Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Hartes Ringen um Coronaregeln
Bund und Länder können sich im Kampf gegen das Virus nur bedingt auf eine gemeinsame Linie verständigen. Kanzlerin Merkel offenbar deutlich unzufrieden
Berlin Die erhoffte Einigung auf eine bundesweit einheitliche Linie im Kampf gegen das Coronavirus ist ausgeblieben. Auch nach mehr als achtstündiger Sitzung gab es beim Treffen der Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am späten Mittwochabend nur teilweise gemeinsame Maßnahmen zu vermelden. Dazu gehören bei hohen Infektionsraten etwa Sperrstunden für die Gastronomie ab 23 Uhr.
Doch gerade beim Thema innerdeutsche Reisen und Beherbergungsverbot lagen die Länderchefs trotz aller Vermittlungsversuche der Kanzlerin weit auseinander. Hier sollen die bereits bestehenden, höchst unterschiedlichen Regeln grundsätzlich erst einmal weiter gelten. Eine Regelung soll nach dem Ende der Herbstferien in Bayern am 8. November gefunden werden, wie Merkel erklärte.
Die wohl wichtigste Entscheidung: Der Corona-grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einund Woche bleibt grundsätzlich bestehen. Angesichts steigender Infektionszahlen sollen die Behörden jedoch in einer Art Vorwarnstufe dort strenger vorgehen, wo „besondere Ansteckungsgefahren“bestehen. An Plätzen, an denen „Menschen dichter oder länger zusammenkommen“- in Einkaufsstraßen beispielsweise - , kann deshalb künftig bereits ab 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner und Woche eine „ergänzende Maskenpflicht“verordnet werden. Ab dieser Grenze drohen zudem schärfere Teilnehmerbegrenzungen bei Veranstaltungen und Feiern im Familienoder Freundeskreis. Restaurants, Kneipen und andere Wirtschaftsbereiche müssen also weiterhin mit Einbußen rechnen. Die finanziellen Folgen will der Bund mit der Verlängerung bestehender Hilfsmaßnahmen abfedern.
Nachdem Treffen dieser Art in den vergangenen Wochen stets per Videokonferenz abgehalten worden waren, hatte Merkel angesichts der „historischen Dimension“auf einer Präsenzveranstaltung bestanden. Die Cdu-politikerin erhoffte sich durch den direkten Diskurs größere Chancen auf Einstimmigkeit. Es gebe die Wahl zwischen einem „beherzten Schritt“oder weiteren wöchentlichen Treffen, drängte Merkel nach Angaben aus Teilnehmerkreisen. Die Cdu-politikerin bemängelte demnach, dass sich jedes Bundesland ein eigenes „Schlupfloch“suche und damit einen zweiten Lockdown riskiere.
Merkel erklärte, dass sie mit dem Regelungs-vakuum beim Beherbergungsverbot „noch nicht zufrieden“sei. Eine gemeinsame Linie sei aber wichtig, weil sich das Land „eine zweite Welle, wie wir sie im Frühjahr hatten, so nicht noch mal leisten“könne.
Ähnlich besorgt und unzufrieden zeigte sich auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder: Man sei einen Schritt weitergekommen, er wisse aber nicht, ob das schon reiche, zeigte sich der CSU-CHEF reichlich genervt. „Wir sind einem zweiwohnern ten Lockdown eigentlich viel näher, als wir es wahrhaben wollen“, warnte Söder. Es sei „vielleicht gar nicht mehr fünf vor Zwölf, sondern Schlag Zwölf“. Ein zweiter Lockdown würde jedoch „erheblichste Schädigungen für Deutschland nach sich ziehen“.
Zumindest was die Maskenpflicht angeht, wünschen sich die Deutschen mehr Verlässlichkeit: In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Redaktion sprachen sich 78,2 Prozent der Befragten für bundesweit einheitliche Strafen gegen Maskenverweigerer aus.
Einig sind sich dabei die Anhänger fast aller im Bundestag vertretenen Parteien. Unter den Wählern von Union, Grünen, SPD und Linken spricht sich jeweils eine überwältigende Mehrheit dafür aus, in jedem Bundesland dasselbe Bußgeld zu verhängen, wenn die Maskenpflicht missachtet wird. Fdp-anhänger zeigen sich dabei gespalten. Unter Afd-wählern hingegen sind drei von fünf Befragten gegen einheitliche Strafen.
Söder kann sich nicht durchsetzen