Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Schiene des Anstoßes

Aus Sicherheit­sgründen will der Freistaat die Zahl der Bahnübergä­nge minimieren. Warum eine kleine Gemeinde im Landkreis Donau-ries dagegen nun aufbegehrt und sogar überlegt hat, einen Großbrand zu simulieren

- VON VERENA MÖRZL UND DAVID HOLZAPFEL

Hainsfarth Ganz im Norden Schwabens liegt Hainsfarth, 1429 Einwohner groß, idyllisch. Bei gutem Wetter reicht der Blick südlich über den Rieskrater, westlich verlaufen Bahngleise und verbinden Schwaben mit Mittelfran­ken. Doch mittlerwei­le scheint es so, als würden die Gleise mehr trennen als verbinden. Denn: Die Hesselberg­bahn, eine Zugverbind­ung zwischen Nördlingen und dem Fränkische­n, soll reaktivier­t werden. In diesem Zuge will das private Eisenbahnu­nternehmen Bayernbahn mit Sitz in Nördlingen zwei der drei vor Hainsfarth liegenden Bahnübergä­nge sanieren. Einer jedoch soll aus Kostengrün­den geschlosse­n werden. Die Folge: Die Straße, die bislang aus der Ortsmitte in Richtung Bundesstra­ße 466 ging, würde einfach gekappt werden.

Für die Gemeinde ist das ein Schreckens­zenario, gegen das sich Bürgermeis­ter, Gemeindera­t und inzwischen 1137 Unterstütz­er, 750 aus Hainsfarth, in einer Online-petition wehren. Plakate im Ort verdeutlic­hen den Unmut: „Hainsfarth steht auf! Wir lassen uns unseren Bahnüberga­ng Heimostraß­e nicht wegnehmen!“Zu eng führe dann der Verkehr von der Bundesstra­ße am Kindergart­en vorbei, sagen die Kritiker. Außerdem, sagt Bürgermeis­ter Klaus Engelhardt, verlängere sich der Rettungswe­g zu Einsatzort­en in den umliegende­n Dörfern.

Um zu simulieren, wie schlimm die Auswirkung­en für die Gemeinde sein könnten, plant sie einen Protesttag. Am 19. September sollen die betroffene Staatsstra­ße gesperrt und Busse, Lastwagen und Traktoren auf die Ausweichst­raßen geschickt werden. Zunächst war auch geplant, einen Großbrand mit vier Verletzten zu simulieren, um die Auswirkung­en im Notfall deutlich zu machen. Diese Idee wurde vom Bürgermeis­ter nun aber wieder verworfen. Engelhardt will jedoch politische Vertreter aus dem Ries in einen der bereitgest­ellten Busse setzen und auf eine Fahrt durch das Dorf mitnehmen. „Wir wollen ihnen zeigen, wie eng die Ausweichst­raßen sind und wie lang der Umweg für die Anwohner im Falle einer Schließung der Staatsstra­ße wäre.“Eingeladen sind unter anderem Vertreter der Rettungskr­äfte, der Bayernbahn und des Staatliche­n Bauamts Augsburg.

Mit Letzterem hatte die Gemeinde schon in der Vergangenh­eit Probleme. So musste die Gemeinde für die Entsorgung teerhaltig­er Altlasten einer ehemaligen Staatsstra­ße rund 100000 Euro bezahlen. Zur Posse wurde außerdem die Sanierung der Straße Richtung Treuchtlin­gen. Auch nach den Ausbesseru­ngen durch das Staatliche Bauamt sei sie eine „Buckelpist­e“, sagen die Bürger. Der Streit um den Bahnüberga­ng ist nun das nächste Kapitel. Dabei legen die Hainsfarth­er Wert darauf, zu betonen, dass sie die

Reaktivier­ung der Bahnlinie sehr wohl gut finden. Aber: „Reaktivier­ung ja, aber nicht auf Kosten der Gemeinde“, hieß es in einer der jüngsten Gemeindera­tssitzunge­n.

Die Gegenseite zeigt sich von der emotionale­n Vorgehensw­eise der Gemeinde genervt. Bayernbahn­geschäftsf­ührer Andreas Braun sagt, dass sich sein Unternehme­n, Vertreter des Staatliche­n Bauamts Augsburg und der Regierung von Oberbayern als zuständige Aufsichtsb­ehörde bei einem Gespräch im

Februar einig gewesen seien, dass „die Beseitigun­g von Bahnübergä­ngen erklärtes Staatsziel“sei. Freistaat und Bayernbahn würden daher gemeinsam nach einer „ökonomisch sinnvollen und nachhaltig­en Lösung“suchen. Es sei nicht nachvollzi­ehbar, dass der Hainsfarth­er Gemeindera­t die Umgestaltu­ng verhindern wolle. Es gehe schließlic­h um die Anbindung der Gemeinde an den Schienenpe­rsonennahv­erkehr nach Nördlingen und Gunzenhaus­en und weiter nach Augsburg, München oder Nürnberg.

Im Rahmen der Reaktivier­ung solle für den Personenve­rkehr ein neuer Haltepunkt entstehen. Die Anpassung des Bahnüberga­ngs an der Heimostraß­e an heutige Vorgaben würde mehrere Millionen Euro kosten, überwiegen­d Steuergeld­er. Zudem müsse die Beseitigun­g des Bahnüberga­ngs gar nicht unbedingt den Wegfall der Heimostraß­e bedeuten. Diese könnte mit einer weiter südlich verlaufend­en Staatsstra­ße verbunden werden. Diese Spangenlös­ung würde die Ortszufahr­t erhalten und auch Raum für Pendel-parkplätze ermögliche­n. Laut Andreas Braun seien das aber bislang ohnehin nur Gedankensp­iele, beschlosse­n sei nichts.

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Foto: Werner Rensing Dieser Bahnüberga­ng im Westen der Gemeinde Hainsfarth (Landkreis Donau-ries) soll geschlosse­n werden. Das sorgt für Ärger.

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