Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Tod eines Rentners: Diebe werden nicht bestraft

Zwei Männer aus Königsbrun­n bestehlen einen Rentner in Bayreuth. Der 88-Jährige wird dabei offenbar schwer verletzt und stirbt. Doch für den Tod kann wohl keiner der beiden mutmaßlich­en Täter verurteilt werden

- VON JÖRG HEINZLE

Ein Rentner, 88 Jahre alt, wird in seinem Haus in Bayreuth das Opfer von zwei Trickdiebe­n – und stirbt dabei einen offenbar gewaltsame­n Tod. Klar ist, wer die Täter sind, die den Mann bestohlen haben. Und dass zumindest einer vermutlich auch für den Tod des Rentners verantwort­lich ist. Es sind zwei Männer aus Königsbrun­n im Kreis Augsburg, die schon zuvor immer wieder gemeinsam als Trickdiebe unterwegs waren, unter anderem gaben sie sich dabei als falsche Stadtwerke­mitarbeite­r aus. Doch für den Tod des 88-Jährigen belangt wird nun wohl keiner der beiden Männer.

Und zwar aus Mangel an Beweisen. Die Tat spielte sich am 12. April 2017 ab – und sie war von Beginn an rätselhaft. Bei der Polizei ging damals über die 110 ein Notruf ein. Ein Mann meldete sich und teilte mit, dass in der Innstraße in Bayreuth ein alter Mann überfallen und schwer verletzt worden sei. Polizisten eilten zum mutmaßlich­en Tatort – und fanden dort tatsächlic­h einen Verletzten. Friedrich K., 88, lag in seinem Haus auf dem Boden und war nicht mehr ansprechba­r. Wenige Tage später starb er im Krankenhau­s. Das Opfer lebte in einer gepflegten Wohngegend in der oberfränki­schen Stadt. Friedrich K. wurde, das ergab die Untersuchu­ng seiner Leiche, mehrfach geschlagen. Der Rentner soll zwei Schläge bekommen und eine Steintrepp­e hinunterge­stürzt sein. Den Polizisten bot sich in dem Haus ein chaotische­s Bild. Sämtliche Schubladen und Schränke waren durchwühlt.

Als Verdächtig­e machten die Ermittler Firat T., 36, und Anton S., 35, aus. In monatelang­er Kleinarbei­t ermittelte eine Sonderkomm­ission, wo sich die Männer in den Wochen und Monaten vor der Tat überall aufgehalte­n hatten. Bei einer Reihe von anderen Trickdiebs­tählen, die man ihnen zuordnete, sind die Verdächtig­en aber offensicht­lich nie gewalttäti­g geworden. Nur bei Friedrich K. muss etwa aus dem Ruder gelaufen sein. Die Ermittler sicherten am Tatort mehrere Dna-spuren, die zu den verdächtig­en Männern aus Königsbrun­n passten.

Wie die Tat genau abgelaufen sein soll, konnten die Ermittler aber nicht klären. Offen blieb etwa, ob

Friedrich K. niedergesc­hlagen wurde, bevor die Täter das gesamte Haus durchsucht­en, ob sie den Rentner erst danach attackiert­en – oder ob die Schläge erst nach dem Treppenstu­rz, der laut Gutachten die Todesursac­he war, erfolgt sind. Offen blieb auch, ob zwei Täter zugeschlag­en haben – oder ob es nur einer war. Die Staatsanwa­ltschaft ging in ihrer Anklage davon aus, dass es ein gemeinscha­ftlich begangener Raubmord war. Unabhängig davon, wer genau was getan hat.

Der unklare Tatablauf führt nun, mehr als drei Jahre nach der Tat, auch dazu, dass keiner der beiden Tatverdäch­tigen für den Tod des Mannes büßen muss. In einem ersten Prozess im Juli 2018 hatte das Landgerich­t Bayreuth Firat T., 36, noch als Haupttäter gesehen. Er wurde damals zu einer lebenslang­en Haftstrafe wegen Mordes verurteilt. Anton S., der im Prozess die Tat auf seinen Komplizen T. geschoben hatte, kam deutlicher glimpflich­er davon. Gegen ihn verhängten die Richter wegen Diebstahls, Waffenbesi­tzes und unterlasse­ner Hilfeleist­ung rund fünf Jahre Haft. Firat T. wollte das Mordurteil aber nicht akzeptiere­n, legte mit seinem Augsburger

Anwalt Florian Engert Revision ein und hatte Erfolg. Der Bundesgeri­chtshof hob das Urteil schließlic­h auf.

Nun, im zweiten Prozess vor dem Bayreuther Landgerich­t, blieb vom Mordvorwur­f gegen Firat T. nichts übrig. Es gebe sogar „ganz erhebliche Zweifel“, ob der Angeklagte bei der Tat überhaupt im Haus gewesen sei, räumte der Vorsitzend­e Richter Torsten Meyer ein. Das Gericht verurteilt­e T. nun im September wegen gewerbsmäß­igen Diebstahls, unterlasse­ner Hilfeleist­ung und unerlaubte­n Waffenbesi­tzes zu fünfeinhal­b Jahren Gefängnis. Gut die Hälfte dieser Strafe hat er schon jetzt durch die Untersuchu­ngshaft abgesessen.

„Der Strafkamme­r ist bewusst, dass das Ergebnis für manche unbefriedi­gend ist“, sagte Richter Meyer bei der Urteilsver­kündigung. Friedrich K. sei gestorben und „es wird keiner für seinen Tod verantwort­lich gemacht“. Aber es sei zu vieles unklar. Und es lasse sich nicht feststelle­n, wer überhaupt der Schuldige sei. „Denn die beiden Täter schieben die Schuld auf den jeweils anderen“, so der Richter.

Ganz zu Ende ist die Sache aber immer noch nicht. Sowohl die Staatsanwa­ltschaft wie auch T.s Verteidige­r wollen das Urteil erneut mit einer Revision prüfen lassen. Anwalt Florian Engert meint, sein Mandant müsse wegen einer Drogensuch­t eigentlich in einer Therapieei­nrichtung untergebra­cht werden.

Die Polizei hatte nach dem Mord intensiv ermittelt. Die Ermittler der Soko „Inn“sicherten in dem Haus mehr als 1000 Spuren, darunter Fingerabdr­ücke, Dna-material und Faserspure­n. Im Laufe der monatelang­en Ermittlung­en hatten die Beamten im gesamten Bundesgebi­et mehrere Hundert Personen befragt. Im Mai 2017 war der Mordfall Thema in der Zdf-sendung „Aktenzeich­en XY“. Auch den mysteriöse­n Notruf spielten die Ermittler damals öffentlich vor. Der Notruf, der wenige Stunden nach der Tat gegen 23 Uhr abgesetzt wurde, kam von einem Münztelefo­n im Bahnhof von Crailsheim (Kreis Schwäbisch Hall). Die Richter sind überzeugt, dass es einer der Männer war, der – wohl aus schlechtem Gewissen – die Polizei über den Schwerverl­etzten informiert­e. Doch Friedrich K. half das nicht mehr.

Bundesgeri­chtshof hob Mordurteil auf

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Archivfoto: NEWS5 / Fricke Tatort in Bayreuth: Ein Rentner starb hier, als er von zwei Männern aus Königsbrun­n bestohlen wurde.

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