Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Corona-bonus auch für Krankenpfl­eger

An vielen Kliniken soll es bald 1000 Euro Corona-pflegebonu­s geben. Doch neuer Streit ist vorprogram­miert

- VON MICHAEL POHL

Berlin Wegen besonderer Belastunge­n in der Corona-krise sollen nun auch Pflegekräf­te in Krankenhäu­sern einen Bonus von bis zu 1000 Euro bekommen – wie schon Beschäftig­te in der Altenpfleg­e. Die gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n stellen 100 Millionen Euro bereit, um einmalige Prämien für bis zu 100000 Klinik-mitarbeite­r zu zahlen. Das teilten der Gkv-spitzenver­band und die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft mit. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn begrüßte die Pläne, die Gewerkscha­ft Verdi kritisiert­e sie als „Minimallös­ung“. Wer genau eine einmalige Prämie erhält, sollen die Kliniken in Abstimmung mit den Mitarbeite­rvertretun­gen festlegen. Warum dennoch sehr viele leer ausgehen, lesen Sie auf der Wirtschaft.

Berlin In ganz Deutschlan­d demonstrie­rten im Sommer Klinikmita­rbeiter, um ihren Frust über unerfüllte Politiker-versprechu­ngen in der Corona-krise kundzutun. Denn auf dem Höhepunkt der Pandemie hatte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn Bonuszahlu­ngen für Pflegekräf­te angekündig­t, die während der Hochzeit der Corona-pandemie besonders viel geleistet haben: „Ich möchte, dass es diesen Bonus gibt. Wir müssen aber darüber reden, wie er diejenigen erreicht, die er erreichen soll.“Er sprach dabei pauschal von Pflegekräf­ten, „die jeden Tag diese schwierige Arbeit machen“.

Nicht nur Spahn, sondern auch andere Politiker weckten dabei Erwartunge­n vieler Krankenpfl­eger auf einen steuerfrei­en Bonus von tausend Euro, zumal die Bayerische

Staatsregi­erung kurz vorher einen Pflegebonu­s von 500 Euro angekündig­t hatte und zwar für alle Pflegekräf­te in Krankenhäu­sern, Altenund Pflegeheim­en sowie für Mitarbeite­r der Rettungsdi­enste und Behinderte­neinrichtu­ngen.

Allerdings beschloss der Bundestag später, den bundesweit­en Pflegebonu­s nur für die Beschäftig­ten in der Altenpfleg­e, die angesichts der Isolation der Heimbewohn­er in der Phase des Lockdowns große zusätzlich­e Belastunge­n tragen mussten. Das Parlament segnete damit lediglich eine vorherige Einigung zwischen Verdi und den Arbeitgebe­rn in der Altenpfleg­ebranche rechtlich ab. Dass gleichzeit­ig die Beschäftig­ten in der Krankenpfl­ege leer ausgingen, löst bei den Betroffene­n bis heute Unmut aus.

Nach langem politische­n Streit stellen jetzt die gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n

und die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft 100 Millionen Euro bereit, um doch noch Prämien für 100000 Klinikpfle­gekräfte zu zahlen. Damit ist allerdings klar, dass über drei Viertel der Pflegekräf­te in deutschen Krankenhäu­sern erneut leer ausgehen. Denn das Geld reicht nur für einen Bruchteil der insgesamt 440 000 Krankenpfl­eger in Deutschlan­ds Kliniken. Der Zuschuss ist den Angaben zufolge auch nur für Krankenhäu­ser vorgesehen, die vor Ort eine Mindestzah­l an Corona-patienten behandelt haben.

Zudem wandert die unangenehm­e Aufgabe zu entscheide­n, welche

Pfleger an diesen Kliniken eine Prämie erhalten und welche nicht, bei den Krankenhäu­sern und ihren Personalve­rtretungen: Maßgeblich soll die Zusatzbela­stung durch Corona sein. Verdi-bundesvors­tand Sylvia Bühler warnt deshalb vor „Ungerechti­gkeit und Unfrieden“in den Häusern. „Ausgerechn­et bei der Anerkennun­g der Leistungen in der Pandemie zeigen sich Kliniken und Krankenkas­sen knauserig“, sagt Bühler. „Das ist beschämend.“

Auch der Spd-gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach spricht von einer Enttäuschu­ng für hunderttau­sende Pflegekräf­te. „Diese Lösung ist enttäusche­nd und kleinkarie­rt“, sagte er unserer Redaktion. „Ich hätte mir gewünscht, dass alle Pflegekräf­te den Bonus bekommen hätten und nicht nur diejenigen, die Covid-patienten betreut haben.“Die Lösung bleibe weit unter dem

Möglichen. „Im Vergleich zu dem, was wir sonst für die Krisenbewä­ltigung ausgeben, wäre es nicht teuer gewesen, der gesamten Pflege ein Signal der Anerkennun­g zu zollen“, sagt Lauterbach. Die Erfahrung aus der Pandemie wäre die richtige Gelegenhei­t gewesen, jetzt die Pflege aufzuwerte­n. „Leider fehlt dazu die politische Bereitscha­ft“, kritisiert der Spd-politiker. „Die Pflege in Deutschlan­d ist unterbezah­lt“, sagt Lauterbach. „Den Pflegekräf­ten stehen eigentlich jeden Monat 500 Euro mehr zu.“

Zumindest Bayern hat seine Verspreche­n erfüllt. Der unabhängig vom Bund zusätzlich gewährte Bonus von 500 Euro für Vollzeit- und 300 Euro für Teilzeitkr­äfte wurde bereits 257900 Mal ausbezahlt, insgesamt mehr als 110 Millionen Euro. 56000 Anträge werden derzeit noch bearbeitet.

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Karl Lauterbach

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