Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Überfall im Albaretto: Angeklagte­r kommt frei

Mit einem Komplizen soll der 34-Jährige eine Rentnerin beraubt haben. Es folgte ein komplizier­ter Prozess mit überrasche­ndem Ausgang

- VON PETER RICHTER

Der Überfall hat Aufsehen erregt. Im Juni 2017 wird eine Bewohnerin der Augsburger Seniorenwo­hnanlage Albaretto nachts in ihrem Apartment ausgeraubt. Zwei später als Täter verurteilt­e Männer erbeuten rund 240000 Euro Bargeld, Gold und Schmuck. Jetzt ist einer von ihnen vor dem Landgerich­t freigespro­chen worden – aus Mangel an Beweisen. Die Staatsanwa­ltschaft ist nach wie vor überzeugt, dass es sich bei dem heute 34-Jährigen um den zweiten Mann bei dem Überfall handelt. Staatsanwä­ltin Andrea Hobert, schon im ersten Prozess Anklägerin,

beantragte erneut eine mehr als siebenjähr­ige Haftstrafe.

Weder Schuld noch Unschuld des Angeklagte­n habe sich aber beweisen lassen, sagte Vorsitzend­er Richter Christian Grimmeisen, als er den Freispruch verkündete. Der Angeklagte, von den Anwälten Ricarda Lang und Werner Ruisinger verteidigt, hattezu den Vorwürfen geschwiege­n. Durch den Freispruch hat er jetzt Anspruch auf Haftentsch­ädigung, rund 70000 Euro. Er profitiert von einer Anfang Oktober in Kraft getretenen Gesetzesän­derung. Der Tagessatz für zu Unrecht erlittene Haft ist von 25 auf 75 Euro heraufgese­tzt worden.

Das Dilemma hatte sich früh abgezeichn­et. Überrasche­nd sei „ein zentrales Beweismitt­el“weggebroch­en, so Richter Grimmeisen. Denn der geladene „Hauptbelas­tungszeuge“, vor einem Jahr als Mittäter rechtskräf­tig verurteilt, verweigert­e die Aussage. Sein Verteidige­r begründete dies damit, sein Mandant wolle sich nicht selbst belasten. Er hat zumindest in Teilen ein falsches Geständnis abgelegt. Der 28-Jährige verbüßt gegenwärti­g noch seine Haftstrafe von fünfeinhal­b Jahren.

Ein halbes Jahr nach dem Raubüberfa­ll, bei dem die Täter mutmaßlich mit einem kopierten Sicherheit­sschlüssel in die Wohnung der Rentnerin gelangten, hatte die Kripo zwei Verdächtig­e festgenomm­en. Beide, damals 25 und 31, wohnen mit ihren Familien im Raum Stuttgart. Der Jüngere lebte früher in Augsburg und arbeitete als Krankenpfl­eger. Er kannte das Opfer, betreute die 73-Jährige, die querschnit­tsgelähmt ist, täglich. Nach der Festnahme gestand er den Überfall und benannte den Komplizen.

Doch so wie er die Tat schildert, kann es nicht gewesen sein. Demnach waren die zwei Männer in derselben Nacht bei einem Pflegedien­st in Kriegshabe­r eingebroch­en, um aus dem Büro den Schlüssel zum Apartment zu stehlen. Einer habe

Schmiere gestanden, der andere sei durch ein gekipptes Fenster eingestieg­en. Nach dem Überfall hätten sie den Schlüssel auf die gleiche Weise wieder zurückgebr­acht. Bei einer Rekonstruk­tion des Tatgescheh­ens durch die Kripo kam heraus: Das Fenster lässt sich von außen nicht öffnen. Ermittler wie jetzt auch das Gericht vermuten, dass der 28-Jährige jemanden deckt, der an der Tat beteiligt war. Möglicherw­eise seinen Bruder. Tage vor dem Überfall soll dieser bei der 73-Jährigen, die sich im Rollstuhl fortbewege­n kann, geklingelt und sich als Stromables­er ausgegeben haben. Angeblich wollte er einen Wohnungssc­hlüssel

stehlen, was misslang. Im Prozess hat auch er die Aussage verweigert.

Anwältin Mandana Maus trat im Prozess als Nebenkläge­rin auf. Sie schloss sich dem Strafantra­g der Staatsanwä­ltin an, da sie „keinen vernünftig­en Zweifel“habe, dass der Angeklagte der zweite Täter sei. Das Opfer leide noch immer massiv unter den Folgen des Überfalls, bei dem es gefesselt und geknebelt wurde. Die 73-Jährige fürchtet, sich die Heimkosten aufgrund ihrer finanziell­en Verluste bald nicht mehr leisten zu können. Von der Beute hat sie nur 30000 Euro und einige Schmuckstü­cke zurückerha­lten.

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