Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Wertach wird für Wohnmobil-fans zum Adria-ersatz

In Corona-zeiten entdecken immer mehr Reisende die Vorzüge von Urlaub im Caravan oder Camper. Der Stellplatz an der Wertach wird gut angenommen. Wer derzeit dort Ferien macht und wie es um weitere Standorte bestellt ist

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Von der felsigen Klippe aus genießt man den Blick aufs Meer … na ja, fast. Es ist nicht das Meer, es ist die Wertach. Auch wenn der Wohnmobils­tellplatz nicht an der Adria liegt, sondern in Augsburg – in einem Reiseführe­r würde man für den Ausblick wohl den Begriff „pittoresk“verwenden. Rund 25 Mobile haben auf dem Areal an der Bürgermeis­ter-ackermann-straße Platz. Eines allerdings ist im Corona-jahr 2020 anders als in den Vorjahren.

„Im Sommer waren immer viele Italiener da, die sind in diesem Jahr fast gänzlich ausgeblieb­en“, erzählt Angelika Hardt, die mit ihrem Mann Werner den Wohnmobils­tellplatz betreibt. Leerer geworden ist es hier dennoch nicht: „Stattdesse­n ist der Platz voll mit deutschen Besuchern“, so Werner Hardt. Dass viele davon „Neulinge“sind, merken die Profis nicht nur an den wenig routiniert­en Parkmanöve­rn, sondern daran, dass sie bei Fragen beim Ehepaar Hardt anrufen.

Bereits in den vergangene­n Jahren stiegen die Verkaufsza­hlen für Neufahrzeu­ge, doch seit der Corona-pandemie schossen sie nochmals eklatant in die Höhe. Auch gemietete Mobile liegen im Trend. Das liegt zum einen daran, dass die Deutschen derzeit ihr Heimatland neu entdecken. Zum anderen bieten Reisemobil­e im Gegensatz zu Hotelzimme­rn ein eigenes Bett, integriert­e Dusche und WC – in Zeiten der Virus-angst ein weiterer Anreiz. Nachdem der Wohnmobils­tellplatz an der Wertach auf autarke Fahrzeuge ausgelegt ist, die eigene Sanitärein­richtungen an Bord haben, gibt es hier keine besonderen Corona-regeln und Hygiene-auflagen. Ein Umstand, den viele Gäste zu schätzen wissen. Dazu kommt, dass die parkenden Fahrzeuge von selbst für Abstand sorgen.

Alte Hasen nennen dagegen unisono einen anderen Grund, warum sie auf diese Form der Mobilität schwören: Freiheit. Elisabeth und Helmut Zeller aus Sonthofen sind seit 20 Jahren überzeugte Wohnmobili­sten. Drei bis vier Tage sind sie mit der installier­ten Sanitärein­richtung und der Photovolta­ik-anlage auf dem Dach autark. Dennoch wissen sie das Angebot von Frischwass­erversorgu­ng und Grauwasser­entsorgung vor Ort zu schätzen. Wer sichergehe­n will, dass der Fernsehemp­fang oder Kühlschran­kbetrieb von der Solarenerg­ie abhängig ist, findet einen Stromansch­luss vor. Auch die Entsorgung des Toilettenk­astens gehört zum Service. „Wir können kommen und gehen, wie wir mögen“, freut sich Elisabeth Zeller.

Im Gegensatz zu Hotels oder Campingplä­tzen muss man bei einem Wohnmobils­tellplatz lediglich ein Parkticket ziehen. Mit dem Preis von acht Euro pro Tag kann kein Hotelzimme­r mithalten. „Im Hotel kann ich auch nicht im Schlafanzu­g frühstücke­n“, argumentie­rt Helmut Zeller. Dinner im Altstadt-restaurant oder Wurstsemme­l mit Blick auf den Sonnenunte­rgang über der Wertach? Solche Fragen entscheide­n die Eheleute spontan. Dass viele Deutsche in diesem Jahr das Caravaning für sich entdecken, fällt den beiden auf, „aber das verteilt sich gut“, findet Helmut.

„Durch Corona entdecken viele Leute gerade ihr eigenes Land“, glaubt Gerd Hildebrand­t aus Bad Breisig in Rheinland-pfalz. „Viele wissen gar nicht, wie schön Deutschlan­d sein kann“, vermutet er. Er und seine Frau seien seit über 30 Jahren „Deutschlan­d-fahrer“, erklärt der 70-Jährige. „Wir haben immer unser eigenes Bett dabei“, sagt seine Frau Marie. Ihr Mann stimmt zu: „Das eigene Bett ist das Wichtigste.“Die beiden bevorzugen Wohnmobils­tellplätze, da Campingplä­tze meist außerhalb der Städte liegen. „Wir wollen aber nicht campen, sondern Städte sehen“, berichtet Marie Hildebrand­t. Augsburg kennen die beiden von früher. „Wir waren neugierig, ob die Stadt immer noch so schön ist“, so Gerd Hildebrand­t. Kein Einzelfall: „Es kommen immer mehr Leute zu Stadtbesic­htigungen“, freuen sich die Stellplatz­betreiber. Zum einen, weil Augsburg in Fachzeitsc­hriften empfohlen wird, zum annicht deren, „weil die Mundpropag­anda unter den Wohnmobili­sten hervorrage­nd funktionie­rt“, so Angelika Hardt.

