Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Junge Wilde und alte Hasen
Das neue Programm bietet nicht nur Konzerte
Wer beim Begriff Jazz nur an in die Jahre gekommene Herrschaften denkt, die zu 70 Jahre alter Musik im Takt die Finger schnippen, darf sich mit dem Programm des Jazzclubs Augsburg eines Besseren belehren lassen. Der mit viel Expertise besetzte künstlerische Beirat hat für die sechste Saison im eigenen Club einmal mehr einen ausgiebigen Spaziergang durch die Spielarten dieser Musik zusammengestellt. Junge Wilde und alte Hasen, lokale Perlen und internationale Schwergewichte, gepflegte Tradition und Haken schlagende Moderne – die Spielzeit für den Rest des Jahres 2020 präsentiert sich so bunt wie ein herbstlicher Laubwald.
Mit dem Horst Hansen Trio, das am heutigen Mittwochabend den Reigen auf der Bühne eröffnet, hätte für diese Aufgabe die Wahl nicht besser sein können. Benannt nach dem Krefelder Trompeter Horst Hansen stehen sie mit ihrer eklektischen Mixtur aus Bebop, Psychedelischem und Groove für den Begriff des Überjazz, den Hansen etabliert hat: Musik weit über die Grenzen des traditionellen Jazz hinaus.
Dieser Tradition scheinen sich alle neun weiteren Bands, die sich bis Dezember die Ehre geben, ebenfalls verschrieben zu haben. Darunter sind die blutjungen Musiker des Kammerer Orkösters (20. November), die ihre Bläsersektion gerne kurz alpenländisch klingen lassen, oder der Downbeatclub von Jo Aldinger (26. September), der leider nicht über die Frisuren, dafür über die DNA der legendären Funkcombo The Meters verfügt. Aus Berlin wird die Neuseeländerin Teresa Bergman anreisen, die mit Einflüssen aus Chanson und sehr viel Soul die Herzen wärmt (24. Oktober). Multiinstrumentalistin Carmen Souza löst für ihr Gastspiel in Augsburg ein Ticket aus London, um dem Pianisten Horace Silver, der wie sie kapverdische Wurzeln hat, mit ihrer Band Tribut zu zollen (19. Dezember). Ebenfalls im Dezember verpflichtet dann noch der Jazzkantine-saxophonist Heiner Schmitz (12. Dezember) die Augsburger Tom Jahn (p) und Tilman Herpichböhm (dr), um Weihnachtslieder für die zu spielen, die eigentlich so gar keine Lust auf Schneegeriesel und „Last-christmas“-dauerschleife im Kaufhaus haben.
Doch es ist nicht nur konzertant, was der Jazzclub bietet, deckt er doch mittlerweile alle Facetten des kulturellen Bühnenlebens ab: Komiker Florian Simbeck präsentiert in der Comedy Lounge Kabarett auf hohem Niveau, die Kinoabende zeigen zu Unrecht vergessene Musikfilme und das neue Format Rhythm and Poetry führt in die sagenumwobene Welt der Beatpoeten um Schriftsteller Jack Kerouac und Allen Ginsberg: Raplyriker wie der Berliner Heinrich von Kleister tragen Textfragmente vor, untermalt von musikalischer Improvisation (1. Oktober). Und für diejenigen, denen Zuhören nicht reicht, gibt es an jedem zweiten Dienstag die Möglichkeit, bei den Jamsessions zusammen mit den feinsten Musikerinnen und Musikern der Stadt die guten, alten Standards zu spielen.
ⓘ Konzert mit dem Horst Hansen Trio am heutigen Mittwoch, 23. September, um 20.30 Uhr im Jazzclub