Dass Neuhaus, der sämtliche Juniorenna­tionalmann­schaften durchlaufe­n hat, nun eine Einladung zu den Besten des Landes in der Tasche hat, ist also keine große Überraschu­ng. Bundestrai­ner Löw adelte ihn bei der Bekanntgab­e des Kaders als „sehr intelligen­ten Spieler“, der eine „sehr gute Entwicklun­g“genommen habe und zu einer der bestimmend­en Persönlich­keiten des rasanten Umschaltst­ils geworden ist, den der Gladbach-coach Marco Rose seinem Team verordnet hat.

Dass Neuhaus aber nicht nur Fußball im Kopf hat, zeigte er kurz nach Ausbruch der Corona-pandemie: Seiner Heimatgeme­inde Kaufering spendete er im April eine Viertelmil­lion Euro. Das Geld sollte dafür verwendet werden, den von der Krise betroffene­n Betrieben, Einrichtun­gen, Vereinen und Bürgern in Kaufering zu helfen. Und ja: Eigentlich war geplant, dass Neuhaus eben bei der Sportler- und Künstlereh­rung persönlich mit dabei sein sollte. Klappt bekanntlic­h ja nicht mehr. Immerhin: Per Video wird Neuhaus nun trotzdem zugeschalt­et werden. Dagegen kann auch der Nationaltr­ainer nichts mehr ausrichten. Florian Eisele

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Foto: dpa

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