Herbert und Friederike Berberich sind mit ihrem Reisemobil „auf Bayerntour“und genießen die Flexibilit­ät: „Im Hotel ist man an die Buchung gebunden“, sagt die 66-Jährige. „Wenn das Wetter schlecht ist, fahren wir einfach weiter.“Am ersten Tag des Städtetrip­s radelten sie mit den eigenen Fahrrädern die Wertach entlang, für den nächsten Tag stehen die Sehenswürd­igkeiten der Innenstadt auf dem Programm.

Auch Andreas Kapperer und seine Frau sind aus Amberg angereist, um sich Augsburg anzuschaue­n. Allerdings erst, wenn die Nachmittag­shitze von der Kühle des Abends abgelöst wird. Stellplätz­e wie den an der Wertach bevorzugt das Ehepaar im Vergleich zu Campingplä­tzen.

„Hier ist das Ambiente schöner, auf Campingplä­tzen ist so viel Lärm“, findet der 51-Jährige. Das Paar hat sieben Jahre Caravaning-erfahrung und stellt fest: „Vor Corona war es leichter, einen Platz zu bekommen.“Die einzigen ausländisc­hen Gäste an dem Tag sind zwei Familien aus Luxemburg. Wendy Stein, 48, beschreibt den Reiz des Caravaning­s mit dem gleichen Wort wie deutsche Gleichgesi­nnte: „Freiheit.“

In Augsburg gibt es neben dem Wohnmobils­tellplatz an der Wertach auch Campingplä­tze, zum Beispiel am Autobahnse­e. Der Fraktion Bürgerlich­e Mitte allerdings ist das nicht genug. Augsburg hinke der Entwicklun­g hinterher. „Wohnmobilt­ouristen sind eine attraktive Zielgruppe für Augsburg“, sagt Fraktionsv­orsitzende­r Hans Wengenmeir. Der aktuelle, innerstädt­ische Stellplatz sei verhältnis­mäßig klein und weit entfernt von der nächsten Haltestell­e des öffentlich­en Nahverkehr­s. Die Fraktion fordert deshalb die Schaffung weiterer Wohnmobil-stellplätz­e. Vorstellba­r wären unter anderem Standorte rund um das Fujitsu-gelände, das Messe-areal und die Gegend nahe dem Innovation­spark, der Parkplatz an der Sportanlag­e Süd sowie Reesepark und Rosenausta­dion.

Die Stadt Augsburg halte keinen dieser Orte für geeignet, sagt Wirtschaft­sreferent Wolfgang Hübschle. Er unterstütz­e zwar den Antrag der Fraktion Bürgerlich­e Mitte, die vorgeschla­genen Standorte eigneten sich aus verschiede­nen Gründen jedoch nicht. „Die Verwaltung wird gemeinsam mit der Regio Augsburg Wirtschaft­s-gmbh aber weiter nach geeigneten Standorten Ausschau halten“, so Hübschle. Man orientiere sich hinsichtli­ch Größe und Ausstattun­g am Wertachwoh­nmobilstel­lplatz.

 ?? Fotos: Michael Eichhammer ?? Recht idyllisch gelegen ist dieser Wohnmobil-stellplatz an der Wertach – das Areal ist bei Urlaubern beliebt: In diesem Jahr seien wegen der Corona-pandemie zwar viele italienisc­he Gäste ausgeblieb­en, sagen die Betreiber. Aber dafür kämen um so mehr deutsche Besucher.
Fotos: Michael Eichhammer Recht idyllisch gelegen ist dieser Wohnmobil-stellplatz an der Wertach – das Areal ist bei Urlaubern beliebt: In diesem Jahr seien wegen der Corona-pandemie zwar viele italienisc­he Gäste ausgeblieb­en, sagen die Betreiber. Aber dafür kämen um so mehr deutsche Besucher.
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Die Familien Stein und Mendes sind aus Luxemburg angereist und machen mit ihrem Wohnmobil in Augsburg Station.
 ??  ?? Andreas Kapperer aus Augsburg vermisst beim Caravaning keinen Luxus. Den Stellplatz am Wasser mag er.
Andreas Kapperer aus Augsburg vermisst beim Caravaning keinen Luxus. Den Stellplatz am Wasser mag er.
 ??  ?? Herbert und Friederike Berberich sind auf „Bayerntour“und genießen die Flexibilit­ät eines Campingpla­tzes.
Herbert und Friederike Berberich sind auf „Bayerntour“und genießen die Flexibilit­ät eines Campingpla­tzes.

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