Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Gurgeln gegen das Virus?
In Österreich wird mit einer Salzlösung als Corona-test experimentiert. Ein schwäbischer Allgemeinmediziner sieht noch größeres Potenzial in einer Gurgel-rezeptur
Augsburg Mundspülungen könnten das Corona-übertragungsrisiko senken – so steht es auf der Homepage der Ruhr-universität Bochum. Demnach haben handelsübliche Präparate einen Effekt auf Sarscov-2-viren. In Österreich wird eine bestimmte Salzlösung getestet, um eine Corona-infektion zu erkennen: Statt dem herkömmlichen Rachen-nasen-abstrich sollen Schüler und Lehrer gurgeln. Und auch in unserer Region sitzt ein Allgemeinmediziner, der seit langem vehement, aber bisher vergeblich auf die Wirkung eines Gurgelmittels hinweist. Was ist also dran am Gurgeln gegen Corona? Im Mund-rachen-raum von Covid-19-patienten können zum Teil hohe Viruslasten nachgewiesen werden, schreiben die Virologen der Ruhr-universität Bochum. Sie haben die Wirkung von acht handelsüblichen Mundspülungen gemeinsam mit Kollegen aus Ulm, Nürnberg, Jena, Duisburg-essen und Bremen getestet und sind zu dem Ergebnis gekommen: Alle getesteten Präparate verringerten demnach die Anzahl der Viren. Allerdings betonen die Forscher auch: Mundspülungen sind nicht zur Behandlung von Covid-19-erkrankungen geeignet. Toni Meister von der Uni
fasst es so zusammen: „Das Gurgeln mit einer Mundspülung kann nicht die Produktion der Viren in den Zellen hemmen.“Es könnte aber „die Viruslast kurzfristig dort senken, wo das Ansteckungspotenzial herkommt, nämlich im Mundrachen-raum“. Und das könnte in bestimmten Situationen wie beim Zahnarzt oder bei der medizinischen Versorgung von Covid-19-patienten nützlich sein. Allerdings fehle noch eine klinische Studie, sprich, es handelt sich bisher nur um Zellkulturexperimente; der Beleg in der Praxis mit Patienten steht noch aus. Ähnliche Arbeiten liefen auch bereits in San Francisco.
Auch Dr. Achim Neumayr sucht eine Klinik für eine Studie, die, wie er sich ausdrückt, „seine wissenschaftlich fundierten Überlegungen bestätigt“. Der Allgemeinmediziner, der eine Praxis in Villenbach im Landkreis Dillingen hat, beschäftigt sich schon seit Jahren mit Coronaviren. Begonnen hat alles, als er noch bei der Bundeswehr und dort unter anderem zuständig für Abcfragen war – also für Fragen der Abwehr atomarer, biologischer oder chemischer Kampfmittel – und im Katastrophenschutz. Auch als praktizierender Allgemeinmediziner ist die Molekularbiologie die Leidenschaft des 68-Jährigen geblieben. Und wie die Bochumer Wissenschaftler setzt auch seine Methode im Mund-rachen-raum an: „Ich bin überzeugt davon, dass man der Pandemie an ihrem physiologischen Hotspot, dem Rachen, am wirksamsten begegnen kann“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Sein Vorschlag hört sich simpel an: Er ließ von einem bayerischen Apotheker eine Rezeptur erstellen, die Alkohol und Wasserstoffperoxid (H2O2) enthalte. Nicht, weil er Geschäfte damit machen will, wie er betont, sondern weil er schon sehr früh die großen Gefahren von Coronaviren gesehen hat. „H2O2 setzt im Mund und Rachen reaktiven Sauerstoff frei und hemmt damit die Vermehrung von Viren an der Eintrittspforte. Alkohol ergänzt diesen Effekt“, erklärt er seine Methode, die schon vielen Patienten in der Praxis geholfen habe und in Firmen in der Region, in denen er als Betriebsarzt tätig ist, erfolgreich eingesetzt werde. Neumayr ist sich sicher, dass mit Gurgeln einer solchen Lösung das Andocken der Viren an die Zellen im Rachen verhindert werden kann.
Zur Vorsicht mahnt dagegen Professor Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie der München Klibochum nik Schwabing. Die Ansätze, mit Mundspülungen dem Virus zu Leibe zu rücken, müssten zunächst sauber wissenschaftlich belegt werden, betont er. Erst dann ließen sich belastbare Aussagen zur Wirksamkeit machen. Dennoch macht es auch für den erfahrenen Immunologen Sinn, beim Kampf gegen Corona dem Mund-rachen-raum besondere Beachtung zu schenken. Allerdings sei zum einen auch die Nase als wichtiger Verbreitungsort der Viren zu berücksichtigen, zum anderen betont er, sei es bisher nicht nachgewiesen, dass eine Verringerung der Virenanzahl im Mund-rachenraum auf den Verlauf der Krankheit Einfluss hat, sie dann also milder verläuft.
Da aber eine gute Mundhygiene tatsächlich vielversprechend ist, läuft an der München Klinik Schwabing ein Projekt zusammen mit der Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Technischen Universität München. Nicht die Wirkung von Mundspülungen gegen Coronaviren wird dort getestet, sondern der Effekt, der ganz normales Zähneputzen mit herkömmlicher Bürste und handelsüblicher Zahnpasta bei der Virenbekämpfung hat. „Denn Sie glauben ja gar nicht, wie viele Kinder allein ohne Zähneputzen am Morgen in die Schule kommen“, sagt Professor Wendtner.
In München wird der Effekt des Zähneputzens getestet