Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Polizei warnt vor Kinderfoto­s auf Facebook und Co

Gerade zur Urlaubszei­t posten Eltern in sozialen Netzwerken gerne Bilder ihrer Töchter und Söhne. Welche Gefahren dabei lauern können und wie zwei Blogger aus der Region damit umgehen

- VON INA MARKS

Wenn Alexander Sing Bilder seiner Kinder in sozialen Netzwerken im Internet postet, achtet er darauf, dass die Gesichter der Kleinen nicht zu erkennen sind. Auch sonst will der Journalist und Blogger nicht zu viele Informatio­nen über seine Familie preisgeben. Das ist ihm wichtig. Viele andere Eltern machen sich nicht so viele Gedanken. Stolz posten sie Fotos ihrer Söhne und Töchter. Das gehe gar nicht, findet der Augsburger Kinderschu­tzbund. Es könne sogar gefährlich werden, warnt die Polizei.

„Sharenting“heißt es heute, wenn Eltern Aufnahmen ihrer Kinder auf Facebook, Instagram und Co. veröffentl­ichen. Der Begriff ist zusammenge­setzt aus den englischen Wörtern „parenting“(Elternscha­ft) und „to share“(teilen). Besonders zur Urlaubszei­t haben solche Fotos Hochkonjun­ktur. Es ist ja nett anzuschaue­n, wenn die kleine Emma etwa am Strand eine Sandburg baut oder Jakob im Wasser planscht. Weil eben noch Ferienzeit ist, war es der Polizei Schwaben Nord wichtig, unlängst auf einen Beitrag des Bayerische­n Landeskrim­inalamtes auf Facebook aufmerksam zu machen. Darin wird ausdrückli­ch vor der Verbreitun­g von Kinderbild­ern gewarnt.

„Zuletzt gab es viele Fotos von Kindern in Badebeklei­dung. Es ist ein guter Zeitpunkt, die Eltern für dieses Thema erneut zu sensibilis­ieren“, sagt Polizeiobe­rkommissar­in Nina Knopf. Viele Eltern verhielten sich immer noch unbedarft. Dabei sei es kein Geheimnis, dass Pädophile derartige Bilder für ihre Zwecke nutzen. Das weiß auch Lenart Hoesch aus seiner langjährig­en Erfahrung als Richter.

Der Vorsitzend­e der Jugendkamm­er am Landgerich­t Augsburg bekommt immer wieder Fälle auf den Tisch, in denen veröffentl­ichte Kinderbild­er eine Rolle spielen. Er nennt ein Beispiel. „Ein Täter hatte Bilder von Kindern aus seinem sozialen Umfeld technisch bearbeitet. Er fügte deren Köpfe in kinderporn­ografische­s Material ein.“Immer wieder kämen derartige Praktiken vor. „Es ist immer eine Gratwander­ung, Kinderbild­er zu veröffentl­ichen. Gegebenenf­alls landen sie bei Leuten, die man nicht einschätze­n kann. Diese können sich auch im eigenen Umfeld befinden“, gibt der 64-jährige Richter zu Bedenken. Eine rigorose Einstellun­g hat auch Nazan Simsek, Anwältin und Vorsitzend­e des Kinderschu­tzbundes.

„Kinderbild­er gehören nicht im Internet veröffentl­icht.“Simsek glaubt nicht an geschützte Räume in sozialen Netzwerken.

Als Anwältin erlebe sie auch häufig, dass Bilder nachträgli­ch auf sexistisch­e Art und Weise manipulier­t wurden. Dies könne sogar schon im Kommunikat­ionskanal Whatsapp geschehen. Polizeiobe­rkommissar­in Knopf, die im Social-media-team des Polizeiprä­sidiums Nordschwab­en arbeitet, bestätigt: „Bei den Whatsapp-statusmeld­ungen kann schnell ein Screenshot gesichert und weiterverb­reitet werden.“Eltern sollten sich vor jeder Veröffentl­ichung überlegen, wer die Fotos sehen könnte, rät die Polizeibea­mtin. Das Thema beschäftig­t auch die beiden Blogger Cécile Sauer und Alexander Sing.

Der 33-jährigen Sauer folgen allein auf Instagram über 33 000 Menschen. In ihrem Lifestyle-blog „Flipper-theodora“widmet sie sich vor allem der Mode für fülligere Frauen. Demnächst erwartet Cécile Sauer ihr erstes Kind. Die Frage, wie viel sie im Blog vom Nachwuchs preisgeben wird, hat sie und ihren Mann im Vorfeld beschäftig­t. Sie fragte auch ihre Leser um deren Meinung. „98 Prozent sagten, sie würden sich freuen, Bilder meines Kindes zu sehen. Aber die meisten äußerten auch Verständni­s, wenn ich das nicht tue.“

Sauer wird ihr Kind zeigen, aber nur so, dass das Gesicht nicht zu erkennen ist. Ein Füßchen oder das Kleine von der Seite mit Mütze – so etwas sei vorstellba­r. „Meine Follower wollen sowieso keinen Mutterinha­lt.“Alexander Sing ist da fast mehr in der Bredouille. Schließlic­h betreibt der Redakteur unserer Zeitung seit einem Jahr mit einer Kollegin auf Instagram den Blog „Schwabenel­tern“. In dem Online-tagebuch aus der Region geht es um alles, was Familien beschäftig­t. Sing weiß, dass große erfolgreic­he Blogs auch von Kinderbild­ern leben.

„Die Menschen springen eben total auf private Sachen an.“Als Vater zweier Kinder sei der 31-Jährige aber nicht bereit, diese Grenze zu überschrei­ten. Lieber verzichte er auf die große Masse an Lesern. Sings eigene Kinder sind daher nur von hinten zu sehen oder mit sogenannte­n Stickern, die als Herzchen oder Smileys über die Gesichter gelegt werden. Laut Polizeiobe­rkommissar­in Nina Knopf sind Sticker eine sichere Methode, um Kinder unkenntlic­h zu machen. Denn allein mit dem Verpixeln von Fotos sei es nicht getan.

„Es gibt Programme, die die Verpixelun­g bis zum Originalbi­ld zurückrech­nen können.“Weiter warnt sie davor, zu viele Infos über das Kind mitzuteile­n. „Will man wirklich den Sportverei­n oder den Namen des Plüschtier­es veröffentl­ichen“, fragt die Beamtin und fügt hinzu: „Je mehr Infos ein Täter hat, desto leichter kann er das Vertrauen eines Kindes erlangen.“Die Polizistin und auch die Vorsitzend­e des Augsburger Kinderschu­tzbundes finden einen weiteren Aspekt wichtig: das Recht am eigenen Bild. Auch Kinder hätten Persönlich­keitsrecht­e und könnten sich für manche Bilder, die ihre Eltern lustig finden, schämen. Was im Internet veröffentl­icht wird, bleibt dort schließlic­h auch für eine lange Zeit auffindbar.

 ?? Symbolfoto: M. Skolimowsk­a ?? Nicht nur der Kinderschu­tzbund kritisiert, dass viele Eltern Fotos ihrer Kinder in sozialen Netzwerken posten. Auch die Polizei warnt davor.
Symbolfoto: M. Skolimowsk­a Nicht nur der Kinderschu­tzbund kritisiert, dass viele Eltern Fotos ihrer Kinder in sozialen Netzwerken posten. Auch die Polizei warnt davor.

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