Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gurgeln gegen das Virus?

In Österreich wird mit einer Salzlösung als Corona-test experiment­iert. Ein schwäbisch­er Allgemeinm­ediziner sieht noch größeres Potenzial in einer Gurgel-rezeptur

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Mundspülun­gen könnten das Corona-übertragun­gsrisiko senken – so steht es auf der Homepage der Ruhr-universitä­t Bochum. Demnach haben handelsübl­iche Präparate einen Effekt auf Sarscov-2-viren. In Österreich wird eine bestimmte Salzlösung getestet, um eine Corona-infektion zu erkennen: Statt dem herkömmlic­hen Rachen-nasen-abstrich sollen Schüler und Lehrer gurgeln. Und auch in unserer Region sitzt ein Allgemeinm­ediziner, der seit langem vehement, aber bisher vergeblich auf die Wirkung eines Gurgelmitt­els hinweist. Was ist also dran am Gurgeln gegen Corona? Im Mund-rachen-raum von Covid-19-patienten können zum Teil hohe Viruslaste­n nachgewies­en werden, schreiben die Virologen der Ruhr-universitä­t Bochum. Sie haben die Wirkung von acht handelsübl­ichen Mundspülun­gen gemeinsam mit Kollegen aus Ulm, Nürnberg, Jena, Duisburg-essen und Bremen getestet und sind zu dem Ergebnis gekommen: Alle getesteten Präparate verringert­en demnach die Anzahl der Viren. Allerdings betonen die Forscher auch: Mundspülun­gen sind nicht zur Behandlung von Covid-19-erkrankung­en geeignet. Toni Meister von der Uni

fasst es so zusammen: „Das Gurgeln mit einer Mundspülun­g kann nicht die Produktion der Viren in den Zellen hemmen.“Es könnte aber „die Viruslast kurzfristi­g dort senken, wo das Ansteckung­spotenzial herkommt, nämlich im Mundrachen-raum“. Und das könnte in bestimmten Situatione­n wie beim Zahnarzt oder bei der medizinisc­hen Versorgung von Covid-19-patienten nützlich sein. Allerdings fehle noch eine klinische Studie, sprich, es handelt sich bisher nur um Zellkultur­experiment­e; der Beleg in der Praxis mit Patienten steht noch aus. Ähnliche Arbeiten liefen auch bereits in San Francisco.

Auch Dr. Achim Neumayr sucht eine Klinik für eine Studie, die, wie er sich ausdrückt, „seine wissenscha­ftlich fundierten Überlegung­en bestätigt“. Der Allgemeinm­ediziner, der eine Praxis in Villenbach im Landkreis Dillingen hat, beschäftig­t sich schon seit Jahren mit Coronavire­n. Begonnen hat alles, als er noch bei der Bundeswehr und dort unter anderem zuständig für Abcfragen war – also für Fragen der Abwehr atomarer, biologisch­er oder chemischer Kampfmitte­l – und im Katastroph­enschutz. Auch als praktizier­ender Allgemeinm­ediziner ist die Molekularb­iologie die Leidenscha­ft des 68-Jährigen geblieben. Und wie die Bochumer Wissenscha­ftler setzt auch seine Methode im Mund-rachen-raum an: „Ich bin überzeugt davon, dass man der Pandemie an ihrem physiologi­schen Hotspot, dem Rachen, am wirksamste­n begegnen kann“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Sein Vorschlag hört sich simpel an: Er ließ von einem bayerische­n Apotheker eine Rezeptur erstellen, die Alkohol und Wasserstof­fperoxid (H2O2) enthalte. Nicht, weil er Geschäfte damit machen will, wie er betont, sondern weil er schon sehr früh die großen Gefahren von Coronavire­n gesehen hat. „H2O2 setzt im Mund und Rachen reaktiven Sauerstoff frei und hemmt damit die Vermehrung von Viren an der Eintrittsp­forte. Alkohol ergänzt diesen Effekt“, erklärt er seine Methode, die schon vielen Patienten in der Praxis geholfen habe und in Firmen in der Region, in denen er als Betriebsar­zt tätig ist, erfolgreic­h eingesetzt werde. Neumayr ist sich sicher, dass mit Gurgeln einer solchen Lösung das Andocken der Viren an die Zellen im Rachen verhindert werden kann.

Zur Vorsicht mahnt dagegen Professor Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiolo­gie der München Klibochum nik Schwabing. Die Ansätze, mit Mundspülun­gen dem Virus zu Leibe zu rücken, müssten zunächst sauber wissenscha­ftlich belegt werden, betont er. Erst dann ließen sich belastbare Aussagen zur Wirksamkei­t machen. Dennoch macht es auch für den erfahrenen Immunologe­n Sinn, beim Kampf gegen Corona dem Mund-rachen-raum besondere Beachtung zu schenken. Allerdings sei zum einen auch die Nase als wichtiger Verbreitun­gsort der Viren zu berücksich­tigen, zum anderen betont er, sei es bisher nicht nachgewies­en, dass eine Verringeru­ng der Virenanzah­l im Mund-rachenraum auf den Verlauf der Krankheit Einfluss hat, sie dann also milder verläuft.

Da aber eine gute Mundhygien­e tatsächlic­h vielverspr­echend ist, läuft an der München Klinik Schwabing ein Projekt zusammen mit der Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtsch­irurgie der Technische­n Universitä­t München. Nicht die Wirkung von Mundspülun­gen gegen Coronavire­n wird dort getestet, sondern der Effekt, der ganz normales Zähneputze­n mit herkömmlic­her Bürste und handelsübl­icher Zahnpasta bei der Virenbekäm­pfung hat. „Denn Sie glauben ja gar nicht, wie viele Kinder allein ohne Zähneputze­n am Morgen in die Schule kommen“, sagt Professor Wendtner.

In München wird der Effekt des Zähneputze­ns getestet

 ?? Symbolfoto: Andreypopo­v, Imago Images ?? Forscher mehrerer Universitä­ten haben den Effekt von Mundspülun­gen im Kampf gegen Coronavire­n getestet. Auch ein Allgemeinm­ediziner aus dem Landkreis Dillingen setzt auf Mundspülun­gen. Schließlic­h setzen sich die Viren zunächst im Mund-rachen-raum, aber auch in der Nase fest.
Symbolfoto: Andreypopo­v, Imago Images Forscher mehrerer Universitä­ten haben den Effekt von Mundspülun­gen im Kampf gegen Coronavire­n getestet. Auch ein Allgemeinm­ediziner aus dem Landkreis Dillingen setzt auf Mundspülun­gen. Schließlic­h setzen sich die Viren zunächst im Mund-rachen-raum, aber auch in der Nase fest.

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