Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Aus einem Schabernack ging der Pumuckl hervor
Ellis Kaut ist unvergessen als Schöpferin der lustigen Geschichten rund um den frechen Kobold
Weltberühmt zu werden, das hatte sich Ellis Kaut schon als kleines Mädchen vorgenommen. Zunächst hatte sie die Schauspielerei im Sinn, als junge Erwachsene dann die Bildhauerei, um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Geschafft hat sie es schließlich als Kinderbuchautorin, genauer gesagt als „Pumuckl-mama“. 1962 lief im Bayerischen Rundfunk die erste Folge der Hörspielreihe über den frechen Klabautermann mit dem runden Bäuchlein und den roten Haaren. Seitdem haben Kinder rund um den Globus Spaß an dem Schabernack, den der Pumuckl in der Schreinerwerkstatt des Meister Eder treibt. Der Pumuckl wird also bald 60. Seine Schöpferin, die mit 94 Jahren im Jahr 2015 starb, hätte an diesem Dienstag ihren 100. Geburtstag gefeiert.
Schon früh zeigte sich die künstlerische Ader der in Stuttgart geborenen Elisabeth Kaut, als sie im Familienkreis eigene Theaterstücke aufführte und die Verwandten mit Gesangsdarbietungen erheiterte.
Mit der Bühnenlaufbahn wurde es dann allerdings trotz Schauspielunterrichts nichts. Ihren Lebensunterhalt verdiente die junge Frau zunächst als Kanzleidienst-anwärterin bei der Stadt München, ehe sie sich in einem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München der Bildhauerei zuwandte. Da war sie schon verheiratet mit dem Journalisten und Schriftsteller Kurt Preis. Der ermunterte sie, Geschichten und kleinere Beiträge für den Rundfunk zu schreiben.
Er war es auch, der dem berühmten Klabautermann später seinen lustigen Namen gab. Ellis Kaut hatte ihrem Mann 1961 bei einem Spaziergang unter verschneiten Bäumen eine Ladung Schnee in den Jackenkragen geschüttelt, woraufhin Preis zu ihr sagte: „Du bist ein rechter Pumuckl.“
Damals war sie gerade auf der Suche nach einer Nachfolgeserie für ihre ebenfalls sehr erfolgreichen „Geschichten vom Kater Musch“im Kinderfunk. Bei einer Besprechung fand sie den Bleistift, den sie eben noch in ihrer Hand gehabt hatte, plötzlich nicht. „Was, wenn nicht ich den Bleistift verlegt hätte, sondern ein Kobold?“spann sie vor sich hin – und schon war die Idee für die neue Serie geboren. Nachzulesen sind Episoden wie diese in ihrer Autobiografie „Nur ich sag ich zu mir“, die auf launige Art beschreibt, wie die beliebte Kinderbuchautorin sich ihren Weg als Frau und Künstlerin während des Krieges und in den Jahren danach suchen musste und damit auch ein Zeugnis der Zeitgeschichte ablegt.
Ellis Kaut war längst nicht nur die „Pumuckl-mama“; sie schrieb zahlreiche Beiträge für den Kinder- und Frauenfunk, verfasste Hörspiele, Novellen und Erzählungen und fand Anerkennung auch als Keramikerin und Fotografin. Doch der Pumuckl wurde zum ständigen Begleiter der kleinen, aufgeweckten Frau, die selbst so viel Ähnlichkeit mit ihrem Geschöpf hatte. „Der Pumuckl täte nie etwas, was ich nicht auch machen könnte“, sagte sie einmal im Gespräch mit unserer Redaktion. „Vor allem aber traut er sich das, was man als Kind immer ganz gern tun möchte: Er probiert etwas aus, auch wenn er weiß, dass es nicht gut ist und er geschimpft bekommt“, erklärte sie sich den überwältigenden Erfolg des Pumuckl.
Dessen Unerschrockenheit und liebenswürdige Aufsässigkeit, seine Nonsensverse und seine frechen Streiche lieben auch die Kinder von heute, und so ist an Ruhestand bei diesem Helden der Kindheit vieler Generationen offenbar noch lange nicht zu denken. Der Kobold wird in Werbespots des Bundesverkehrsministeriums für Verkehrssicherheit werben. Dazu soll es auch eine App und ein Computerspiel geben. Eine Neuauflage der Fernsehserie, in der einst Gustl Bayrhammer mit bayerischer Gelassenheit den Meister Eder spielte und Hans Clarin den Pumuckl so unnachahmlich in den Ohren der Fernsehzuschauer klingen ließ, steht ebenfalls auf dem Plan.
Dass es neue Pumuckl-geschichten geben soll, wäre für ihre Mutter „das größte Geburtstagsgeschenk“, sagt ihre Tochter Ursula Bagnall dazu. Wegen der Corona-krise sind nun sämtliche Veranstaltungen, die es rund um den 100. Geburtstag von Ellis Kaut gegeben hätte, abgesagt worden, darunter Lesungen bei der von Kaut gegründeten Stiftung zur Förderung des Lesens und der Kinderliteratur. „Vielleicht feiern wir dafür nächstes Jahr ihren 101. Geburtstag“, sagt ihre Tochter. Das, ist sie sicher, würde dem Pumuckl ohnehin besser gefallen.