Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie moderne Navis im Verkehr helfen
Kurven, Kuppen, Kreuzungen – wenn der Fahrer nichts sehen kann, liefern intelligente Navigationssysteme längst mehr Infos als die Reiseroute und helfen so beim Spritsparen
Fahren ist nicht nur sicher, sondern sorgt auch für einen guten Verkehrsfluss und einen niedrigen Verbrauch. Das lernen schon Lenkrad-neulinge in der Fahrschule. Zwar sind angesichts von Topografie und Streckenführung die Möglichkeiten des Menschen oft arg eingeschränkt, doch bietet einmal mehr die Elektronik profunde Unterstützung an. Immer mehr Autos sind mit Navigationssystemen ausgestattet, erweitern so den Horizont des Fahrers und öffnen ihm selbst dann die Augen, wenn der Blick durch Kurven, Kuppen oder Kreuzungen blockiert ist.
Weil die Systeme im Wagen immer stärker miteinander vernetzt sind, reagieren sie auf Wunsch zunehmend automatisch. So sind Autofahrer gegen Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit gefeit, wenn intelligente Tempomaten mit dem Navigationssystem und der Verkehrszeichenerkennung zusammenarbeiten. Denn dann regelt die Elektronik nicht nur den Abstand zum Vordermann, sondern passt auch das Tempo automatisch dem jeweiligen Limit an – und zwar auch dann, wenn das entsprechende Schild vielleicht noch gar nicht zu sehen ist.
Mit der gleichen Logik lässt sich auch der Verbrauch senken: Weil die Navigation selbst ohne aktive Zielführung weiß, wann auf der vorausliegenden Strecke Kreuzungen, scharfe Kurven, Kreisverkehre, Ortseinfahrten kommen, kann sie den Fahrer mit Anzeigen im Cockpit oder Head-up-display oder sogar einem sanften Gegendruck im Gaspedal auf bevorstehende Bremsmanöver hinweisen, erläutert Mercedes-sprecher René Olma. Und wenn dabei der Tempomat aktiviert ist, passt der die Geschwindigkeit bei vielen Marken und Modellen mittlerweile selbst dem Streckenverlauf an.
Solche Hinweise zum Spritsparen werden bei konventionell angetriebenen Autos oft belächelt und von manchem geflissentlich ignoriert. Mit dem Aufkommen des E-autos wird dies aber immer wichtiger. Weil die Entwickler im Ringen um die Reichweite alle Register ziehen, planen die Systeme neben der kürzesten Route auf Wunsch auch die effizienteste oder die mit den am besten gelegenen Ladepunkten. „Es ist schließlich nicht sinnvoll, wenn ein Plug-in-hybrid mit vollem Akku auf einer Passhöhe ankommt und bei der nachfolgenden Abfahrt keine Kapazität hat, um die Bremsenergie zu rekuperieren“, erläutert Heiko Sprenger von BMW, Leiter Energiemanagement Fahrzeug.
Je nachdem, wie der Fahrer seinen Wagen programmiert hat, verteilen sie bei Plug-in-hybriden auch die unterschiedlichen Betriebsarten und wechseln immer dann in den Elektro-modus, wenn es durch Innenstädte geht, während über Land der Verbrenner bevorzugt wird, so der Experte weiter.
Auch das Rekuperieren reiner Elektrofahrzeuge lässt sich durch die Voraussicht der Elektronik optimieren, erläutert Frank Bekemeier, der bei Volkswagen die Elektroplattform MEB verantwortet. Statt den Grad der Energierückgewinnung und mit ihr die Bremskraft des zum Generator umgepolten Elektromotors auf Knopfdruck zu variieren, kann man diese Entscheidung auch dem Bordcomputer überlassen. Der nutzt dafür dann das Abstandsradar und Infos aus der Navikarte und findet selbstständig die beste Balance aus Ausrollen und Laden des Akkus.
Haben die Autohersteller jahrelang nur Informationen genutzt, die im Fahrzeug verfügbar oder an Bord generiert werden konnten, beziehen sie nun zunehmend Daten von auvorausschauendes dort im ßen ein. „Car to X“-kommunikation lautet das Stichwort, unter dem sich moderne Autos mit der Infrastruktur vernetzen und so zum Beispiel variable Geschwindigkeitsbegrenzungen verarbeiten können, lange bevor auch die beste Kamera die Schilder sieht. Das funktioniert aber nicht nur bei Schilderbrücken auf der Autobahn, sondern auch bei Ampeln in der Innenstadt.
Als erster Hersteller hat das Audi bewiesen und bietet deshalb in zahlreichen Modellen eine Art Ampelassistenten an: Der ist vor allem in den USA sowie seit diesem Jahr auch in Deutschland zunächst in Ingolstadt und Düsseldorf freigeschaltet. Er weiß, wann Rot ist und wann Grün und berechnet so die optimale Geschwindigkeit, mit der man ohne Stopp durch die Stadt kommt, erläutert Projektleiter Andre Hainzlmaier: „Damit wollen wir den Komfort für den Fahrer verbessern, die Sicherheit im Verkehr erhöhen und einen vorausschauenden, ökonomischen Fahrstil fördern.“Die Ergebnisse aus den hauseigenen Flottenversuchen geben ihm recht: Um bis zu 15 Prozent sei der Verbrauch in Pilotprojekten gesunken.
Falls die grüne Welle mal ins Stocken gerät, ist der Ampel-assistent nicht nutzlos. Er zählt bei Rot die Sekunden herunter, sodass die Fahrer langsam an eine Ampel heranrollen können. Kommen sie tatsächlich zum Stehen, beruhigt der Countdown die Nerven und unterstützt ein zügiges Anfahren, sodass der Verkehr schnell wieder gut fließt. Dass zumindest Letzteres auch ohne Vernetzung funktioniert, beweist Hyundai im Kleinwagen i20 mit einem Anfahr-assistenten anderer Art.
Weil die Koreaner festgestellt haben, dass sich viele Fahrer beim Stopp arg ablenken lassen und den Blick von der Straße nehmen, sind die Abstandssensoren und Kameras im Stillstand besonders wachsam, so Pressesprecher Bernhard Voß. Registrieren diese, dass der Vordermann anfährt, lenken sie die Aufmerksamkeit des Fahrers mit einem Warnhinweis wieder auf den Verkehr. Das mag zwar ein wenig belehrend sein. Aber es ist noch immer dezenter als das Hupen eines genervten Hintermannes.
Ein Assistent hilft, die grüne Welle zu erwischen