Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Klimaaktivisten werfen der Stadt Untätigkeit vor
Die Teilnehmer des Klimacamps rechnen vor, dass Augsburg zu wenig tut, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) kontert und kündigt weitere Maßnahmen zur CO -Senkung an
Die Klimaaktivisten aus dem Klimacamp neben dem Augsburg Rathaus greifen die schwarz-grüne Stadtregierung nun wegen ihrer Klimapolitik scharf an: Es gebe eine „riesige Ambitionslücke“in der städtischen Klimaschutzpolitik, sagt Ingo Blechschmidt, einer der Aktivisten. Die Aussage von Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU), dass man „klimafreundlichste Großstadt“in Bayern werden wolle, sei gemessen am Tun der Stadt nicht nachvollziehbar.
Wolle die Stadt dabei helfen, das Pariser Klimaschutzabkommen mit einer Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad einzuhalten, dann müsse sie deutlich mehr tun, sagen die Klimacamper. Andernfalls werde das der Stadt noch zustehende Co2-budget viel zu früh, nämlich schon in der laufenden Regierungsperiode aufgebraucht sein. Die Klimaaktivisten haben ausgerechnet, wie viel Kohlendioxid in Augsburg (Maßstab ist der Anteil der Augsburger an der Weltbevölkerung) noch produziert werden darf, damit das 1,5-Gradziel nicht überschritten wird. Sie kommen zum Ergebnis, dass der Stadt mit ihren Haushalten, Fabriken und Autos noch elf Millionen Tonnen zur Verfügung stehen. Ist dieses Kontingent einmal verbraucht, müsste Augsburg klimaneutral wirtschaften, wenn es keinen Beitrag zu einer weiteren massiven Erderwärmung leisten will, die irgendwann nicht mehr steuerbar wäre.
Nach den Berechnungen der Aktivisten sieht der derzeitige Klimaschutzpfad der Stadt vor, bis zum Jahr 2030 fast 20 Millionen Tonnen CO2 auszustoßen, bis 2050 wären es insgesamt 34 Millionen Tonnen. Das sei – trotz der städtischen Willenserklärungen – dreimal so viel, wie der Stadt zustehe. Die Stadt will laut Koalitionsvertrag bis spätestens 2050 klimaneutral sein. Statt der rund 7,7 Tonnen Co2-ausstoß pro Jahr und Einwohner (2018) sollen es dann nur noch 0,3 Tonnen sein.
Die Aktivisten fordern mehr und günstigeren öffentlichen Nahverkehr, die Förderung des Radverkehrs, mehr Solaranlagen und mehr Ökostrom bei den Stadtwerken. Der schwarz-grüne Koalitionsvertrag im Rathaus setze da zu wenig Ziele. Nötig, das gesteht aber auch Blechschmidt zu, seien zudem mehr Anstrengungen auf Bundesebene. „Ohne eine deutliche Bepreisung von CO2, die sozial gerecht erfolgen muss, wird es keine Kommune hinbekommen.“Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) sagt, er könne die Kritik grundsätzlich verstehen. Seine Partei hatte im Wahlkampf eine Klimaneutralität der Stadt schon bis 2035 gefordert, ähnliche Berechnungen wie die Klimaaktivisten angestellt und entschieden ein Erreichen der Pariser Klimaziele eingefordert. Erben sagt, derartige Berechnungen zeigten, dass die Zeit dränge.
In den vergangenen Jahren sank der jährliche Co2-ausstoß je Augsburger bereits von 9,46 Tonnen (2011) auf etwa 7,4 Tonnen (2019). Neben städtischen Bemühungen spielten dabei bundespolitische Vorgaben eine große Rolle – aber auch, dass großes Industrieunternehmen wie Ledvance (ehemals Osram) zusperrten. Momentanes Ziel der Stadt ist es, alle fünf Jahre zehn Prozent an klimaschädlichem CO2 einzusparen. Dieses Ziel aus dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag, das auf den Vorgaben des Klimabündnisses der deutschen Städte fußt, reiche aber wohl nicht, so Erben. „Wir müssen zulegen.“Allerdings müsse ein Handlungskonzept Hand und Fuß haben. Aktionistische Beschlüsse seien sinnlos.
Erben will in einem halben Jahr eine Studie vorstellen, in der berechnet wird, wann und wie Klimaneutralität in Augsburg erreicht werden kann und was konkret dafür getan werden muss. Der Co2-ausstoß durch den Verkehr sei nach wie vor hoch, so Erben. Wenn man daran etwas ändern wolle, müsse man bei der Förderung von Rad- und Nahverkehr ansetzen, und zwar entschiedener als bisher. „Das wird eine Aufgabe für die ganze Stadtregierung“, so Erben.
Geprüft werde, so Erben, auch die Frage, ob man in Augsburg künftig für Neubauten einen Energiestandard vorschreibe, der über den bundesweiten Vorschriften liegt. Dabei müsse man die Auswirkungen auf die Mieten im Auge behalten. Für bestimmte Segmente mache ein „Augsburger Energiestandard“womöglich Sinn. „Klar ist aber, dass der Weg umso steiniger wird, je weiter man die Emissionen senkt“, so Erben. Interessant wird sein, wie gut die Vorstellungen von Grünen und CSU und beim weiteren Vorgehen zum Klimaschutz zusammenpassen werden. Auch OB Weber hat sich dieses Ziel auf ihre Fahnen geschrieben. Im Wahlkampf setzte sie auf den Ansatz „Blue City“, der „über die ,grüne Ökologie‘ der 70er-jahre hinausgehen“solle, so der O-ton des Csu-wahlprogramms. Wobei Weber immerhin noch hinterherschob, dass die heutigen Grünen ja anders tickten als vor 50 Jahren. Neben einem Mitmachprogramm für Bürger sieht Weber vor allem die Nutzung von technischen Innovationen als Weg, um Co2-emissionen zu senken.
Die Stadt hatte das Klimacamp neben dem Rathaus schon im Sommer räumen lassen wollen, weil es aus Sicht der Stadt keine vom Grundgesetz geschützte Demonstration ist. Die Grünen in der Stadtregierung trugen den Kurs mit, von den Augsburger Landtagsabgeordneten der Grünen kam aber Kritik am Vorgehen der Stadt. Bevor es ernst mit einer Räumung des Protest-zeltlagers wurde, kippte das Verwaltungsgericht den städtischen Bescheid in einer Eilentscheidung. Ein Urteil im Hauptsacheverfahren steht aber noch aus. Vor Mitte Oktober dürfte es nicht soweit sein.