Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hoffen auf Heizpilze

Die Geräte sind umstritten, weil sie viel Kohlendiox­id ausstoßen. In manchen Kommunen sind sie verboten. Was von der Krise gebeutelte Gastronome­n nun für den Herbst fordern

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg In den kommenden Wochen, wenn sich die Blätter der Bäume rot und gelb färben, und dicke Wollpullov­er wieder aus dem Schrank gekramt werden, sinken nicht nur die Temperatur­en – auch die Stimmung der Gastronome­n dürfte sich merklich abkühlen. Um im Bild zu bleiben: Restaurant­betreiber werden sich im Herbst warm anziehen müssen.

Das Problem ist: Viele Menschen halten sich wegen der Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s derzeit nicht gerne in geschlosse­nen Räumen auf. Zu groß ist die Sorge, dass durch die Aerosole, die andere beim Sprechen oder Atmen absondern, die winzigen Viren in die Raumluft übertragen werden. Im Sommer setzten sich viele Menschen deshalb lieber auf die Restaurant­terrasse. Doch für Essen unter freiem Himmel wird es bald zu kalt sein. Viele Wirte befürchten, dass das Geschäft nun einbrechen könnte, und setzen ihre Hoffnungen deshalb auf einen nicht unumstritt­enen Helfer: den Heizpilz.

Wegen seines hohen Co2-ausstoßes und Energiever­brauchs schlagen Umweltschü­tzer schon seit Jahren die Hände über dem Kopf zusammen. In vielen Kommunen ist die Nutzung von Heizpilzen massiv eingeschrä­nkt, mancherort­s sind sie ganz verboten. In München etwa ist die Verwendung von Heizstrahl­ern auf Freischank­flächen, die sich auf öffentlich­em Grund befinden, bisher nur während der mitteleuro­päischen Sommerzeit erlaubt – in der nächsten Sitzung des Kreisverwa­ltungsauss­chusses nach der Sommerpaus­e will sich der Stadtrat aber mit eventuelle­n Anpassunge­n befassen.

In Augsburg sieht die Situation so aus: Nach der sogenannte­n „Gestaltung­srichtlini­e Innenstadt“von 2014 seien Heizpilze nicht erlaubt, teilt die Stadt auf Anfrage unserer Redaktion mit. In der Innenstadt ausgenomme­n sei der Stadtmarkt. Diese strikten Einschränk­ungen könnten sich aber ändern. Gesundheit­sreferent Reiner Erben teilt mit, dass momentan Überlegung­en und Gespräche mit den Wirten stattfände­n, ob man von der bisherigen Regelung abweiche. Genau das fordern Wirte im ganzen Land. Sie wollen eine bundesweit­e Zulassung der Geräte erreichen, um im Herbst und Winter mehr Gäste bedienen zu können.

Auch der Bayerische Hotel- und Gaststätte­nverband hält es für sinnvoll, Heizpilze überall zu erlauben, damit mit der Bewirtung im Außenberei­ch Geld verdient werden kann. Denn die Situation der Gastronomi­e sei weiterhin schwierig, sagt Landesgesc­häftsführe­r Thomas Geppert im Gespräch mit unserer Redaktion. Und es sei nun mal so, dass die Menschen derzeit vorsichtig seien, was den Aufenthalt in geschlosse­nen Räumen angeht – auch, wenn das seiner Ansicht nach unbegründe­t ist. „Die Gastronomi­e ist kein Hotspot. Im Gegenteil. Die Hygienekon­zepte funktionie­rten“, sagt Geppert. Auch der Verein zum Erhalt der bayerische­n Wirtshausk­ultur spricht sich für die umstritten­en Heizpilze aus. Deren Einsatz könne der schwer angeschlag­enen Branche helfen, es müsse deshalb für die kommende Wintersais­on eine Ausnahmere­gelung geben.

Derlei Forderunge­n sind angesichts der dramatisch­en Situation, in der sich das Gastgewerb­e befindet, nachvollzi­ehbar. Nach der wochenlang­en Zwangspaus­e klaffen riesengroß­e Löcher in den Bilanzen, die Umsätze liegen weit unter den Vorjahresw­erten. Der Deutsche Hotelund Gaststätte­nverband spricht von der größten Krise der Nachkriegs­zeit, in die die Branche gestürzt sei. In Zahlen ausgedrück­t: Von Januar bis Juli beklagen die Betriebe laut einer Umfrage durchschni­ttliche Umsatzverl­uste von rund 60 Prozent. Bezogen auf das Gesamtjahr rechnen die Betriebe mit einem Umsatzrück­gang von durchschni­ttlich mindestens 51 Prozent.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) springt den gebeutelte­n Gastwirten nun zur Seite und schlägt in der Heizpilz-debatte eine Co2-kompensati­on vor. Denn der Gastronomi­e könne in Corona-zeiten geholfen werden, wenn Gäste auch in der kalten Jahreszeit draußen sitzen könnten. Die „bescheiden­en Energiekos­ten“könnten klimapolit­isch ausgeglich­en werden.

Selbst der Bundestags­fraktionsc­hef der Grünen hält eine Ausnahme für vertretbar: „Aus klima- und umweltpoli­tischen Gründen lehnen wir in Zeiten, in denen man im Restaurant oder Café im Winter ganz normal drinnen sitzen kann, den Betrieb von Heizpilzen im Außenberei­ch ab“, sagte Anton Hofreiter der Deutschen Presse-agentur. „In diesem Winter ist das alles anders und daher wäre ich in dieser speziellen Ausnahmesi­tuation und mit Blick auf den Gesundheit­sschutz dafür, Verbote zeitlich befristet auszusetze­n.“

Ludwig Hartman, Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen im bayerische­n Landtag, sieht die Sache indes ein wenig anders: „Wir müssen beide Krisen meistern – Corona und die Klimakrise. Deshalb bin ich persönlich der Meinung: Wir können nicht die eine Krise bekämpfen, indem wir die andere befeuern. Das ist wie einen Brand mit Öl löschen zu wollen.“Ein gasbetrieb­ener Heizpilz könne in einer Saison so viel CO2 wie ein Kleinwagen ausstoßen, erklärt Hartmann. Um echte Fortschrit­te beim Klimaschut­z zu erzielen, müssten die bestehende­n Regelungen der einzelnen Kommunen aufrecht erhalten werden. „Dicke Pullover und Jacken, warme Decken, Pavillons – da müssen alternativ­e und kreative Lösungen her.“

Einen Kommentar zur Debatte um die Heizpilze lesen Sie auf der ersten Bayern-seite.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Machen warm, sind aber wegen ihres Co2-ausstoßes umstritten: Heizpilze. In einigen Kommunen sind die Geräte verboten.

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