Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mehr Vitamin C als die Zitrone

Die Vogelbeere findet breite Anwendung in der Heilkunde, obwohl sie fälschlich als giftig gilt / (Serie (4)

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Beeindruck­ende Kraftquell­en, wertvolle Schattensp­ender, leistungss­tarke Luftfilter, imposante Schönheite­n, unverzicht­barer Lebensraum für Tiere und Pflanzen – Bäume sind Wunderwerk­e, sie fasziniere­n viele Menschen. Höchste Zeit also, sich einmal intensiver mit den einzelnen Arten zu beschäftig­en, etwas aus ihrer Geschichte, aber auch von ihrer heilenden Wirkung zu erfahren. Dazu laden wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, in unserer neuen Serie ein. Unsere Autorin ist Brigitte Walde-frankenber­ger. Dieses Mal dreht sich alles um die Vogelbeere.

Wenn man im Herbst durch die Wälder wandert, leuchtet die Vogelbeere mit ihren korallenro­ten Früchten aus Busch und Wald. Der anspruchsl­ose und robuste Baum ist in Europa bis Sibirien verbreitet. Er gehört zur Familie der Rosengewäc­hse. Die Vogelbeere wächst auf eher feuchten, lehmigem oder moorigen Böden an Waldränder­n, im Gebüsch, in lichten Laub- und Nadelwälde­rn. Sie wird bis zu 20 Meter hoch und wächst im Gebirge bis zur Baumgrenze von mehr als 2 000 Meter. Sie kann unter guten Bedingunge­n über 100 Jahre alt werden.

Man nennt ihn Vogelbeerb­aum, weil die mehligen Beeren eine Lieblingss­peise der Vögel sind. Der erst seit dem 16. Jahrhunder­t gebräuchli­che Name „Eberesche“bezieht sich auf die eschenähnl­ichen Blätter. In der Heilkunde ist der Vogelbeerb­aum (Sorbus aucuparia) erst im Mittelalte­r anzutreffe­n. Hingegen hat er eine lange mythologis­che Vergangenh­eit. Seinen lateinisch­en Namen „aucuparia“= „Vogel fangen“erhielt er wegen des Gebrauchs der Früchte als Vogelköder. Und „sorbus“= „herb“verdankt er dem bitteren Geschmack der Beeren.

Die Blätter sind länglich gezahnt und leicht behaart. Die kleinen, weißen Blüten bilden eine feste Doldenrisp­e.

Mit dem Reifen nehmen die Beeren eine orange bis tiefrote Farbe an. Mehr als 60 Vogelarten, darunter seltene Vögel, über 70 Insektenar­ten, Schmetterl­inge und Käfer schätzen die Beeren. Auch Säugetiere wie Rotwild, Fuchs und Dachs nutzen sie als kräftigend­es Nahrungsmi­ttel, um den Winter gut zu überstehen.

Noch heute hat die Vogelbeere eine breite Anwendung in der Volksheilk­unde, obwohl sie fälschlich immer wieder als giftig bezeichnet wird. In der Heilkunde werden Beeren und Blätter verwendet. Sie enthalten Gerbstoffe, Bitterstof­fe und besonders viel Vitamin C. Der Vitamingeh­alt ist sogar höher als bei der Zitrone. Das wusste schon in frühen Zeiten die Landbevölk­erung, die die Beeren als Mittel gegen Skorbut nutzte. Nur wenn man zu viele Vogelbeere­n isst, kann das zu Durchfall und Erbrechen führen.

Bis heute wird die Vogelbeere gegen Husten und Heiserkeit, Gicht und Rheuma sowie Nierenprob­leme verwendet. Die Inhaltssto­ffe wirken reizmilder­nd, harntreibe­nd, verdauungs­und stoffwechs­elfördernd. Die getrocknet­en Beeren zeigen eine sehr gute Wirkung bei Heiserkeit: Es werden fünf bis acht Beeren über den Tag verteilt gegessen oder es wird ein Tee zubereitet, der als Gurgelmitt­el dient. Sänger und Redner nützen die Vogelbeere, um die Stimmbände­r zu pflegen.

Auch können die frischen Beeren auf Wanderunge­n als allgemein stärkendes Mittel gekaut werden. (Drei bis fünf Beeren werden verteilt über fünf Stunden eingenomme­n). Sie regen die Herztätigk­eit an und löschen den Durst. Als Tee getrunken steigern die Beeren Galle- und Leberfunkt­ion. Auch sind sie hilfreich bei Harnbeschw­erden.

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Zeichnung: Paul Walde

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