Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Prozess um mutmaßlich­es Bus‰kartell hat es in sich

Busfirmen sollen den Wettbewerb im Nahverkehr torpediert haben. In der Verhandlun­g wird es um Millionens­ummen gehen. Brisant in Corona-zeiten: Vier Angeklagte sind 80 Jahre und älter

- VON JÖRG HEINZLE

Der Prozess, der an diesem Dienstag vor dem Augsburger Landgerich­t beginnen soll, hat es in sich. Und das in mehrfacher Hinsicht. Das Verfahren ist geeignet, die Busbranche in der Region Augsburg durcheinan­der zu wirbeln. Denn angeklagt sind insgesamt acht Verantwort­liche von sechs Busfirmen. Sie sollen, so der Vorwurf, durch Absprachen den Wettbewerb im öffentlich­en Nahverkehr torpediert haben – letztlich zulasten der Allgemeinh­eit. Gleichzeit­ig ist der Prozess aber auch ein Stresstest für die Justiz in Coronazeit­en. Denn vier der acht Angeklagte­n haben den 80. Geburtstag bereits gefeiert. Sie gehören damit zur Risikogrup­pe, die sich auf keinen Fall mit dem Coronaviru­s infizieren sollte. Auch das sorgte schon im Vorfeld für Wirbel.

Die Wirtschaft­skammer des Landgerich­ts hat sich für das Verfahren einen großen Saal im Justizgebä­ude am alten Einlass reserviert. Nach Informatio­nen unserer Redaktion haben aber mehrere Verteidige­r dennoch ihre Bedenken geäußert, ob ein solcher Mammutproz­ess angesichts der Corona-pandemie vertretbar ist, zumal die Mehrzahl der Angeklagte­n bereits im Seniorenal­ter ist. Aller Voraussich­t nach wollen sie das auch zum Prozessauf­takt

noch einmal vorbringen. Das Gericht hatte eigens einen Hygienespe­zialisten damit beauftragt, ein Corona-konzept für den Prozess zu erstellen. Es gelten nun strenge Abstandreg­eln und eine Maskenpfli­cht für alle Beteiligte­n auf dem Weg zu ihren Plätzen. Außerdem werden alle Plätze vor jedem Prozesstag desinfizie­rt.

Dass die Angeklagte­n teils schon älter als 80 Jahre sind, liegt auch daran, dass die Vorgeschic­hte des Prozesses weit zurückreic­ht. Im Zentrum des Kartellver­dachts steht die Regionalbu­s Augsburg Gmbh, kurz

RBA. Einst ein Staatsbetr­ieb, der zur Bahn gehörte. Vor rund drei Jahrzehnte­n wurde die RBA von der damals schwarz-gelben Bundesregi­erung privatisie­rt. Sie ging – mit Unterstütz­ung der Politik – mehrheitli­ch an regionale Busfirmen. Von da an waren die Rba-besitzer Platzhirsc­he in der Region. Und sie sollen später, so sehen es die Ermittler, auch das Kartell gebildet haben.

Ins Rollen kam alles im Jahr 2015 durch einen anonymen Hinweis, der beim Bundeskart­ellamt einging. Ein Jahr später durchsucht­en Ermittler unter anderem die Rba-zentrale in Augsburg. Die Beamten stießen bei ihren Ermittlung­en auf ein 14 Jahre altes Dokument, welches nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft den Verdacht belegt. Die Busunterne­hmer hatten vereinbart, sich bei Regionalbu­slinien keine Konkurrenz zu machen. Wer sich nicht daran hielt, sollte 100.000 Euro Strafe zahlen. In der Anklage werden Linien im Bereich des Augsburger Verkehrsve­rbunds (AVV) und im Kreis Dillingen aufgezählt, bei denen die Absprache gegriffen haben soll. Es geht dabei nur um Fälle aus den Jahren 2015 bis 2017, das Volumen dieser Aufträge liegt laut Staatsanwa­ltschaft bei rund 70 Millionen Euro.

Ursprüngli­ch hatte die Staatsanwa­ltschaft gegen über 20 Personen ermittelt. Gegen einige Beschuldig­te wurden die Verfahren aber eingestell­t. Mehrere Verantwort­liche zweier Busunterne­hmen agieren als Kronzeugen, sie haben sich gegenüber den Ermittlern zu den Absprachen in der Branche geäußert. Im Gegenzug wurden die Verfahren gegen sie eingestell­t, sie haben damit strafrecht­lich eine weiße Weste. Als Auflage mussten sie aber nach Informatio­nen unserer Redaktion eine sechsstell­ige Summe zahlen, bei einem war es sogar ein Millionenb­etrag. Die nun angeklagte­n Busunterne­hmer sind offenbar aber der Ansicht, sich nicht strafbar gemacht zu haben. Ein wichtige Frage im Prozess wird sein, ob die Kartellver­einbarung nur auf dem Papier existierte - oder ob sie auch, wie angeklagt, in die Tat umgesetzt wurde.

Von dem mutmaßlich­en Buskartell soll vor allem der Augsburger Verkehrsve­rbund (AVV) betroffen gewesen sein, der Aufträge dann mangels weiterer Angebote möglicherw­eise zu teuer vergeben musste. Der Verbund wird von Stadt und Landkreis Augsburg sowie den Kreisen Aichach-friedberg und Dillingen getragen. Eine Sprecherin des Verbunds kündigt an, dass der AVV den Prozess genau beobachten werde und sich vorbehalte, bei den Firmen auch Schadeners­atzansprüc­he geltend zu machen.

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Archivfoto: Marcus Merk Von dem mutmaßlich­en Buskartell soll vor allem der Augsburger Verkehrsve­rbund betroffen gewesen sein.

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