Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Tanz auf dem Cello
Michail Uryvaev im Schaezlerpalais
Der Cellist Michail Uryvaev aus St. Petersburg überraschte: Nicht nur, dass er im Schaezlerpalais drei Barock-celli aufbot, um Bachs Geniestreich authentisch auszuloten, nein, konzentriert und ehrfürchtig beschritt er dabei ureigene Wege. Dafür gruppierte er die Suiten neu. Bachs Grundidee, die beiden Mollsuiten jeweils in die Mitte zu stellen, behält er bei, sodass die Dur-suiten flankierten: Setzten am ersten Tag B-tonarten die Akzente, herrschten tags darauf die Kreuztonarten vor: ein Plan, den Bach wohl gebilligt hätte.
Gekonnt spielt Uryvaev barocken Trumpf aus: Schlanker im Korpus, darmbesaitet, tiefer in der Stimmung und ohne Stachel changiert das Cello zur wahren Kniegeige. Und erst die Klanggestaltung: keine Spur von Vibrato und üppigem Ton. Sensibel kreiert er filigran abgestufte Farbnuancen; warm rückt der Klang nahe, fürs Schaezlerpalais wie bestellt.
Mit der grandiosen C-dur-majestas zu beginnen, gewinnt jene seltene Strahlkraft, bei der Musik und Raum korrespondieren. Uryvaev profiliert diese Festlichkeit, lädt voller Elan und Verve Prelude wie Allemande auf. Im Achtelimpuls bricht sich die Courante ihre bewegte Bahn, während die Gravität in der Sarabande nicht immer breiten Glanz entfaltet.
Leicht ins Ohr dagegen ging der Dur-moll-kontrast der populären Boureen, und die Gigue steckte voller Vitalität und Lebenslust. Verblüffend die Gegenwelt zu diesem stilisierten Tanzfest, die in der c-moll-suite aufbrechen sollte: Uryvaev griff vom Erben-cello zum klangsatten, nach Tecchler gebauten Instrument, stimmte die a-saite nach unten – schon nahm eine seltene Moll-schwärze gefangen. Der Cellist legte das Prelude dunkel verhangen als Ouvertüre aus, wahrte diesen Grundtenor. Mit Pathos und Akkordschwere tönte er die Allemande
ab. Dieses Fluidum setzte sich fort: Uryvaev verdichtete die schmerzvollen Vorhalte der Sarabande, erst die Gavotten hellten die Stimmung auf, federnd hier der Cello-tanzschritt. Als königliche C-dur-schwester gab sich die Esdur-suite zu erkennen, rückte sie doch die Verhältnisse wieder zurecht. Weit spannte der Cellist den Bogen von der barocken Festlichkeit des Präludiums hin zur atypisch luftigen Gigue.
Tags darauf sollte das Petersburger Gavrilenko-cello faszinieren, eine Quinte höher gestimmt. Uryvaev ließ jetzt in silberheller Interpretation aufhorchen. Die leuchtende Tessitura weckte Assoziationen an echohaltige Sphärenmusik, die vom Prelude auch auf die Allemande übersprang. Wohlklang verströmte die Sarabande über betörende Sextenparallelen. Großartig dieser Beschluss, dem tanzbeseelt die G-dursuite und klangkräftig die d-mollsuite das Feld bereiteten. Chapeau !