Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Junge Wilde und alte Hasen

Das neue Programm bietet nicht nur Konzerte

- VON SEBASTIAN KRAUS

Wer beim Begriff Jazz nur an in die Jahre gekommene Herrschaft­en denkt, die zu 70 Jahre alter Musik im Takt die Finger schnippen, darf sich mit dem Programm des Jazzclubs Augsburg eines Besseren belehren lassen. Der mit viel Expertise besetzte künstleris­che Beirat hat für die sechste Saison im eigenen Club einmal mehr einen ausgiebige­n Spaziergan­g durch die Spielarten dieser Musik zusammenge­stellt. Junge Wilde und alte Hasen, lokale Perlen und internatio­nale Schwergewi­chte, gepflegte Tradition und Haken schlagende Moderne – die Spielzeit für den Rest des Jahres 2020 präsentier­t sich so bunt wie ein herbstlich­er Laubwald.

Mit dem Horst Hansen Trio, das am heutigen Mittwochab­end den Reigen auf der Bühne eröffnet, hätte für diese Aufgabe die Wahl nicht besser sein können. Benannt nach dem Krefelder Trompeter Horst Hansen stehen sie mit ihrer eklektisch­en Mixtur aus Bebop, Psychedeli­schem und Groove für den Begriff des Überjazz, den Hansen etabliert hat: Musik weit über die Grenzen des traditione­llen Jazz hinaus.

Dieser Tradition scheinen sich alle neun weiteren Bands, die sich bis Dezember die Ehre geben, ebenfalls verschrieb­en zu haben. Darunter sind die blutjungen Musiker des Kammerer Orkösters (20. November), die ihre Bläsersekt­ion gerne kurz alpenländi­sch klingen lassen, oder der Downbeatcl­ub von Jo Aldinger (26. September), der leider nicht über die Frisuren, dafür über die DNA der legendären Funkcombo The Meters verfügt. Aus Berlin wird die Neuseeländ­erin Teresa Bergman anreisen, die mit Einflüssen aus Chanson und sehr viel Soul die Herzen wärmt (24. Oktober). Multiinstr­umentalist­in Carmen Souza löst für ihr Gastspiel in Augsburg ein Ticket aus London, um dem Pianisten Horace Silver, der wie sie kapverdisc­he Wurzeln hat, mit ihrer Band Tribut zu zollen (19. Dezember). Ebenfalls im Dezember verpflicht­et dann noch der Jazzkantin­e-saxophonis­t Heiner Schmitz (12. Dezember) die Augsburger Tom Jahn (p) und Tilman Herpichböh­m (dr), um Weihnachts­lieder für die zu spielen, die eigentlich so gar keine Lust auf Schneegeri­esel und „Last-christmas“-dauerschle­ife im Kaufhaus haben.

Doch es ist nicht nur konzertant, was der Jazzclub bietet, deckt er doch mittlerwei­le alle Facetten des kulturelle­n Bühnenlebe­ns ab: Komiker Florian Simbeck präsentier­t in der Comedy Lounge Kabarett auf hohem Niveau, die Kinoabende zeigen zu Unrecht vergessene Musikfilme und das neue Format Rhythm and Poetry führt in die sagenumwob­ene Welt der Beatpoeten um Schriftste­ller Jack Kerouac und Allen Ginsberg: Raplyriker wie der Berliner Heinrich von Kleister tragen Textfragme­nte vor, untermalt von musikalisc­her Improvisat­ion (1. Oktober). Und für diejenigen, denen Zuhören nicht reicht, gibt es an jedem zweiten Dienstag die Möglichkei­t, bei den Jamsession­s zusammen mit den feinsten Musikerinn­en und Musikern der Stadt die guten, alten Standards zu spielen.

ⓘ Konzert mit dem Horst Hansen Trio am heutigen Mittwoch, 23. September, um 20.30 Uhr im Jazzclub

 ?? Foto: Jo Aldinger ?? Rockige und blues-basierte Riffs prägen die Musik von Jo Aldingers Downbeatcl­ub. Die Band tritt am Samstag im Jazzclub auf.
Foto: Jo Aldinger Rockige und blues-basierte Riffs prägen die Musik von Jo Aldingers Downbeatcl­ub. Die Band tritt am Samstag im Jazzclub auf.

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