Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Seit 25 Jahren für alte Menschen im Einsatz
Die Senioren-fachberatungen sind in den Augsburger Stadtteilen fest verankert. Zwei Mitarbeiterinnen erzählen von ihren vielfältigen Aufgaben – und warum sie trotz Corona Hausbesuche machen
Die Arbeit von Katja Dettling steckt voller Überraschungen – und Herausforderungen. Eigentlich sollte sie nur bei einem älteren Herrn vorbeischauen, weil sein Arzt eine Haushaltshilfe für ihn anregt. Doch als die Seniorenfachberaterin bei ihrem Klienten eintrifft, merkt sie schnell, dass viel mehr im Argen ist: Die Wohnung ist völlig verwahrlost, der Mann verwirrt, ungeöffnete Briefe mit unbezahlten Rechnungen liegen herum.
Dettling weiß, dass es mit einem Besuch nicht getan ist und sie – wie so oft – auf ihr engmaschiges Netzwerk zurückgreifen muss, um dem dementen 85-Jährigen aus seiner misslichen Lage zu befreien. „Ursprünglich wollte ich diesen Job nur ein oder zwei Jahre machen, jetzt bin ich 21 Jahre dabei und erlebe immer noch neue Konstellationen und Entwicklungen.“
Die 50-jährige Sozialpädagogin kennt die Geschichte der Augsburger Seniorenfachberatung fast von Beginn. Der städtische Sozialplaner Klaus Kneißl zählt zu den „Gründungsvätern“und erinnert sich gut an die Anfänge vor 25 Jahren. Die damalige Sozialreferentin Margarete Rohrhirsch-schmid habe trotz der Widerstände ihrer eigenen Csufraktion durchgesetzt, die sechs Altenservicezentren in der Stadt aufzulösen und an ihrer Stelle zwölf Versorgungsregionen einzurichten.
Mittlerweile sind zu dem Dutzend Beratungsstellen fünf verschiedener Träger (ASB, AWO, Caritas, Diakonie und Rotes Kreuz) zwei weitere für Senioren mit osteuropäischem beziehungsweise islamischem Migrationshintergrund hinzugekommen. Dass ihr Einzugsgebiet räumlich begrenzt ist, empfindet Angela Kemming aus dem Herrenbach als Vorteil. Durch die Verwurzelung im Stadtteil komme sie nicht
leichter an ihre Klienten heran, sondern kenne auch Ärzte, Apotheken und andere Stützpfeiler für ältere Menschen. Darüber hinaus hat sie wie ihre Kolleginnen und Kollegen viele weitere Partner an der Hand – von der Rentenversicherung bis zur Schuldenberatung. „Wir sind Lotsen im Sozialdschungel und haben mit der ganzen Palette des menschlichen Lebens zu tun“, sagt Kemming. Rüstige Senioren wenden sich ihren Fragen direkt an die Fachberatungen. Häufig kommt der Erstkontakt aber über (überforderte) Angehörige oder Ärzte zustande. „Oder es rufen Nachbarn eines dementen Seniors an, der Tag und Nacht an ihrer Tür klingelt“, schildert Dettling ein typisches Szenario, das sie aktiv werden lässt. In diesen Fällen brauche niemand Angst zu haben, gegen den Datenschutz zu verstoßen, stellt die Carinur tas-mitarbeiterin klar. Hier gehe es darum, einem Hilfsbedürftigen beizustehen.
Katja Dettling fungiert zusammen mit Angela Kemming von der Arbeiterwohlfahrt als Sprecherinnen der Seniorenfachberatung. Beide haben festgestellt, dass die Problemlagen in den vergangenen Jahren komplexer geworden sind. „Es gibt viel mehr Hochbetagte als früher, die noch zu Hause leben.“Ältemit re zögen nur dann ins Heim, wenn es gar nicht mehr anders gehe.
Dass die Menschen immer älter werden, merken auch die Fachberatungen: Sie betreuten im vergangenen Jahr rund 4000 Klienten – vom kurzen Telefonat bis zum Beistand über mehrere Monate hinweg. Der Anteil der Hausbesuche hat zugenommen. Trotz Corona finden diese auch aktuell statt – mit Maske und Abstand. Auf den persönlichen Kontakt zu verzichten kommt für Kemming nicht infrage: „Auch wenn es eine Gratwanderung ist, die Leute brauchen das Gefühl, dass jemand
Die Altersarmut nimmt immer mehr zu
für sie da ist.“Überhaupt werde die Zahl der allein lebenden Senioren immer größer. „Viele haben auch keine Angehörigen mehr.“Und viele seien in existenzieller Not, da die Altersarmut immer mehr zunehme.
Ein weiteres Problem sei die Schwierigkeit, eine Haushaltshilfe für die Senioren zu finden oder einen Platz in der Kurzzeitpflege – etwa nach einem Krankenhausaufenthalt. Letzteres Problem habe sich durch die Pandemie noch verschärft. All das trägt dazu bei, dass die 14 Beratungsstellen mehr als genug zu tun haben. Der Austausch ist laut Katja Dettling gut: „Wir arbeiten so eng zusammen, dass uns gar nicht bewusst ist, dass wir verschiedene Träger sind.“
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Jubiläum Die Seniorenfachberatungen feiern ihr 25-jähriges Bestehen mit einem Aktionsnachmittag auf dem Willybrandt-platz. Gespräche und Informationen rund ums Älterwerden sind dort am Donnerstag, 1. Oktober, von 13 bis 16 Uhr möglich. Alle Anlaufstellen sind im Internet unter www.seniorenfachberatungen-augsburg.de zu finden.