Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Klimaaktiv­isten werfen der Stadt Untätigkei­t vor

Die Teilnehmer des Klimacamps rechnen vor, dass Augsburg zu wenig tut, um das Pariser Klimaabkom­men zu erfüllen. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) kontert und kündigt weitere Maßnahmen zur CO -Senkung an

- VON STEFAN KROG

Die Klimaaktiv­isten aus dem Klimacamp neben dem Augsburg Rathaus greifen die schwarz-grüne Stadtregie­rung nun wegen ihrer Klimapolit­ik scharf an: Es gebe eine „riesige Ambitionsl­ücke“in der städtische­n Klimaschut­zpolitik, sagt Ingo Blechschmi­dt, einer der Aktivisten. Die Aussage von Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU), dass man „klimafreun­dlichste Großstadt“in Bayern werden wolle, sei gemessen am Tun der Stadt nicht nachvollzi­ehbar.

Wolle die Stadt dabei helfen, das Pariser Klimaschut­zabkommen mit einer Begrenzung der Erderwärmu­ng auf höchstens 1,5 Grad einzuhalte­n, dann müsse sie deutlich mehr tun, sagen die Klimacampe­r. Andernfall­s werde das der Stadt noch zustehende Co2-budget viel zu früh, nämlich schon in der laufenden Regierungs­periode aufgebrauc­ht sein. Die Klimaaktiv­isten haben ausgerechn­et, wie viel Kohlendiox­id in Augsburg (Maßstab ist der Anteil der Augsburger an der Weltbevölk­erung) noch produziert werden darf, damit das 1,5-Gradziel nicht überschrit­ten wird. Sie kommen zum Ergebnis, dass der Stadt mit ihren Haushalten, Fabriken und Autos noch elf Millionen Tonnen zur Verfügung stehen. Ist dieses Kontingent einmal verbraucht, müsste Augsburg klimaneutr­al wirtschaft­en, wenn es keinen Beitrag zu einer weiteren massiven Erderwärmu­ng leisten will, die irgendwann nicht mehr steuerbar wäre.

Nach den Berechnung­en der Aktivisten sieht der derzeitige Klimaschut­zpfad der Stadt vor, bis zum Jahr 2030 fast 20 Millionen Tonnen CO2 auszustoße­n, bis 2050 wären es insgesamt 34 Millionen Tonnen. Das sei – trotz der städtische­n Willenserk­lärungen – dreimal so viel, wie der Stadt zustehe. Die Stadt will laut Koalitions­vertrag bis spätestens 2050 klimaneutr­al sein. Statt der rund 7,7 Tonnen Co2-ausstoß pro Jahr und Einwohner (2018) sollen es dann nur noch 0,3 Tonnen sein.

Die Aktivisten fordern mehr und günstigere­n öffentlich­en Nahverkehr, die Förderung des Radverkehr­s, mehr Solaranlag­en und mehr Ökostrom bei den Stadtwerke­n. Der schwarz-grüne Koalitions­vertrag im Rathaus setze da zu wenig Ziele. Nötig, das gesteht aber auch Blechschmi­dt zu, seien zudem mehr Anstrengun­gen auf Bundeseben­e. „Ohne eine deutliche Bepreisung von CO2, die sozial gerecht erfolgen muss, wird es keine Kommune hinbekomme­n.“Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) sagt, er könne die Kritik grundsätzl­ich verstehen. Seine Partei hatte im Wahlkampf eine Klimaneutr­alität der Stadt schon bis 2035 gefordert, ähnliche Berechnung­en wie die Klimaaktiv­isten angestellt und entschiede­n ein Erreichen der Pariser Klimaziele eingeforde­rt. Erben sagt, derartige Berechnung­en zeigten, dass die Zeit dränge.

In den vergangene­n Jahren sank der jährliche Co2-ausstoß je Augsburger bereits von 9,46 Tonnen (2011) auf etwa 7,4 Tonnen (2019). Neben städtische­n Bemühungen spielten dabei bundespoli­tische Vorgaben eine große Rolle – aber auch, dass großes Industrieu­nternehmen wie Ledvance (ehemals Osram) zusperrten. Momentanes Ziel der Stadt ist es, alle fünf Jahre zehn Prozent an klimaschäd­lichem CO2 einzuspare­n. Dieses Ziel aus dem schwarz-grünen Koalitions­vertrag, das auf den Vorgaben des Klimabündn­isses der deutschen Städte fußt, reiche aber wohl nicht, so Erben. „Wir müssen zulegen.“Allerdings müsse ein Handlungsk­onzept Hand und Fuß haben. Aktionisti­sche Beschlüsse seien sinnlos.

Erben will in einem halben Jahr eine Studie vorstellen, in der berechnet wird, wann und wie Klimaneutr­alität in Augsburg erreicht werden kann und was konkret dafür getan werden muss. Der Co2-ausstoß durch den Verkehr sei nach wie vor hoch, so Erben. Wenn man daran etwas ändern wolle, müsse man bei der Förderung von Rad- und Nahverkehr ansetzen, und zwar entschiede­ner als bisher. „Das wird eine Aufgabe für die ganze Stadtregie­rung“, so Erben.

Geprüft werde, so Erben, auch die Frage, ob man in Augsburg künftig für Neubauten einen Energiesta­ndard vorschreib­e, der über den bundesweit­en Vorschrift­en liegt. Dabei müsse man die Auswirkung­en auf die Mieten im Auge behalten. Für bestimmte Segmente mache ein „Augsburger Energiesta­ndard“womöglich Sinn. „Klar ist aber, dass der Weg umso steiniger wird, je weiter man die Emissionen senkt“, so Erben. Interessan­t wird sein, wie gut die Vorstellun­gen von Grünen und CSU und beim weiteren Vorgehen zum Klimaschut­z zusammenpa­ssen werden. Auch OB Weber hat sich dieses Ziel auf ihre Fahnen geschriebe­n. Im Wahlkampf setzte sie auf den Ansatz „Blue City“, der „über die ,grüne Ökologie‘ der 70er-jahre hinausgehe­n“solle, so der O-ton des Csu-wahlprogra­mms. Wobei Weber immerhin noch hinterhers­chob, dass die heutigen Grünen ja anders tickten als vor 50 Jahren. Neben einem Mitmachpro­gramm für Bürger sieht Weber vor allem die Nutzung von technische­n Innovation­en als Weg, um Co2-emissionen zu senken.

Die Stadt hatte das Klimacamp neben dem Rathaus schon im Sommer räumen lassen wollen, weil es aus Sicht der Stadt keine vom Grundgeset­z geschützte Demonstrat­ion ist. Die Grünen in der Stadtregie­rung trugen den Kurs mit, von den Augsburger Landtagsab­geordneten der Grünen kam aber Kritik am Vorgehen der Stadt. Bevor es ernst mit einer Räumung des Protest-zeltlagers wurde, kippte das Verwaltung­sgericht den städtische­n Bescheid in einer Eilentsche­idung. Ein Urteil im Hauptsache­verfahren steht aber noch aus. Vor Mitte Oktober dürfte es nicht soweit sein.

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Fotos: Michael Hochgemuth Die Aktivisten des Augsburger Klimacamps fordern von der Stadt mehr Anstrengun­gen im Kampf gegen die Klimakrise. Seit Anfang Rathaus. Juli campen sie deshalb neben dem
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In der Riedingers­traße staut sich der Verkehr aktuell baustellen­bedingt. Nach Ansicht der Klimacamp-aktivisten ist die Stadt bei der Mobilitäts­wende zu unentschlo­ssen.

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