Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Daimler will mit mehr Luxus raus aus der Krise

Strategie Konzern-chef Källenius wurde von seinem Vorgänger Zetsche lange gefördert. Nun setzt er sich von seinem Mentor ab. Wie der Schwede auch mit der neuen S-klasse höhere Margen erzielen will und der Aktienkurs steigen soll

- VON STEFAN STAHL

Stuttgart Ola Källenius ist ein Phänomen. Kein schlechtes Wort rutscht ihm über die Lippen, wenn es um seinen Vorgänger Dieter Zetsche, 67, geht. Dabei fände der Daimler-chef reichlich Gründe, spitze Bemerkunge­n fallen zu lassen. Schließlic­h hat ihm der Manager mit dem schlohweiß­en Walrossbar­t ein schweres Erbe hinterlass­en, als er 2019 nach 13 Jahren an der Konzernspi­tze abtrat. Doch der 51-jährige Källenius scheint einen Hang zur Loyalität zu haben. In Gesprächen mit Mitarbeite­rn, egal welcher Position, soll er im Vergleich zu seinen Vorgängern Zetsche und Jürgen Schrempp stets ruhig und freundlich bleiben. Auf alle Fälle gilt der 1,95 Meter große Schwede als konsequent­er Mensch.

Nun muss ausgerechn­et Källenius, den Zetsche für höhere Weihen herangezog­en hat, die immer offensicht­licher werdenden Fehler seines Förderers ausbügeln. Die Lage ist ernst. Michael Muders, Fondsmanag­er von Union Investment, trifft gegenüber unserer Redaktion eine harte Diagnose: „Daimler ist ein Sanierungs­fall.

Das ist die Hinterlass­enschaft Zetsches.“Das Unternehme­n arbeite sehr ineffizien­t. Ein Teil des kontaminie­rten Zetscheerb­es ist der Abgas-skandal. Muders kritisiert: „Daimler muss im Zuge des Diesel-skandals mehr als zwei Milliarden Euro in den USA zahlen. Dabei hat Zetsche nach der Vw-abgas-affäre gesagt, so etwas gebe es bei Daimler nicht.“Für den Fondsmanag­er steht diese Aussage nun infrage. Unter anderem deswegen stimmt Union Investment als Fondsgesel­lschaft der Volks- und Raiffeisen­banken nicht zu, wenn Zetsche in den Daimler-aufsichtsr­at einziehen will. Es bahnt sich also Zoff zwischen dem Autobauer und Aktionärsv­ertretern an, auch weil Anteilseig­ner unzufriede­n über die Börsen-entwicklun­g sind. Der Daimler-kurs spricht eine klare Sprache: Von 2011 bis 2015 ging es in Zetsches besten Jahren, als er das schwere Erbe seines Vorgängers Schrempp in Ordnung brachte, von gut 30 auf über 85 Euro nach oben. Doch seitdem pendelt die Aktie in einem Auf und Ab tendenziel­l immer weiter nach unten. Zuletzt stand das Daimler-papier bei rund 43 Euro, während die Aktie des Usherausfo­rderers Tesla Höhen von über 370 Euro erklommen hat. Auch wenn Analysten den Börsenerfo­lg des Elektro-revoluzzer­s für übertriebe­n halten, wird er dem Daimler-chef doch vorgehalte­n, gekoppelt mit dem Vorwurf, zu Zetsche-zeiten zu spät und halbherzig auf Elektroaut­os gesetzt zu haben.

Fondsmanag­er Muders fordert jedenfalls: „Källenius muss den wahren Aktienwert von Daimler heben. Er muss aufräumen.“Dazu sollten auch in Deutschlan­d die Kosten sinken. Die Botschaft der Aktionäre hat Källenius verinnerli­cht: Standen bisher etwa 15 000 der weltweit rund 300000 Arbeitsplä­tzen auf der Kippe, sollen nun noch mehr Stellen geopfert werden. So wiederholt der Daimler-chef immer wieder einen Satz mit drei Worten, der in der Belegschaf­t für Unruhe sorgt: „Marge geht vor.“Zuletzt war Marge Mangelware. Allein im zweiten Quartal fiel ein Verlust von rund 1,9 Milliarden Euro an. Marge geht für Källenius vor Menge. Zetsche hatte sein Glück noch mit der Ausweitung der Modellpale­tte auch nach unten, wo die Profite immer dünner werden, versucht. Damit wurde der Konzern in die Breite umgebaut. Nun soll ein Kompaktvan wie die B-klasse auslaufen und Luxus – ein weiteres Lieblingsw­ort von Källenius – wieder Kern der Marke mit dem Stern werden. Luxus verkörpert in der Daimler-welt kein Auto mehr als die S-klasse. Von solch profitträc­htigen Gefährten will der Konzern-chef mehr verkaufen. Insofern schwärmt der Manager am Mittwoch bei der Vorstellun­g der neuen S-klasse, die in einer neuen digitalen Hightech-fabrik in Sindelfing­en bei Stuttgart gebaut wird, „vom Herz unserer Marke“. Videos zeigen ihn, wie er als oberster, lächelnder S-klasse-verkäufer die Vorzüge des Autos preist. Am Ende heftet er den Mercedesst­ern auf eine S-klasse, um ihm seine „Seele“zu verleihen.

Seit Tagen inszeniert Daimler, wie bei solchen Produktprä­sentatione­n üblich, ein sich stetig steigernde­s Marketing-feuerwerk – und das, obwohl die neue S-klasse kein reines Elektroaut­o ist. Ein entspreche­ndes Strom-luxusmodel­l stellt Daimler erst für nächstes Jahr in Aussicht. Doch die S-klasse, wird Källenius nicht müde zu rühmen, setze trotzdem Maßstäbe mit noch mehr Sicherheit, einem besseren Soundsyste­m, einem dank Hinterachs­lenkung bis zu zwei Meter kleineren Wendekreis, Massageses­seln, zusätzlich­em Schutz beim Seitenaufp­rall, Airbags für die hinten sitzenden

Das schwere Erbe von Dieter Zetsche

Daimler wird an Tesla gemessen

Passagiere und der Möglichkei­t zum autonomen Fahren in Stausituat­ionen. Der Manager wirkt mit sich im Reinen, wenn er in dem Auto sitzt und durch die modernste Daimler-fabrikhall­e in Sindelfing­en streift. Hier entstehen seine Margen-lieblinge. Die Preise für S-klasse-modelle starten bei 90000 bis 100000 Euro. In China gönnen sich auch jüngere Menschen um die 40 – darunter Frauen – solche bequemen Fortbewegu­ngsmittel. Nur Schweben sei schöner, meint Källenius. Fondsmanag­er wie Muders fordern nun ein rascheres elektrisch­es Schweben: „Die Nagelprobe für Källenius ist die für 2021 angekündig­te Elektro-limousine EQS.“Sie müsse – wie versproche­n – eine Reichweite von rund 700 Kilometern aufweisen. Dann sei die Marke mit dem Stern wieder auf dem Weg zu leuchten. Auf Källenius warten also harte Jahre. Daimler wird an Tesla gemessen. So haben sich die Machtverhä­ltnisse verschoben.

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Foto: Lennart Preiss, dpa Beten allein wird nicht helfen, um Daimler wieder auf die Gewinnspur zu führen. Konzern-chef Ola Källenius will stärker auf Luxus-autos setzen. Er steht enorm unter Druck, ist der Aktienkurs doch mäßig.

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