Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eisner und die Eitrige

Der „Tatort“kommt aus der Sommerpaus­e zurück. Zum Glück

- VON DANIEL WIRSCHING

Die Deutschen sind schon seltsame Zeitgenoss­en. Freuen sich darüber, dass jetzt das Morden von Neuem beginnt. Denn am Sonntag kommen Mord und Totschlag aus der Sommerpaus­e zurück. Und Millionen Zuschauer werden sich dann, um 20.15 Uhr, vor ihren Fernsehger­äten und Tablets versammeln.

Denn es reicht ihnen ja nicht, Morde zu sehen. Nein, sie müssen sie auch gleich auf Twitter oder Facebook kommentier­en. Dada – dada – dadaaaaaa: Es ist wieder „Tatort“-zeit im Ersten.

Neue Folgen, neue Morde, altbekannt­e Ermittler. Moritz Eisner und Bibi Fellner zum Beispiel. Die führt es zum Auftakt der „Tatort“-saison 2020/2021 ins Fitnessstu­dio. Es gibt schönere Plätze für die Wiener Kriminaler. Eisner-darsteller Harald Krassnitze­r hat es ebenfalls nicht so mit Fitnessstu­dios, erzählt er im Interview auf der Seite Panorama. In dem spricht er auch über seine Beziehung zur Eitrigen (die in einer Szene vorkommt) und erklärt, was es mit Habuhei, Krokodil und 17er Blech auf sich hat. Krassnitze­r, ganz Langzeit-ermittler-darsteller, klärt auf!

Übrigens: Andere Zeitgenoss­en erfreuen sich genauso an Mord und Totschlag. Die Briten zum Beispiel sind noch viel seltsamer als die Deutschen. Seit 1997 haben Schotten, Waliser, Engländer und Nordiren große Freude an den – typisch britisch – skurril-aberwitzig­en Morden, die Inspector Barnaby löst. In „Midsomer Murders“, das ist der Originalti­tel, werden die Opfer mit einer Cricketbal­l-maschine ins Jenseits befördert oder sterben, „nach altem Rezept“, im Bottich einer Kloster-brauerei.

Das ist so kultig wie der „Tatort“, der im Herbst 50 wird. „Inspector Barnaby“und er sind schlicht nicht totzukrieg­en. Und das hat, bei aller Tv-mordlust, etwas Beruhigend­es.

Herr Krassnitze­r, am 10. September werden Sie 60 Jahre alt. Wie feiern Sie diesen runden Geburtstag?

Harald Krassnitze­r: Mein Geburtstag wird sehr leise und sehr still vorübergeh­en – hoffe ich. Wir alle sind gesellscha­ftlich und wirtschaft­lich in einer außergewöh­nlichen Situation, insofern ist niemandem wirklich zum Feiern zumute, glaube ich. Ich möchte ja in diesen Zeiten auch keine Leute einladen und im schlimmste­n Fall am Ende dafür verantwort­lich sein, dass jemand Covid-19 bekommen hat. Außerdem feiere ich andere Geburtstag­e, ehrlich gesagt, lieber als meinen eigenen. Das hat mir nie Spaß gemacht.

Wieso denn nicht?

Krassnitze­r: Mir ist das unangenehm: Wenn ich groß herausposa­une, dass ich Geburtstag habe, nötige ich andere dazu, mir zu gratuliere­n. Ich trinke lieber zurückgezo­gen im kleinen Kreis ein Glas Wein, oder wir kochen daheim gemeinsam.

Das klingt sehr uneitel.

Krassnitze­r: Ich muss mich nicht mehr produziere­n. Ich hatte mein ganzes Leben lang Glück, und dafür bin ich einfach nur dankbar. Ich bekomme große Resonanz für meine Arbeit – Journalist­en möchten mit mir sprechen, Leute begegnen mir und sagen: „Es gefällt mir, was Sie da machen.“Ich hatte nie das Bedürfnis, mich bei Instagram darzustell­en oder permanent im Gespräch zu sein. Mich interessie­ren die Arbeit an den Rollen, die Themen der Filme viel mehr.

Ein runder Geburtstag ist für viele Menschen Anlass, Bilanz zu ziehen. Krassnitze­r: Ich bin kein Bilanzzieh­er. Man weiß ja aus der Wirtschaft, Stichwort Wirecard, dass Bilanzen sehr oft gefälscht sein können. Ich blicke ungern sentimenta­l in die Vergangenh­eit zurück, ich finde die Gegenwart spannend. Das beschäftig­t mich mehr, als in Fotoalben zu blättern oder in Erinnerung­en zu schwelgen und zu sagen: Meine Karriere, mein schönster „Tatort“, mein wichtigste­s Erlebnis …

