Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Streik: Ton zwischen Klinik und Verdi wird rauer
Die Leitung der Uniklinik wirft den streikwilligen Mitarbeitern vor, unverantwortlich zu handeln. Die Kritisierten kontern, eine Gefährdung von Patienten sei aufgrund des Personalmangels an der Tagesordnung
Zwischen den streikwilligen Mitarbeitern und der Leitung des Universitätsklinikums (UKA) sind die Fronten offenbar verhärtet: Beide Seiten werfen sich vor, mit der Gesundheit der Patienten zu spielen. Die letzte Verhandlungsrunde am Mittwoch wurde laut Verdi nach nur einer halben Stunde abgebrochen. Die Klinikleitung hatte gefordert, angesichts der verschärften Corona-lage ganz auf den Streik zu verzichten. Die Gewerkschaft fühlt sich in ihrem Streikrecht behindert.
Sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat Verdi am Mittwoch zu einem Pressegespräch über den Streik mitgebracht. Die Pflegekräfte aus dem UKA dürfen nicht gefilmt und auch nur anonym zitiert werden. Denn die Mitarbeiter haben Angst vor Repressalien ihres Arbeitgebers. Einzelne Pflegekräfte würden gezielt von Vorgesetzten unter Druck gesetzt, nicht an dem von Verdi ausgerufenen Streik am 19. und 20. Oktober teilzunehmen. „Wir haben Angst um unseren Arbeitsplatz“, sogar von „rollenden Köpfen“sei von der Klinikleitung gesprochen worden, berichten sie.
Bei dem Streik geht es um die Forderung der Gewerkschaft an die öffentlichen Arbeitgeber, unter anderem um 4,8 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 150 Euro. Mit bundesweiten Streiks will die Gewerkschaft Druck auf die Arbeitgeber ausüben, in der nächsten Verhandlungsrunde ein vernünftiges Angebot abzugeben. In Augsburg werden am Montag, 19. Oktober, Beschäftigte des UKA nach der Nachtschicht um 6 Uhr für zwei Tage die Arbeit niederlegen. Ende des Streiks ist dann am Mittwoch, 21. Oktober, ebenfalls um 6 Uhr.
Der Vorstandsvorsitzende und ärztliche Direktor des UKA, Prof. Michael Beyer, forderte in einer Erklärung die Beschäftigten auf, angesichts der verschärften Covid-19-situation auf den Streik zu verzichten. Man habe angeboten, gemeinsam vor die Presse zu treten und den Streik aufgrund der aktuellen Situation abzusagen und zugleich eine Botschaft an die Politik zu senden, für verbesserte Rahmenbedingungen und eine bessere Bezahlung. Das habe Verdi abgelehnt. „Ich hatte gehofft, dass wir in der Krise zusammenstehen. Ich hatte auf einen Schulterschluss mit Verdi gehofft“, so Beyer.
Gewerkschaft und Mitarbeiter sehen in der Argumentation mit Covid nur einen weiteren Vorwand des Klinikums, sie in ihrem Streikrecht zu behindern, hieß es in dem Pressegespräch. Schon seit Tagen würde mit allen erdenklichen Mitteln moralischer Druck aufgebaut, um Mitarbeiter vom Streik abzubringen. Renate Demharter, Notfallärztin und Mitglied der Verdi-streikleitung, sagte, bislang sei die Entwicklung der Covid-19-patienten am Klinikum nicht so dramatisch, dass man auf den Streik verzichten müsse. Laut der Notdienstvereinbarung zwischen Gewerkschaft und Klinikum darf der Streik ab einer Zahl von 25 Covid-patienten inklusive Verdachtsfällen nicht stattfinden.
Auch die Argumentation der Klinikleitung, es sei unverantwortlich, innerhalb weniger Tage zweimal dieselben Stationen zu bestreiken, will Demharter nicht stehen lassen. „Die durchschnittliche Verweildauer auf den Stationen beträgt sechs Tage“, sagte sie. Zwischen dem Streik am 5. Oktober und dem geplanten Streik am 19. Oktober liege genug Zeit, sodass wohl kaum ein Patient zweimal betroffen wäre.
Besonders verärgert waren die auf dem Pressegespräch anwesenden Pflegerinnen und Pfleger über den wiederholten Vorwurf, durch die Schließung von ganzen Abteilungen würden Patienten gefährdet. Auch in der aktuellen Mitteilung schreibt Klinikdirektor Beyer, das Verlegen schwer kranker Menschen, bedeute für diese großen Stress. „Für uns steht jeden Tag die bestmögliche Versorgung der Patienten im Fokus, ob mit Streik oder ohne. Durch die wiederholte Streikmaßnahme kann man jedoch den Eindruck gewinnen, dass Patientensicherheit nicht für alle gleich wichtig ist“, lässt er sich zitieren.
Von einem „moralischen Totschlagsargument“sprechen die Mitarbeiter. Eine Verlegung, auch von schwer kranken Patienten, gehöre zum Alltag im UKA. „Patientengefährdung ist doch unser tägliches Brot“, sagt einer. Aufgrund des Personalmangels, insbesondere auf der Intensivstation, müssten schwer kranke Patienten regelmäßig innerhalb des Hauses verlegt werden. Dass es dabei nicht schon Tote gegeben habe, sei den hervorragenden Pflegerinnen und Pflegern geschuldet, die jeden Tag für die Patienten ihr Bestes gäben. „Das ist es doch gerade, warum wir eine bessere Bezahlung und damit bessere Arbeitsbedingungen wollen“, sagt ein Pfleger von einer der beteiligten internistischen Abteilungen. Eine bessere Bezahlung bedeute, dass der Job wieder attraktiver werde – und damit vielleicht der Pflegenotstand gelindert werden könne.
Renate Demharter widerspricht auch der Darstellung der Klinikleitung, der Streik mache selbst vor Krebspatienten nicht halt. „Die Onkologie ist vom Streik bewusst ausgenommen“, sagt sie. Man habe bei der Streikvorbereitung darauf geachtet, dass Krebspatienten nicht betroffen seien. Das UKA schreibt, durch die Auswahl der Stationen, zum Beispiel in der Gastroenterologie, treffe man vor allem krebskranke Menschen, die unter dem Stress zu leiden hätten.