Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Chef gibt Nichtrauchern mehr Urlaub
Um das Betriebsklima zu verbessern, hatte der Geschäftsführer eines Gasthofs diese ungewöhnliche Idee. Seine Angestellten finden sie gut. Doch ist die Regelung überhaupt zulässig?
Neustadt-hambach Es war im vergangenen Jahr auf der Weihnachtsfeier, als Helmut Glas seinen Mitarbeitern verkündete: Jeder, der im Jahr 2020 während der Arbeitszeit nicht rauche, bekomme fünf zusätzliche Urlaubstage. Glas ist Geschäftsführer des Landgasthofs Jägerstübchen im rheinland-pfälzischen Neustadt-hambach. Auf die Idee war er gekommen, nachdem es immer wieder kleinere Querelen zwischen seinen Mitarbeitern gegeben hatte.
Während die einen arbeiteten, standen die anderen draußen beim Rauchen, erzählt er am Telefon. Und dass es so etwas wie Ausstempeln in seinem Betrieb nicht gebe. Glas fühlt sich als Chef auch verantwortlich für die gute Stimmung unter seinen Angestellten – und die befragte er erst einmal, um herauszuwie viel Zeit das Rauchen für sie täglich einnimmt. Glas rechnete die Zeit, so erzählt er es, dann auf das ganze Jahr hoch. Das Ergebnis habe alle überrascht: ungefähr zehn bis 15 Arbeitstage, die pro Jahr fürs Rauchen draufgingen. Das fand Glas Nichtrauchern gegenüber unfair, daher die Idee mit den zusätzlichen Urlaubstagen.
Wie seine Mitarbeiter das finden? Helmut Glas meint, dass sich das Betriebsklima stark verbessert habe. Es gebe nun keine Streitereien mehr zwischen Rauchern und Nichtrauchern. Die Nichtraucher freuten sich über zusätzlichen Urlaub – und die Raucher könnten in Ruhe zum Qualmen vor die Türe gehen.
Aber neiden die Raucher den übrigen Kollegen den zusätzlichen Urlaub? Das Gegenteil sei der Fall, glaubt man Florian Killius. Man habe nicht mehr so ein schlechtes Gewissen gegenüber den Kollegen, betont der stellvertretende Küchenchef im Landgasthof Jägerstübchen. Er erzählt auch: Er selbst habe sogar versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Im Gegensatz zum Küchenchef sei ihm das aber während der Corona-pandemie nicht geglückt. Im kommenden Jahr werde er es noch einmal versuchen.
Seit Anfang des Jahres gibt es die Regelung im Landgasthof von Helmut Glas nun schon. Er werde sie auch nächstes Jahr so weiterführen, kündigt er an. Ob und inwiefern sich seine Idee auf andere Betriebe übertragen lasse, müssten die selbst entscheiden. „Für uns war das einfach eine sehr passende Lösung“, sagt er. Das fand sogar seine Krankenkasse und lobte ihn.
Doch hätte der Gastwirt die Idee überhaupt umsetzen dürfen? Ist die Regelung in seinem Betrieb arbeitsrechtlich zulässig? Prinzipiell gelte immer der Grundsatz der allgemeifinden, nen Gleichbehandlung, erklärt die Schweinfurter Rechtsanwältin und Wirtschaftsmediatorin Dorothea Burkard auf Anfrage unserer Redaktion. Sinn und Zweck des Urlaubs sei die Erholung, die grundsätzlich auch Raucher benötigten. Eine Regelung wie im Falle des Landgasthofs von Helmut Glas sollte daher mit Vorsicht erfolgen, rät die Expertin.
Der Augsburger Arbeitsrechtler Bernd Sandmann hält die Entscheidung des Gastwirts in diesem Fall dagegen für legitim. Dadurch, dass die Mitarbeiter für Raucherpausen nicht ausstempeln würden und bei Rauchern eine höhere Anfälligkeit für gesundheitliche Probleme bestehe, könne man die fünf Tage Mehrurlaub sachlich rechtfertigen, sagt der Jurist. Allerdings: Für eine bindende Aussage benötige es immer eine genaue rechtliche Prüfung des Einzelfalls.