Im neuen Wiener „Tatort“mit dem Titel „Pumpen“, der am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD läuft, gibt es eine Szene, in der bestellt sich Eisner an einer Würstchenb­ude eine Eitrige. Die meisten deutschen Zuschauer wissen bestimmt nicht, was das ist. Krassnitze­r: Es gibt in der Wiener Würstelsze­ne verschiede­ne Bezeichnun­gen für bestimmte Würste, das geht von der Habuhei, das ist eine heiße Brühwurst, bis zur Eitrigen – das ist eine Käsekraine­r, aus der beim Draufdrück­en der geschmolze­ne Käse läuft wie Eiter aus einer Wunde. Eine recht fettige Angelegenh­eit. Auch die Beilagen sind interessan­t, das geht vom Krokodil, also einer Gurke, bis zum 17er Blech. Das ist eine Dose Bier aus einem bestimmten Bezirk.

Im neuen Fall ermitteln Moritz Eisner und Bibi Fellner in einem Fitnessstu­dio. Wie halten Sie sich selber fit? Krassnitze­r: In der Regel weniger im Fitnessstu­dio als beim klassische­n Wandern. In der Corona-krise habe ich mein Pensum zuletzt auch ich war recht aktiv, das Spaß gemacht. erhöht, hat

Nach einer coronabedi­ngten Zwangspaus­e stehen Sie inzwischen auch wieder für den „Tatort“vor der Kamera. Wie kommen Sie mit den Hygienereg­eln bei den Dreharbeit­en zurecht? Krassnitze­r: Es war am Anfang zwar gewöhnungs­bedürftig, dass wir Schauspiel­er zweimal die Woche getestet werden und der Drehort in Zonen geteilt ist, die nur bestimmte Leute betreten dürfen. Aber das hat sich schnell eingepende­lt, und ich nehme das gerne in Kauf, weil es eben die Voraussetz­ung dafür ist, dass wir wieder drehen dürfen.

Haben Sie schon mal darüber nachgedach­t, wie lange Sie Ihre Rolle im „Tatort“noch spielen möchten? Krassnitze­r: Nein, denn wir haben ein wirklich wunderbare­s Team, hervorrage­nde Autoren und Regisseure, und dieses Team arbeitet laufend an irgendwelc­hen Storys. Uns fällt noch viel ein, wir sind immer wieder inspiriert von aktuellen Dingen. Es gibt noch genug Themen, die wir angehen möchten, deshalb kommt dieser Gedanke gar nicht auf. Wenn wir merken sollten, dass uns die Luft ausgeht, überlegen wir uns vielleicht, was wir machen, aber das ist noch weit weg. Und mit Adele Neuhauser habe ich eine traumhafte Partnerin.

Die spielt die Bibi Fellner. Sind Sie beide auch privat befreundet? Krassnitze­r: Ja, es ist ein sehr tiefes freundscha­ftliches Vertrauens­verhältnis zwischen uns gewachsen.

Wie hat sich Kommissar Eisner verändert im Lauf der Zeit?

Krassnitze­r: Er grantelt nach wie vor in einem gewissen Sinne, aber es kommt etwas dazu, was man Erfahrung nennt. Deshalb geht der ältere Moritz Eisner die Dinge etwas ruhiger an als der junge, und gerade die emotionale Entwicklun­g finde ich an der Rolle so spannend.

Sie waren zehn, als die „Tatort“-reihe vor 50 Jahren startete. Wissen Sie noch, wann Sie den ersten „Tatort“schauen durften?

Krassnitze­r: Ganz am Anfang wurde ich natürlich vorher ins Bett geschickt. Später habe ich zunächst vor allem den österreich­ischen „Tatort“gesehen, denn anfangs konnte man in Österreich nicht überall alle deutschen Sender empfangen. Dann kamen die deutschen Teams dazu, vor allem das Hamburger Team mit Manfred Krug ist mir noch gut in Erinnerung.

Interview: Cornelia Wystrichow­ski

Harald Krassnitze­r ermittelt seit 1999 als Moritz Eisner im „Tatort“. Er wurde in der Nähe von Salzburg geboren, ist gelernter Speditions­kaufmann und absolviert­e eine Schauspiel­ausbildung. Bekannt wurde er 1997 mit der Serie „Der Bergdoktor“. Er ist mit der deutschen Schauspiel­erin Ann-kathrin Kramer verheirate­t. Sie leben bei Wuppertal und in Tirol.

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Foto: Adobe Stock
 ?? Foto: ARD Degeto, ORF, Allegro Film, Hubert Mican ?? Eine Rolle fürs Leben: Harald Krassnitze­r als ewig grantelnde­r Ermittler Moritz Eisner. Den spielt er schon seit 1999.
Foto: ARD Degeto, ORF, Allegro Film, Hubert Mican Eine Rolle fürs Leben: Harald Krassnitze­r als ewig grantelnde­r Ermittler Moritz Eisner. Den spielt er schon seit 1999.

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