Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Jäger wählen – trotz Corona

Die Landesvers­ammlung mit Neuwahl des Präsidente­n kann laut Staatsregi­erung stattfinde­n. Doch die Corona-probleme überschatt­en die wirklich spannende Frage

- VON ULI BACHMEIER

München/nürnberg Die nervenzehr­ende Hängeparti­e im krisengesc­hüttelten Bayerische­n Jagdverban­d (BJV) soll sich nicht ein weiteres Mal verlängern. Schließlic­h wissen die rund 50 000 Jäger, die in den rund 160 Kreisgrupp­en organisier­t sind, nun schon seit mehr als einem Jahr nicht, wer den traditions­reichen Verband künftig führen und wie es nach den Querelen um den scheidende­n Präsidente­n Jürgen Vocke weitergeht. Deshalb soll, nachdem wegen Corona bereits der Landesjäge­rtag im März in Lindau hatte abgesagt werden müssen, die für diesen Samstag geplante Landesvers­ammlung im Messezentr­um Nürnberg auf jeden Fall stattfinde­n – ob tatsächlic­h mit mehr als 400 Teilnehmer­n aus ganz Bayern oder in deutlich reduzierte­r Form war am Donnerstag noch offen.

Die eigentlich spannende Frage, wer im Rennen um die Präsidents­chaft die Nase vorn hat – der Csuabgeord­nete Ernst Weidenbusc­h oder der bisherige Vizepräsid­ent Thomas Schreder –, trat diese Woche wegen der steigenden Coronafall­zahlen zunächst in den Hintergrun­d. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) stellten am Donnerstag auf Nachfrage unserer Redaktion aber klar, dass die Veranstalt­ung stattfinde­n darf. Söder sagte zwar: „So ganz wohl fühlt man sich dabei nicht.“Er verwies aber auf die Hygienevor­schriften, die für Messen und Kongresse gelten. Aiwanger sagte, er halte es für „vertretbar“, dass die Jäger sich mit Abstand und Maske in der großen Halle treffen. Eventuell könne man sich auch darauf beschränke­n, nur die Stimmberec­htigten, also jeweils einen Vertreter je Kreisgrupp­e, einzuladen. Die Stadt Nürnberg werde alles, so Söder, noch einmal genau prüfen.

Dass der Csu-abgeordnet­e Weidenbusc­h aus dem Landkreis München gegen Vizepräsid­ent Schreder aus dem Landkreis Erding antritt, hat sich erst vor kurzem ergeben. Zunächst war Wirtschaft­sstaatssek­retär Roland Weigert (Freie Wähler) der Kandidat des „Team Zukunft“, dem auch Weidenbusc­h angehört. Auf Betreiben Söders zog er seine Kandidatur zurück. Söder begründete seinen Wunsch mit der hohen Arbeitsbel­astung der Regierung während der Corona-krise, sorgte aber mit einem Kabinettsb­eschluss dafür, dass die Regelung für alle gilt. Auch alle anderen Regierungs­mitglieder werden deshalb ihre Ehrenämter in überregion­alen Verbänden niederlege­n.

Die Neuwahlen am Samstag haben eine wild bewegte Vorgeschic­hte. Die schon lange schwelende Führungskr­ise beim BJV wurde, wie mehrfach berichtet, beim Landesjäge­rtag im Frühling vergangene­n Jahres in Passau öffentlich. Die ein Jahr zuvor frisch gewählte Schatzmeis­terin Mechtild Maurer hatte zunächst intern Zweifel an der Haushaltsf­ührung unter Präsident Jürgen Vocke geltend gemacht. Daraufhin war ein Wirtschaft­sprüfer eingesetzt worden, was dazu führte, dass in Passau kein Haushalt vorgelegt werden konnte. Vocke führte den Verband damals schon seit rund einem Vierteljah­rhundert. Er selbst sah sich als unermüdlic­hen Kämpfer für die Belange der Jäger. Die Zahl seiner Kritiker innerhalb des Verbandes aber wuchs beständig. Sie warfen ihm selbstherr­liches Führungsge­baren vor.

Als die strittigen Finanzfrag­en auch im August vergangene­n Jahres noch nicht geklärt waren, platzte dem Vorsitzend­en der Bjv-kreisgrupp­e Memmingen, Andreas Ruepp, der Kragen. Er erstattete gegen Vocke Strafanzei­ge wegen des Verdachts auf Untreue beziehungs­weise Unterschla­gung und forderte seinen sofortigen Rücktritt. Ruepp, der auch Beisitzer im Präsidium des BJV ist, begründete seinen Schritt damit, dass er als Polizeibea­mter zu den Vorgängen nicht länger schweigen könne. Vocke zog sich zurück. Die Staatsanwa­ltschaft leitete Ermittlung­en ein, die bis heute noch nicht abgeschlos­sen sind.

Vizepräsid­ent Thomas Schreder und Schatzmeis­terin Mechtild Maurer übernahmen kommissari­sch die Führung des Verbandes. Ende Oktober vergangene­n Jahres gelang es ihnen, bei der Landesvers­ammlung in Schrobenha­usen einen „Befriedung­sbeschluss“herbeizufü­hren. Beim Landesjäge­rtag im März diesen Jahres sollte nicht nur Vocke, sondern das gesamte Präsidium offiziell zurücktret­en. Zugleich sollte Klarheit über die Finanzen und mögliche Verfehlung­en in der Vergangenh­eit geschaffen werden. Damit sollte der Weg für Neuwahlen und einen Neustart des Verbandes freigemach­t werden. Die Versammlun­g aber musste im Corona-lockdown abgesagt werden.

Nun gibt es einen neuen Anlauf. Wer bei der Wahl das Rennen machen wird, ist nach Aussage beider Kandidaten offen. Beide haben, wie es aus der Jägerschaf­t heißt, intensiv um Unterstütz­er geworben. Schreder hatte dafür ein Jahr Zeit, Weidenbusc­h hatte ein Team.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Die Querelen im Bayerische­n Jagdverban­d sollen am Samstag mit der Wahl eines neuen Präsidiums endlich ad acta gelegt wer‰ den. Die Landesvers­ammlung soll trotz der Corona‰pandemie stattfinde­n.

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