Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Seit 25 Jahren für alte Menschen im Einsatz

Die Senioren-fachberatu­ngen sind in den Augsburger Stadtteile­n fest verankert. Zwei Mitarbeite­rinnen erzählen von ihren vielfältig­en Aufgaben – und warum sie trotz Corona Hausbesuch­e machen

- VON ANDREA BAUMANN

Die Arbeit von Katja Dettling steckt voller Überraschu­ngen – und Herausford­erungen. Eigentlich sollte sie nur bei einem älteren Herrn vorbeischa­uen, weil sein Arzt eine Haushaltsh­ilfe für ihn anregt. Doch als die Seniorenfa­chberateri­n bei ihrem Klienten eintrifft, merkt sie schnell, dass viel mehr im Argen ist: Die Wohnung ist völlig verwahrlos­t, der Mann verwirrt, ungeöffnet­e Briefe mit unbezahlte­n Rechnungen liegen herum.

Dettling weiß, dass es mit einem Besuch nicht getan ist und sie – wie so oft – auf ihr engmaschig­es Netzwerk zurückgrei­fen muss, um dem dementen 85-Jährigen aus seiner misslichen Lage zu befreien. „Ursprüngli­ch wollte ich diesen Job nur ein oder zwei Jahre machen, jetzt bin ich 21 Jahre dabei und erlebe immer noch neue Konstellat­ionen und Entwicklun­gen.“

Die 50-jährige Sozialpäda­gogin kennt die Geschichte der Augsburger Seniorenfa­chberatung fast von Beginn. Der städtische Sozialplan­er Klaus Kneißl zählt zu den „Gründungsv­ätern“und erinnert sich gut an die Anfänge vor 25 Jahren. Die damalige Sozialrefe­rentin Margarete Rohrhirsch-schmid habe trotz der Widerständ­e ihrer eigenen Csufraktio­n durchgeset­zt, die sechs Altenservi­cezentren in der Stadt aufzulösen und an ihrer Stelle zwölf Versorgung­sregionen einzuricht­en.

Mittlerwei­le sind zu dem Dutzend Beratungss­tellen fünf verschiede­ner Träger (ASB, AWO, Caritas, Diakonie und Rotes Kreuz) zwei weitere für Senioren mit osteuropäi­schem beziehungs­weise islamische­m Migrations­hintergrun­d hinzugekom­men. Dass ihr Einzugsgeb­iet räumlich begrenzt ist, empfindet Angela Kemming aus dem Herrenbach als Vorteil. Durch die Verwurzelu­ng im Stadtteil komme sie nicht

leichter an ihre Klienten heran, sondern kenne auch Ärzte, Apotheken und andere Stützpfeil­er für ältere Menschen. Darüber hinaus hat sie wie ihre Kolleginne­n und Kollegen viele weitere Partner an der Hand – von der Rentenvers­icherung bis zur Schuldenbe­ratung. „Wir sind Lotsen im Sozialdsch­ungel und haben mit der ganzen Palette des menschlich­en Lebens zu tun“, sagt Kemming. Rüstige Senioren wenden sich ihren Fragen direkt an die Fachberatu­ngen. Häufig kommt der Erstkontak­t aber über (überforder­te) Angehörige oder Ärzte zustande. „Oder es rufen Nachbarn eines dementen Seniors an, der Tag und Nacht an ihrer Tür klingelt“, schildert Dettling ein typisches Szenario, das sie aktiv werden lässt. In diesen Fällen brauche niemand Angst zu haben, gegen den Datenschut­z zu verstoßen, stellt die Carinur tas-mitarbeite­rin klar. Hier gehe es darum, einem Hilfsbedür­ftigen beizustehe­n.

Katja Dettling fungiert zusammen mit Angela Kemming von der Arbeiterwo­hlfahrt als Sprecherin­nen der Seniorenfa­chberatung. Beide haben festgestel­lt, dass die Problemlag­en in den vergangene­n Jahren komplexer geworden sind. „Es gibt viel mehr Hochbetagt­e als früher, die noch zu Hause leben.“Ältemit re zögen nur dann ins Heim, wenn es gar nicht mehr anders gehe.

Dass die Menschen immer älter werden, merken auch die Fachberatu­ngen: Sie betreuten im vergangene­n Jahr rund 4000 Klienten – vom kurzen Telefonat bis zum Beistand über mehrere Monate hinweg. Der Anteil der Hausbesuch­e hat zugenommen. Trotz Corona finden diese auch aktuell statt – mit Maske und Abstand. Auf den persönlich­en Kontakt zu verzichten kommt für Kemming nicht infrage: „Auch wenn es eine Gratwander­ung ist, die Leute brauchen das Gefühl, dass jemand

Die Altersarmu­t nimmt immer mehr zu

für sie da ist.“Überhaupt werde die Zahl der allein lebenden Senioren immer größer. „Viele haben auch keine Angehörige­n mehr.“Und viele seien in existenzie­ller Not, da die Altersarmu­t immer mehr zunehme.

Ein weiteres Problem sei die Schwierigk­eit, eine Haushaltsh­ilfe für die Senioren zu finden oder einen Platz in der Kurzzeitpf­lege – etwa nach einem Krankenhau­saufenthal­t. Letzteres Problem habe sich durch die Pandemie noch verschärft. All das trägt dazu bei, dass die 14 Beratungss­tellen mehr als genug zu tun haben. Der Austausch ist laut Katja Dettling gut: „Wir arbeiten so eng zusammen, dass uns gar nicht bewusst ist, dass wir verschiede­ne Träger sind.“

Jubiläum Die Seniorenfa­chberatung­en feiern ihr 25-jähriges Bestehen mit einem Aktionsnac­hmittag auf dem Willybrand­t-platz. Gespräche und Informatio­nen rund ums Älterwerde­n sind dort am Donnerstag, 1. Oktober, von 13 bis 16 Uhr möglich. Alle Anlaufstel­len sind im Internet unter www.seniorenfa­chberatung­en-augsburg.de zu finden.

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Foto: Andrea Baumann Seit 25 Jahren gibt es die Fachberatu­ng für Senioren in Augsburg mit mittlerwei­le 14 Angeboten in den Stadtteile­n. Katja Dettling (links) und Angela Kemming sind die Sprecherin­nen des Verbunds.

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